10.01.2020
Geoengineering-Technologien: 9. Marine Cloud Brightening
Unter Geoengineering versteht man groß angelegte Maßnahmen zur Intervention in den Ozeanen, Böden und der Atmosphäre der Erde mit dem Ziel, die Auswirkungen des Klimawandels - zumindest vorübergehend - zu reduzieren. Dass Geoengineering als lukratives Geschäft angesehen wird, darüber haben wir schon des Öfteren berichtet. Auf der Website „Geoengineering Monitor“ findet man Merkblätter zu den unterschiedlichsten Methoden des Geoengineering, die wir frei für Sie übersetzt haben und hier in loser Reihe vorstellen werden. Meist sind diese "Technologien" hypothetische Vorschläge von verschiedenen Befürwortern des Geoengineerings. Geoengineering-Technologien können im Übrigen nach verschiedenen Ansätzen kategorisiert werden (Sonneneinstrahlung, Kohlendioxidabbau, Wetterveränderung) oder nach dem Ort, an dem sie in das planetarische Ökosystem (Land, Luft, Wasser) eingreifen wollen.
Geoengineering Monitor ist ein Gemeinschaftsprojekt von Biofuelwatch, und ETC mit Unterstützung der Heinrich Boell Stiftung. Biofuelwatch ist eine nichtstaatliche Umweltorganisation, die sich mit den negativen Auswirkungen industrieller Biokraftstoffe und Bioenergien einsetzt. ETC ist die „Action Group on >Erosion, Technology and Concentration<, ausgesprochen "et cetera", ist eine internationale Organisation, die sich der "Erhaltung und nachhaltigen Förderung der kulturellen und ökologischen Vielfalt und der Menschenrechte" verschrieben hat. Eine interaktive Landkarte über aktuelle Geoengineering-Projekte, auch in Ihrer Nähe (?) finden Sie hier: https://map.geoengineeringmonitor.org
Teil 9: Marine Cloud Brightening
Unter dem Begriff des Marine Cloud Brightening (MCB) versteht man Manipulationen der Wolkendecke, um mehr Sonnenlicht zurück in den Weltraum zu reflektieren. Es ist eine Technik des sogenannten Solarstrahlungsmanagements (Solar Radiation Management = SRM). Mit MCB könnte die Temperatur der Atmosphäre und der Ozeane reduziert werden, da die Ozeane dann weniger Sonnenenergie absorbieren würden. Eine Reduzierung der Treibhausgase erfolgt dadurch nicht. Die Befürworter von MCB wollen weißere und mehr reflektierende Wolken erzeugen, indem sie Partikel (Salz aus Meerwassertropfen oder Bakterien) in die Wolken schießen um die Wolkenkondensationskerne um die sich die Wolken bilden zu erhöhen. Ein Vorschlag sieht vor, Meerwasser von Land aus oder über viele tausend Roboterboote in Meereswolken zu sprühen. Wie alle SRM-Technologien würde auch MCB Auswirkungen auf das Wettergeschehen haben. Dabei stellt sich natürlich auch die Frage wer darüber entscheiden würde und wo diese möglicherweise dürre- oder flutverursachenden Wolken platziert werden sollen.
Beteiligte Akteure
Die prominentesten Verfechter des MCB sind John Latham vom National Center for Atmospheric Research der Universität von Colorado und Stephen Salter von der Universität von Edinburgh. Salter hat sich für den Schutz des Meereises stark gemacht, indem er Wolken, welche von der Arktis kommen, von den Färöern aus manipulieren möchte. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass es mit diesem Experiment voran geht. Ein anderer Befürworter, Phil Rasch vom Pacific Northwest National Laboratory, hat behauptet, dass Ingenieure auf der Grundlage "sehr künstlicher" Modelle, die von "perfekten Wolkenkondensationskernen" ausgehen, die Erwärmung substanziell kompensieren könnten, wenn sie „nur“ die Wolken über einem Viertel bis zur Hälfte der Weltmeere entstehen lassen würden.
Das erste große Freiluftexperiment sollte vom Silver Lining Project in San Francisco betreut werden. David Keith und Ken Caldeira (prominente Geo-Engineering-Forscher und Befürworter) steuerten einige Unterstützung aus dem von Bill Gates finanzierten FICER-Fonds bei, um Düsen für Schiffe zu entwickeln, die winzige Salzwasserpartikel in die Wolken schießen würden. Bereits für 2010 wurde ein Großversuch mit 10 Schiffen auf einer Ozeanfläche von 10.000 Quadratkilometern angekündigt. Doch nachdem die Medien über das Experiment berichteten, verschwanden alle Spuren des Projekts und seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter von der Website des Silver Lining Projects.
