06.12.2019
Geoengineering-Technologien: 8. Carbon Capture Use and Storage
Unter Geoengineering versteht man groß angelegte Maßnahmen zur Intervention in den Ozeanen, Böden und der Atmosphäre der Erde mit dem Ziel, die Auswirkungen des Klimawandels - zumindest vorübergehend - zu reduzieren. Dass Geoengineering als lukratives Geschäft angesehen wird, darüber haben wir schon des Öfteren berichtet. Auf der Website „Geoengineering Monitor“ findet man Merkblätter zu den unterschiedlichsten Methoden des Geoengineering, die wir frei für Sie übersetzt haben und hier in loser Reihe vorstellen werden. Meist sind diese "Technologien" hypothetische Vorschläge von verschiedenen Befürwortern des Geoengineerings. Geoengineering-Technologien können im Übrigen nach verschiedenen Ansätzen kategorisiert werden (Sonneneinstrahlung, Kohlendioxidabbau, Wetterveränderung) oder nach dem Ort, an dem sie in das planetarische Ökosystem (Land, Luft, Wasser) eingreifen wollen.
Geoengineering Monitor ist ein Gemeinschaftsprojekt von Biofuelwatch, und ETC mit Unterstützung der Heinrich Boell Stiftung. Biofuelwatch ist eine nichtstaatliche Umweltorganisation, die sich mit den negativen Auswirkungen industrieller Biokraftstoffe und Bioenergien einsetzt. ETC ist die „Action Group on >Erosion, Technology and Concentration<, ausgesprochen "et cetera", ist eine internationale Organisation, die sich der "Erhaltung und nachhaltigen Förderung der kulturellen und ökologischen Vielfalt und der Menschenrechte" verschrieben hat. Eine interaktive Landkarte über aktuelle Geoengineering-Projekte, auch in Ihrer Nähe (?) finden Sie hier: https://map.geoengineeringmonitor.org
Teil 8: Carbon Capture Use and Storage
Beim Carbon Capture Use and Storage (CCUS), der Nutzung und Speicherung von Kohlenstoffabscheidungen, handelt es sich um die Vermarktung von aus der Atmosphäre entferntem CO2. Es soll als Rohstoff für die Produktion verwendet und somit in Fertigprodukten "gelagert" werden. Damit soll CCS profitabel sein und von der Ölrückgewinnung (EOR, Enhanced Oil Recovery, siehe Teil 4 dieser Serie) entkoppelt werden. Einige CCUS-Szenarien sind noch theoretischer Natur, einige Technologien wurden bereits kommerzialisiert.
Die Hauptkritik an CCUS ist, dass die Treibhausgasemissionen letztendlich nicht entfernt oder abgesondert werden, sondern lediglich in Produkte eingebettet werden bzw. so verwendet werden, dass das CO2 wieder in die Atmosphäre freigesetzt wird, in dem es etwa als Abfall verbrannt wird oder verrottet. Hinzu kommen zusätzliche Emissionen in der Produktion, bei Transport und Infrastruktur. Das führt dazu, dass CCUS insgesamt eher Emissionen verursachen als reduzieren wird.
Optimierte Ölrückgewinnung (EOR)
Obwohl man beim CCUS versucht, sich im Gegensatz zu CCS, von der Ölrückgewinnung (EOR) zu distanzieren, ist EOR dennoch bei weitem der größte Einzelverbraucher des abgefangenen CO2 und auch der wahrscheinlich profitabelste Markt für in der Zukunft von CCUS. Und bei EOR geht es vereinfacht ausgedrückt um die Gewinnung von ansonsten nicht nutzbaren Ölreserven (siehe auch CCS-Factsheet). Dabei wird CO2 wird in alte Lagerstätten eingebracht, wodurch 30 bis 60% mehr als durch Bohrungen nutzbares Erdöl gefördert werden kann. Am häufigsten benutzt man hierfür CO2 aus natürlichen Quellen, da dieses günstig und gut verfügbar ist. Zunehmend kommt aber auch CO2 aus anthropogenen Quellen, insbesondere aus CCS-Anlagen in Nordamerika, zum Einsatz.
So liefern von den 17 weltweit in Betrieb befindlichen kommerziellen CCS-Anlagen 13 ihr separiertes CO2 für die Ölrückgewinnung, bei den vier sich im Bau befindlichen Anlagen werden drei hierfür produzieren. In diesem Fall kann man deshalb zwar von einer Nutzung der Kohlenstoffabscheidung aber nicht von einer Speicherung sprechen: Das meiste CO2 kehrt mit dem geförderten Erdöl zurück an die Oberfläche, dazu kommt noch, dass durch das CO2, welches hierdurch unter der Erde verbleibt, noch größere Emissionen ermöglicht werden, da das zusätzlich gewonnene Erdöl letztendlich verbrannt wird.
Umwandlung von CO2 in Chemikalien und Kraftstoffe
Eine weitere Idee ist die Nutzung von CO2 für die Verarbeitung und Umwandlung in Chemikalien und Kraftstoffe. Dies kann durch Carboxylationsreaktionen erreicht werden, bei denen das CO2-Molekül zur Herstellung von Chemikalien wie Methan, Methanol, Synthesegas, Harnstoff und Ameisensäure verwendet wird. CO2 kann auch als Rohstoff zur Herstellung von Kraftstoffen eingesetzt werden (z.B. im Fischer-Tropsch-Verfahren).
Eine solche Nutzung von CO2 ist jedoch energieintensiv, da es thermodynamisch sehr stabil ist: Um solche Reaktionen durchzuführen ist ein großer Energieaufwand erforderlich. Darüber hinaus werden Chemikalien und Kraftstoffe weniger als sechs Monate gelagert, bevor sie verwendet werden, und das CO2 wird sehr schnell wieder in die Atmosphäre abgegeben. Wie bei EOR ist dies Kohlenstoffabscheidung, aber keine Speicherung.
