30.08.2019
Geoengineering-Technologien: 6. Enhanced Weathering
Unter Geoengineering versteht man groß angelegte Maßnahmen zur Intervention in den Ozeanen, Böden und der Atmosphäre der Erde mit dem Ziel, die Auswirkungen des Klimawandels - zumindest vorübergehend - zu reduzieren. Dass Geoengineering als lukratives Geschäft angesehen wird, darüber haben wir schon des Öfteren berichtet. Auf der Website „Geoengineering Monitor“ findet man Merkblätter zu den unterschiedlichsten Methoden des Geoengineering, die wir frei für Sie übersetzt haben und hier in loser Reihe vorstellen werden. Meist sind diese "Technologien" hypothetische Vorschläge von verschiedenen Befürwortern des Geoengineerings. Geoengineerin-Technologien können im Übrigen nach verschiedenen Ansätzen kategorisiert werden (Sonneneinstrahlung, Kohlendioxidabbau, Wetterveränderung) oder nach dem Ort, an dem sie in das planetarische Ökosystem (Land, Luft, Wasser) eingreifen wollen.
Geoengineering Monitor ist ein Gemeinschaftsprojekt von Biofuelwatch, und ETC mit Unterstützung der Heinrich Boell Stiftung. Biofuelwatch ist eine nichtstaatliche Umweltorganisation, die sich mit den negativen Auswirkungen industrieller Biokraftstoffe und Bioenergien einsetzt. ETC ist die „Action Group on >Erosion, Technology and Concentration<, ausgesprochen "et cetera", ist eine internationale Organisation, die sich der "Erhaltung und nachhaltigen Förderung der kulturellen und ökologischen Vielfalt und der Menschenrechte" verschrieben hat. Eine interaktive Landkarte über aktuelle Geoengineering-Projekte, auch in Ihrer Nähe (?) finden Sie hier: https://map.geoengineeringmonitor.org
Teil 6: Enhanced Weathering
Bei der "Optimierten Verwitterung" unterscheidet man zwei Varianten:
1. Optimierte Verwitterung an Land: Um den CO2-Gehalt der Atmosphäre durch natürliche chemische Verwitterungsprozesse zu kontrollieren, die CO2 aus der Atmosphäre ziehen wird beispielsweise das Sedimentgestein Olivin (Magnesium-Eisen-Silikat) zu einem Pulver gemahlen und an Stränden abgelagert, wo es durch Wellenwirkung ins Wasser treibt oder an Land verteilt wird. Dadurch soll es sich in einem neu gebildetem Gesteinsmineral, Magnesiumcarbonat, absondern (Karbonisierung). Diese Kohlenstoffaufnahme ist noch relativ unbekannt, ebenso wie die Auswirkungen von groß angelegten Deponien auf die Meeres-, Land- und Süßwasserumwelt. Das gilt auch für die chemischen Auswirkungen der Zugabe dieses Minerals in andere Ökosysteme. Der massive Abbau von Olivin, der möglicherweise tausendmal größer ist als die derzeitige Produktion, würde die ohnehin schon verheerenden Auswirkungen des Bergbaus auf die Ökosysteme und die lokale Bevölkerung der Welt verschärfen.
2. Optimierten Verwitterung in Ozeanen: Bei dieser Technik, ähnlich der Behandlung von sauren landwirtschaftlichen Böden mit Kalk, soll der Ozean chemische Carbonate zugesetzt bekommen, um seine Alkalität und damit die Kohlenstoffaufnahme zu erhöhen. Die Geschwindigkeit, mit der sich diese Mineralien auflösen würden, sowie die Kosten, die damit verbunden sind, sie soweit anzuhäufen und zu verteilen, dass sie Wirkung zeigen, all' das stellt ein erhebliches Problem dar. Das gleiche gilt für die Auswirkungen auf das komplexe Ökosystem der Ozeane.
Beteiligte Akteure
Das „Leverhulme Centre for Climate Change Milderung“ aus Großbritannien führt verstärkt Versuche zur optimierten Verwitterung in den USA, Australien und Malaysia durch. Dort wurden ausgedehnte Anbauflächen identifiziert, in denen man zerkleinerten Basalt ausbringen kann. In Malaysia wird Basalt gewonnen und zermalen den Ölpalmenplantagen zugegeben, um die Auswirkungen auf den Ernteertrag und die Kohlenstoffsequestrierung zu untersuchen. Andere Forschungen im Bereich der optimierten Verwitterung konzentrieren sich auf Forschungsprojekte wie dem „Oxford Geoengineering" Programm und der „Olivine Foundation“ der Universität von Utrecht in den Niederlanden.
