04.10.2019
Geoengineering-Technologien: 7. Biochar
Unter Geoengineering versteht man groß angelegte Maßnahmen zur Intervention in den Ozeanen, Böden und der Atmosphäre der Erde mit dem Ziel, die Auswirkungen des Klimawandels - zumindest vorübergehend - zu reduzieren. Dass Geoengineering als lukratives Geschäft angesehen wird, darüber haben wir schon des Öfteren berichtet. Auf der Website „Geoengineering Monitor“ findet man Merkblätter zu den unterschiedlichsten Methoden des Geoengineering, die wir frei für Sie übersetzt haben und hier in loser Reihe vorstellen werden. Meist sind diese "Technologien" hypothetische Vorschläge von verschiedenen Befürwortern des Geoengineerings. Geoengineering-Technologien können im Übrigen nach verschiedenen Ansätzen kategorisiert werden (Sonneneinstrahlung, Kohlendioxidabbau, Wetterveränderung) oder nach dem Ort, an dem sie in das planetarische Ökosystem (Land, Luft, Wasser) eingreifen wollen.
Geoengineering Monitor ist ein Gemeinschaftsprojekt von Biofuelwatch, und ETC mit Unterstützung der Heinrich Boell Stiftung. Biofuelwatch ist eine nichtstaatliche Umweltorganisation, die sich mit den negativen Auswirkungen industrieller Biokraftstoffe und Bioenergien einsetzt. ETC ist die „Action Group on >Erosion, Technology and Concentration<, ausgesprochen "et cetera", ist eine internationale Organisation, die sich der "Erhaltung und nachhaltigen Förderung der kulturellen und ökologischen Vielfalt und der Menschenrechte" verschrieben hat. Eine interaktive Landkarte über aktuelle Geoengineering-Projekte, auch in Ihrer Nähe (?) finden Sie hier: https://map.geoengineeringmonitor.org
Unter der Pflanzenverkohlung (Biokohleverfahren) versteht man die Umwandlung von Biomasse in Holzkohle. Diese Biokohle wird anschließend in Böden eingebracht, wodurch verbrannter Kohlenstoff gespeichert wird. Die Holzkohle wird dabei durch einen Prozess hergestellt, der als Pyrolyse bekannt ist. Dabei wird organisches Material unter sehr niedrigen Sauerstoff- und Hochtemperaturbedingungen zersetzt. Der daraus entstehende feste Rückstand ist hochgradig mit Kohlenstoff angereichert und wird als "Biokohle" bezeichnet. Förderer von Biokohle verweisen dabei meist auf die schwarzen Böden des Amazonasgebiets (Terra Preta), wo Ureinwohner Holzkohle und andere organische Stoffe vergraben, um die Fruchtbarkeit ihres Bodens zu verbessern. Die Behauptung, dass Biokohle die landwirtschaftliche Produktivität steigert, konnte noch nicht eindeutig nachgewiesen werden. Damit Biokohle wirkungsvoll eingesetzt werden könnte, müsste sie im industriellen Maßstab produziert werden und würde große Flächen erfordern, auf denen Biomasseplantagen in Holzkohle umgewandelt werden könnten. Im ersten von Experten begutachteten Biokohle-Feldversuch waren die Forscher tatsächlich erstaunt, als sie feststellten, dass mit Biokohle behandelte Böden weniger Kohlenstoff als andere Böden binden konnten: Denn die Zugabe von mehr Kohlenstoff stimulierte die Bodenmikroben, mehr CO2 freizusetzen. Andere Projekte befassen sich mit dem Umwandeln von forst- und landwirtschaftlichen Abfällen in Holzkohle (waste-to-biochar)
Beteiligte Akteure
Shell war an der internationalen Biokohle-Initiative beteiligt, wobei deren Chef-Lobbyist David Hone von "negative Emissionen" sehr angetan ist. Inzwischen wurde die Biokohleforschung von ExxonMobil, Chevron und Encana finanziert. Die Unterstützung durch die Unternehmen wurde hauptsächlich von der kanadischen Teersandindustrie geleistet. So plant „Cenovus“ in einem Projekt die Rückgewinnung von Teersand (waste-to-biochar). Daran ist auch „Conoco Philipps“ anteilig beteiligt. Conoco Philipps fördert Biokohle im Rahmen einer breiten Palette von Geoengineering-Konzepten zur Kohlenstoffsequestrierung, um das Image einer der zerstörerischen Industrien der Welt grün einzufärben.
Biokohle wird auch von Geoengineering-Anhängern wie der „Gates Foundation“ und „Richard Branson's Carbon War Room“ gefördert. Im südlichen Raum werden unterdessen kleine Biokohleprojekte vermehrt durchgeführt. Nur wenige von ihnen werden von wissenschaftlichen Studien begleitet, viele scheinen hauptsächlich dazu zu dienen, größere Investitionen für Biokohle anzuziehen.