Einige Jahre später tauchte das Silver Lining Project als Marine Cloud Brightening-Projekt wieder auf. Mit Unterstützung der Universität von Washington ist ihr erstes Feldexperiment an Land in der Monterey Bay, Kalifornien, geplant. Dort sollen an Land Düsen aufgestellt werden und Wolken beim Herannahen zu besprühen. Dabei soll erfasst werden, inwiefern sie sich durch diese Maßnahme aufhellen. Gleichzeitig sollen Sensoren an Land messen, ob es zu einer Verringerung der einfallenden Sonnenstrahlung gekommen ist. In Kalifornien wurden dafür bereits Windkanaltests mit einem Düsenprototyp durchgeführt. Anschließend soll das Experiment auf das Meer verlegt werden. Dort sollen dann Tröpfchen von einem kleinen Schiff aus verteilt werden. Ursprünglich für den Sommer 2017 geplant, hat sich das Experiment mangels Finanzierung verzögert. Die Ocean Technology Group an der Universität Sydney schlägt auch Marine Cloud Brightening-Experimente vor, um das Great Barrier Reef vor dem Ausbleichen zu retten.
Auswirkungen der Technologie
Während die Modellierungsergebnisse voraussagen, dass MCB die globalen Durchschnittstemperaturen senken würde, zeigen sie auch, dass es in verschiedenen Teilen der Welt zu sehr unterschiedlichen und potenziell schädlichen Auswirkungen kommen könnte. Beispielsweise würde der globale mittlere Niederschlag so modelliert, dass er zusammen mit den Temperaturen abnähme. Eine Studie hat errechnet, dass der Niederschlag um bis zu 2,3 % abnehmen könnte. Für Südamerika wird vorausgesagt, dass es mit MCB wärmer und trockener wäre. Über dem Amazonasbecken ist mit einer erheblichen Reduzierung der Niederschläge zu rechnen: eine ökologische Katastrophe! Eine andere Studie prognostiziert einen massiven Anstieg des Abflusses über Land um 7,5%, vor allem durch vermehrte Niederschläge in den Tropen, obwohl der globale Durchschnittsniederschlag abnimmt. Auch wenn die Forscher optimistisch darauf hinweisen, dass die Veränderungen der Niederschläge "umgangen werden könnten, indem man in einem bestimmten Gebiet nicht sät", zeigen diese Studien, in welchem Ausmaß Geoengineering zu enormen unbeabsichtigten Folgen führen würde und wie wenig verstanden diese Folgen noch immer sind.
Die Modelle zeigen zudem, dass man, hat man erstmal damit begonnen, die Erde mit MCB (und auch mit allen anderen SRM-Ansätzen) zu kühlen, immer mehr getan werden muss, um den gleichen Effekt zu erzielen. Für MCB würde dies eine weitere Modifikation der Wolken bedeuten, sowohl in Bezug auf die Zunahme an Regionen, in denen die Wolken modifiziert wurden, als auch in Bezug auf den Betrag, um den sie modifiziert wurden. Die Probleme, die durch einen plötzlichen Abbruch des Geoengineering entstehen, z.B. ein schneller Temperaturanstieg, würden sich daher im Laufe der Zeit nur noch verschärfen. Eine aktuelle Studie hat aufgezeigt, wie ein plötzlicher Abbruch des SRM die Bedrohung der Biodiversität durch den Klimawandel aufgrund dieser schnellen und beispiellosen Temperaturänderungen deutlich erhöhen würde.
Die Forscher haben auch auf die Anfälligkeit von MCB für physische Angriffe hingewiesen, da sich die Sprühschiffe auf den offenen Ozeanen befinden würden. Würden viele oder alle Wolkensprayschiffe am Betrieb gehindert, gäbe es einen raschen Anstieg der globalen Temperatur mit allen damit einhergehenden Veränderungen der Wettermuster und anderen negativen Folgen. Wenn wir uns eine dystopische Zukunft vorstellen können, in der Geoengineering in großem Umfang eingesetzt wird, dann erscheint die Gefahr eines Konflikts um seinen Einsatz und dessen Folgen nicht weit hergeholt.
Es wurde auch vorgeschlagen, dass MCB neben anderen Geoengineering -Techniken ("Cocktail- Geoengineering ") eingesetzt werden könnte, wie z.B. Stratospheric Aerosol Injection (SAI) oder Microbubble Ocean Whitening (siehe entsprechende hier überstzte Merkblätter), wobei MCB zur "Feinabstimmung" auf einer lokaleren Ebene eingesetzt wird. Es könnte sogar eine lokale Erwärmung durch Impfen der Wolken erzeugt werden, um "diese Feinabstimmung zu optimieren".
Realitätscheck
Bislang wurden noch keine Freilandversuche mit dieser speziellen Technologie durchgeführt, obwohl dies bei ausreichender Finanzierung in naher Zukunft denkbar ist.
Matthias Hüttmann
Link zum factsheet (Englisch)
Geoengineering-Technologien: 9. Marine Cloud Brightening
Geoengineering-Technologien: 8. Carbon Capture Use and Storage
Geoengineering-Technologien: 7. Biochar
Geoengineering-Technologien: 6. Enhanced Weathering
Geoengineering-Technologien: 5. Ocean Fertilization
Geoengineering-Technologien: 4. Carbon Capture and Storage
Geoengineering-Technologien: 3. Surface Albedo Modification
Geoengineering-Technologien: 2. Stratospheric Aerosol Injection
Geoengineering-Technologien: 1. Direct Air Capture