Auswirkungen
Eine Studie über optimierte Verwitterung listet folgende mögliche problematische Nebenwirkungen auf:
- Änderung des pH-Wertes von Böden und Oberflächengewässern (Bäche, Flüsse, Seen), was sich auf Land- und Wasserökosysteme auswirken würde
- Änderung der Siliziumkonzentration von Oberflächengewässern, was sich auf Ökosysteme über veränderte Nährstoffverhältnisse auswirken würde
- Freisetzung von Spurenmetallen im Zusammenhang mit Zielmineralien (insbesondere Nickel und Chrom bei der Olivinanwendung)
- Staubentwicklung
- Sozioökonomische und soziopolitische Folgen für die landwirtschaftlichen Gemeinden eines neuen, großen Industrie- und Finanzunternehmens
- Umweltkosten eines weltweit etwa dreimal so intensiven Olivinbergbaus
Eine Olivindüngung des Ozeans "imitiert" zwar einen natürlichen Prozess, das macht sie aber keineswegs zu einem natürlichen Vorgang. Denn Olivin würde in weit höheren Mengen als gewöhnlich in die Ökosysteme gelangen, was äußerst negative Folgen nach sich ziehen würde. So könnte es zu verstärkten Phytoplanktonblüten, sauerstoffreien Todeszonen und anderen unbekannten Auswirkungen in der Tiefsee kommen. Bio-geochemische Prozesse in einem so großen Umfang könnten die Ökologie der Ozeane deutlich verändern. Solche Entwicklungen könnten zu einer Zunahme von mikrobiellen Organismen führen, die wiederum andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas produzieren, welche wesentlich höhere Klimaeffekte haben als CO2.
Die für diese Anwendungen erforderliche Menge an Olivin ist extrem groß – etwa vergleichbar mit dem heutigen globalen Kohlebergbau. Das wiederum hätte auch schwerwiegende und weitreichende Auswirkungen auf den Bergbau selbst. Unter Einbeziehung des energetischen Aufwands für den Bergbau, der Verarbeitung und des Transports ist der Gesamtenergiebedarf für eine solche optimierte Verwitterung enorm.
Der Öl- und Gaskonzern Shell finanzierte eine kleine Firma namens "Cquestrate" in Großbritannien. Diese wird von Tim Kruger gemanagt, welcher auch das Oxford Geoengineering Projekt leitet. Dort sollen Machbarkeitsstudien über die Zugabe von Kalkstein in Ozeane durchgeführt werden. Auch wenn mit diesem Projekt nicht begonnen wurde, ist es ein gutes Beispiel für mögliche Auswirkungen eines solchen Geoengineering-Ansatzes. So schlug der Projektentwickler beispielsweise vor, dass zum Ausgleich der derzeitigen globalen CO2-Emissionen jedes Jahr 10,5 Kubik-Kilometer Kalkstein aus der "dünn besiedelten" Nullarbor-Ebene in Australien abgebaut und ins Meer geschüttet werden könnten. Zum Vergleich: Es wird weltweit jährlich deutlich weniger Steinkohle abgebaut. Für die Umsetzung dieser Art von Maßnahmen wären groß angelegte Bergbaubetriebe erforderlich. Dieser Prozess würde Ökosysteme und Lebensgemeinschaften empfindlich schädigen. Darüber hinaus beherbergt die Nullarbor-Wüste die Ureinwohner der Wangai, die einst in den 1950er Jahren für Atomtests gewaltsam aus ihrem angestammten Land entfernt wurden. Nachdem sie eine Entschädigung für dieses Unrecht erhalten hatten, haben sie die Ebene wieder besetzt. Die Nullarbor-Wüste erhielt 2011 auch offiziell einen Wildnisschutzstatus, um ihre einzigartige Umwelt zu schützen, welche 390 Pflanzenarten und viele Lebensräume für seltene Tier- und Vogelarten umfasst.
Realitätscheck
Während Feldstudien durchgeführt werden, die zerkleinertem Basalt dem Ackerland hinzufügten, sind andere Untersuchungen der optimierten Verwitterung rein theoretischer Natur, sie basieren auf Simulationsmodellen.
Matthias Hüttmann
Link zum factsheet (Englisch)
Geoengineering-Technologien: 9. Marine Cloud Brightening
Geoengineering-Technologien: 8. Carbon Capture Use and Storage
Geoengineering-Technologien: 7. Biochar
Geoengineering-Technologien: 6. Enhanced Weathering
Geoengineering-Technologien: 5. Ocean Fertilization
Geoengineering-Technologien: 4. Carbon Capture and Storage
Geoengineering-Technologien: 3. Surface Albedo Modification
Geoengineering-Technologien: 2. Stratospheric Aerosol Injection
Geoengineering-Technologien: 1. Direct Air Capture