Herstellung von Biokraftstoffen aus Mikroalgen
CO2 hilft Mikroalgen zu züchten, welche zur Herstellung von Biokraftstoffen eingesetzt werden. Konkret würden diese Mikroalgen CO2 direkt aus Abfallströmen, wie beispielsweise Kraftwerksabgasen, binden. Dazu sollen Mikroalgen in riesigen Freilandteichen kultiviert werden, wofür eine große Fläche beansprucht wird. Es gibt große Bedenken bezüglich der Pläne, gentechnisch veränderte Algen zur Herstellung von Biokraftstoffen zu verwenden. Denn eine Eindämmung dieser Organismen, deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die natürliche Umwelt unbekannt sind, wäre nahezu unmöglich. Die in den USA ansässige Algae Biomass Organization (Algen-Biomasse-Organisation) fördert CCUS mit Mikroalgen. Auch haben zahlreiche Biokraftstoffunternehmen bereits versucht, die Algenzucht mit Industriekraftwerken zu kombinieren, welche CO2 liefern. Pond Technologies mit Sitz in Kanada ist ein solches Unternehmen. Es verfügt über drei Pilotanlagen, welche auf die Herstellung von Bioprodukten aus Algen, in Kooperation mit der Stahl-, Zement-, Öl- und Gasindustrie sowie der Stromgewinnung, spezialisiert sind. Ebenso ist die Produktionsstätte von Tata Steel in Port Talbot, Großbritannien, eine Partnerschaft mit dem britischen EnAlgae-Programm eingegangen, um die Verwendung von Grippegasen für die Algenzucht zu testen.
Kohlenstoff-negative Kunststoffe
Ein Unternehmen namens „Newlight Technologies“ hat kürzlich in einer Fabrik in Kalifornien ein Verfahren kommerzialisiert, das Methan aus landwirtschaftlichen Prozessen abtrennt und in Kunststoff umwandelt. Diese CO2-Abscheidungstechnologie wäre jedoch nur dann wirksam, wenn die Kunststoffe nie abgebaut oder nie als Abfall verbrannt würden.
Beton als Kohlenstoffsenke
Bei der mineralische Karbonisierung handelt es sich um einen chemischen Prozess, bei dem CO2 mit einem Metalloxid wie Magnesium oder Kalzium zu Karbonaten reagiert. Daraus ist die Idee entstanden, Materialien, die CO2 binden im Betonbau zu verwenden, um so die signifikanten Emissionen der Zementindustrie grün zu waschen. Das ähnelt den Verfahren der „optimierten Verwitterung“ (siehe Teil 6 dieser Serie), bei der Silikatmineralien von natürlichen Gesteinsvorkommen, mit CO2 in der Atmosphäre reagieren und zu stabilen Karbonaten werden. Unternehmen wie „Carbicrete“ behaupten, kohlenstoffnegativen Beton herzustellen, indem sie Stahlschlacke, ein Abfallprodukt aus der Stahlherstellung, anstelle von Zement verwenden. Anschließend wird CO2 in den Nassbeton eingespritzt, der mit der Schlacke reagiert und mineralische Karbonate bildet.
Ein weiteres Unternehmen, „Calera“, hofft, seine Methode der Betonherstellung mit abgefangenem CO2 zu erweitern, um eine Form von Kalziumkarbonatzement zu schaffen. Diese Prozesse könnten theoretisch in der Lage sein, CO2 über lange Zeiträume zu speichern. Wie bei der optimierten Verwitterung sind jedoch der Aufwand und die Kosten für die benötigte Energie, einschließlich des Abbaus, des Transports und der Aufbereitung der Mineralien, massiv und überwiegen wahrscheinlich alle Vorteile.
Lebensmittel aus abgeschiedenem CO2
Ein weiteres Beispiel für CCU, auch hier ohne Speicherung, ist „Climeworks' Direct Air Capture“ in Zürich (siehe Teil 1 dieser Serie). Bei dieser Anlage wird CO2 in nahegelegene Gewächshäuser gepumpt, was den Ertrag des dort angebauten Gemüses um bis zu 20% erhöht. Jedoch sollte bedacht werden, dass sobald ein solches Lebensmittel verdaut oder kompostiert wird, eine bedeutende Menge des Kohlenstoffs wieder freigesetzt wird. Abgesehen davon, dass Pflanzen als solches schon recht gut darin sind, CO2 aus der Atmosphäre abzutrennen, sie benötigen dazu weder eine große Infrastruktur oder Gewächshäuser.
Realitätscheck
Alle hier genannten Technologien werden in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlichem Erfolg kommerzialisiert. Mit Ausnahme von EOR, einem etablierten Prozess, sind die beteiligten Unternehmen in der Regel Start-ups, die darauf abzielen, durch den Hype um negative Emissionen zu profitieren, um den Wert des abgetrennten CO2 zu erhöhen.
Matthias Hüttmann
Link zum factsheet (Englisch)
Geoengineering-Technologien: 9. Marine Cloud Brightening
Geoengineering-Technologien: 8. Carbon Capture Use and Storage
Geoengineering-Technologien: 7. Biochar
Geoengineering-Technologien: 6. Enhanced Weathering
Geoengineering-Technologien: 5. Ocean Fertilization
Geoengineering-Technologien: 4. Carbon Capture and Storage
Geoengineering-Technologien: 3. Surface Albedo Modification
Geoengineering-Technologien: 2. Stratospheric Aerosol Injection
Geoengineering-Technologien: 1. Direct Air Capture