26.07.2019
Geoengineering-Technologien: 4. Carbon Capture and Storage
Unter Geoengineering versteht man groß angelegte Maßnahmen zur Intervention in den Ozeanen, Böden und der Atmosphäre der Erde mit dem Ziel, die Auswirkungen des Klimawandels - zumindest vorübergehend - zu reduzieren. Dass Geoengineering als lukratives Geschäft angesehen wird, darüber haben wir schon des Öfteren berichtet. Auf der Website „Geoengineering Monitor“ findet man Merkblätter zu den unterschiedlichsten Methoden des Geoengineering, die wir frei für Sie übersetzt haben und hier in loser Reihe vorstellen werden. Meist sind diese "Technologien" hypothetische Vorschläge von verschiedenen Befürwortern des Geoengineerings. Geoengineerin-Technologien können im Übrigen nach verschiedenen Ansätzen kategorisiert werden (Sonneneinstrahlung, Kohlendioxidabbau, Wetterveränderung) oder nach dem Ort, an dem sie in das planetarische Ökosystem (Land, Luft, Wasser) eingreifen wollen.
Geoengineering Monitor ist ein Gemeinschaftsprojekt von Biofuelwatch, und ETC mit Unterstützung der Heinrich Boell Stiftung. Biofuelwatch ist eine nichtstaatliche Umweltorganisation, die sich mit den negativen Auswirkungen industrieller Biokraftstoffe und Bioenergien einsetzt. ETC ist die „Action Group on >Erosion, Technology and Concentration<, ausgesprochen "et cetera", ist eine internationale Organisation, die sich der "Erhaltung und nachhaltigen Förderung der kulturellen und ökologischen Vielfalt und der Menschenrechte" verschrieben hat. Eine interaktive Landkarte über aktuelle Geoengineering-Projekte, auch in Ihrer Nähe (?) finden Sie hier: https://map.geoengineeringmonitor.org
Teil 4: Carbon Capture and Storage
Bei Carbon Capture and Storage (CCS), der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung wird CO2 aus Rauchgasen mittels "Wäschern" extrahiert und zu einer Flüssigkeit verdichtet. Diese wird anschließend in einer Pipeline an einen Ort zu transportiert, an dem sie unter Tage in salzhaltige Grundwasserleiter, in Öl- oder Gasspeicher oder unter den Meeresboden gepumpt wirde, um dort theoretisch langfristig gespeichert zu bleiben.
CCS wurde ursprünglich als ein Art der Ölrückgewinnung (EOR, Enhanced Oil Recovery) entwickelt. Dabei wird unter Druck stehendes CO2 in ältere Ölreservoirs gepumpt, um auch das ansonsten unzugängliche Öl nutzen zu können, was die Produktion deutlich steigern lässt. CSS wird seit mehr als 40 Jahren praktiziert, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Ein aktueller Bericht der CCS-Abteilung der Internationalen Energieagentur (IEA) beschreibt "Advanced EOR+" als einen Weg, um "zwei Geschäftsaktivitäten gemeinsam zu nutzen": Ölgewinnung und CO2-Speicherung. Der CCS-Prozess ist kostspielig und technologisch anspruchsvoll. Insbesondere die Phasen Abscheidung und Gasverdichtung machen bis zu 90% der Gesamtkosten von CCS aus.
CCS verursacht bei Anlagen, in denen es eingesetzt wird, für eine erhebliche "Energieeinbuße". So wären beispielsweise rund 30% des in einer Post-Combustion-Capture-Anlage (der Technologie zur Energieerzeugung mit CCS) erzeugten Stroms für die Versorgung der CCS-Komponenten erforderlich, was CSS energetisch und finanziell zu einem kostspieligen Prozess macht. Das bedeutet, dass für ein Kohlekraftwerk noch mehr Kohle abgebaut und verbrannt werden müsste, um die gleiche Energiemenge mit CCS zu erzeugen.