Auswirkungen
Im Jahr 2010 veröffentlichte „Nature Communications“ einen Artikel, in dem vorgeschlagen wurde, 12% der weltweiten jährlichen Treibhausgasemissionen durch "nachhaltige Biokohle" auszugleichen. Dabei ging man davon aus, dass 556 Millionen Hektar Land in Biokohleproduktion umgewandelt würden, eine Fläche 1,7 mal so groß wie Indien. Damit wurde die Befürchtung bestätigt, dass ein ehrgeiziges globales Biokohleprogramm eine Flächenumwandlung in Plantagen in großem Maßstab erfordern würde. Die Nachfrage nach Biomasse schadet aber bereits heute den artenreichen Ökosystemen indem diese durch industriell-chemische hervorgerufene Monokulturwüsten ersetzt werden. Hinzukommt, dass die Erschließung von Landfläche für Biokraftstoffe jetzt schon weltweit zu gewaltsamen Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen führt. Auch wenn Biokohleprojekte noch recht klein sind und nicht zur Landnahme führen, können Kleinbauern dadurch Verluste erleiden.
Eine weit verbreitete Idee ist die Herstellung von Biokohle in modernen Pyrolyseanlagen, welche auch Wärme und Strom erzeugen. Solche Systeme sind jedoch nicht im kommerziellen Maßstab technisch erprobt. Praktisch alle derzeit verkauften Biokohlen und die meisten der in wissenschaftlichen Studien verwendeten Biokohlen wurden mit traditionellen Methoden der Holzkohleherstellung hergestellt.
Die traditionelle Holzkohleherstellung ist jedoch so ineffizient, dass bis zu 90% des Biomasse-Kohlenstoffs als CO2 an die Atmosphäre abgegeben werden. Ähnlich wie bei der Biomasse-Elektrizität behaupten Biokohlebefürworter, dass die Verbrennung von Biomasse "klimaneutral" ist, da der bei der Verbrennung freigesetzte Kohlenstoff von neuen Bäumen oder Pflanzen wieder aufgenommen wird. Diese Behauptung wurde wiederholt fundiert widerlegt. Bäume benötigen Jahre, um nachwachsen zu können, vorausgesetzt, sie tun es überhaupt. Das Abholzen natürlicher Wälder für Biomasse-Strom, Biokohle oder jede andere Nutzung führt zu einer massiven "Kohlenstoffschuld", deren Rückzahlung Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte dauern kann (d.h. bis eine gleichwertige Menge an Kohlenstoff durch neues Baumwachstum wieder absorbiert wurde).
Biokohlebefürworter bestehen auch auf der Aussage, dass keine Wälder gefällt oder Ökosysteme in brennbare Biomasse umgewandelt werden. Wie die Biomasse-Stromindustrie sprechen sie lieber über die Verbrennung von "Abfällen und Rückständen". Jedoch gibt es in einem Waldökosystem keinen "Abfall", alles wird über den Zerfall recycelt, welcher die Regeneration und das Wiederaufwachsen unterstützt. Vielerorts wurden die Definitionen von Abfall auf praktisch jedes Holz ausgeweitet, das nicht als Sägeholz eingestuft wird, was die die Holzernte intensiver und destruktiver macht. In der Landwirtschaft gibt es oft bessere Einsatzmöglichkeiten für Rückstände wie Kompost, Mulch, Tierfutter und Einstreu. Die industrielle Forst- und Landwirtschaft hat jetzt schon verheerende Auswirkungen auf die Ökosysteme gehabt, die Errichtung eines Marktes für Abfallprodukte aus nicht nachhaltigen Anbaumethoden ist kein Schritt in die richtige Richtung.
Realitätscheck
Trotz der Bedenken ist die Zahl der Biokohleprojekte weltweit weiter gestiegen. Eine von der Weltbank in Auftrag gegebene Umfrage aus dem Jahr 2011 ermittelte 150 Biokohleprojekte in 38 Entwicklungsländern. Jedoch veröffentlichen die meisten Entwicklerteams in der Regel nur erfolgreiche Ergebnisse, ohne wissenschaftliche Überprüfung. Derzeit laufen weltweit mindestens 114 Biokohleversuche, wobei eine Reihe von Pilotpyrolyseanlagen errichtet werden.
Matthias Hüttmann
Link zum factsheet (Englisch)
Geoengineering-Technologien: 9. Marine Cloud Brightening
Geoengineering-Technologien: 8. Carbon Capture Use and Storage
Geoengineering-Technologien: 7. Biochar
Geoengineering-Technologien: 6. Enhanced Weathering
Geoengineering-Technologien: 5. Ocean Fertilization
Geoengineering-Technologien: 4. Carbon Capture and Storage
Geoengineering-Technologien: 3. Surface Albedo Modification
Geoengineering-Technologien: 2. Stratospheric Aerosol Injection
Geoengineering-Technologien: 1. Direct Air Capture