Beteiligte Akteure
Ölgesellschaften haben sich als starke Verfechter von CCS erwiesen, da das für die Ölrückgewinnung benötigte CO2 auf diese Weise subventioniert werden würde. Trotz jahrzehntelanger Forschung und Milliardenausgaben von Unternehmen wie Shell und Statoil wurden bislang jedoch nur wenige großtechnische CCS-Projekte im kommerziellen Maßstab realisiert. Das verdeutlicht, inwieweit CCS nur dann wirtschaftlich rentabel ist, wenn es für die Ölrückgewinnung eingesetzt wird. Dies widerspricht seinem vermeintlichen Zweck.
Das „Global CCS Institute“ listet weltweit 17 betriebsfähige, großtechnische CCS-Anlagen auf. Von diesen dienen lediglich zwei Anlagen, beides Kohlekraftwerke, der Stromerzeugung. Dreizehn von ihnen verwenden das abgeschiedene CO2 für die Ölrückgewinnung. Von den vier im Bau befindlichen Anlagen sollen drei der Ölrückgewinnung dienen. Diese Statistik macht deutlich, worin die eigentliche Motivation für CCS liegt und das eine damit forcierte Ölförderung, die Emissionen gar erhöhen würde.
So manche Regierung, als auch die fossile Brennstoffindustrie, betrachten CCS seit vielen Jahren als eine Art Wunderheilmittel gegen den Klimawandel. CSS wird dabei konsequent als Ausrede für die Verzögerung einer notwendigen Reduzierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe angeführt.
Auswirkungen
Die symbiotische Beziehung zwischen Kohlenstoffabscheidung und Ölrückgewinnung unterbietet sein (theoretisches) Potenzial als ernsthafte Reaktion auf den Klimawandel. In Nordamerika wird der Kohlenstoff aus den einzigen mit CCS ausgestatteten Großkraftwerken Petra Nova in Texas und SaskPower in Saskatchewan (beide sind kohlebefeuert) über Pipelines zu Ölfeldern transportiert, wo er für die Ölrückgewinnung eingespritzt wird. Neben den zusätzlichen Emissionen aus dem rückgewonnenen Öl weisen Schätzungen der Ölindustrie darauf hin, dass etwa 30% des CO2, welches an einen EOR-Standort geleitet wird, direkt in die Atmosphäre zurückgeführt wird.
Befürworter von CCS (und Bioenergie mit CCS, siehe BECCS) behaupten, dass die Speicherung von CO2 in alten Öl- und Gasspeichern oder tiefen salzhaltigen Aquiferen effektiv und zuverlässig ist. Aber die Erfahrung aus der Praxis deutet auf etwas anderes hin: Das abgefangene Kohlenstoffdioxid könnte aus vielen Gründen austreten, darunter sind fehlerhafte Bauarbeiten, Erdbeben oder andere Untergrundbewegungen. Bei derart hohen Konzentrationen ist austretendes CO2 hochgiftig für Tiere und Pflanzen.
Realitätscheck
CCS ist weitestgehend ambitioniert, obwohl es sich um einen Bereich von intensivem Interesse und einigen wenigen Einsatzmöglichkeiten handelt. Hohe Kosten und technische Probleme haben in den letzten Jahren zu einer Welle von hochkarätigen Projekt- und Programmausfällen geführt. Auch Projekte, die den Betrieb aufgenommen haben und als erfolgreich eingestuft wurden, sind mit Problemen behaftet. Die Tatsache, dass mehrere Technologien zur Entfernung von Kohlenstoffdioxid auf CCS basieren, z.B. BECCS und Direct Air Capture (DAC), sollte ebenfalls Anlass zu großer Sorge geben.
Matthias Hüttmann
Link zum factsheet (Englisch)
Geoengineering-Technologien: 9. Marine Cloud Brightening
Geoengineering-Technologien: 8. Carbon Capture Use and Storage
Geoengineering-Technologien: 7. Biochar
Geoengineering-Technologien: 6. Enhanced Weathering
Geoengineering-Technologien: 5. Ocean Fertilization
Geoengineering-Technologien: 4. Carbon Capture and Storage
Geoengineering-Technologien: 3. Surface Albedo Modification
Geoengineering-Technologien: 2. Stratospheric Aerosol Injection
Geoengineering-Technologien: 1. Direct Air Capture