20.10.2023
Potentiale der E-Mobilität, Teil 4: Perspektiven Luftfahrt
Ein Bericht von Götz Warnke
Nachdem wir uns in dieser Reihe mit den Problemen der E-Mobilität, mit den Perspektiven von Land- und Schiffsverkehr beschäftigt haben, folgt abschließend die Luftfahrt. Hier gibt es seit den Anfängen zwei grundlegend unterschiedliche Konzepte: das Leichter-als-Luft der Luftschiffe und das Schwerer-als-Luft der Flugzeuge bzw. Hubschrauber. Diese grundlegenden Konzepte gelten natürlich auch für die elektrifizierte Luftfahrt.
Luftschiffe
Die Leichter-als-Luft-Fahrzeuge haben verschiedene Vorzüge: sie können große Lasten aufnehmen, diese von Punkt zu Punkt transportieren, da sie quasi in der Luft über einem Ort stehen bleiben können, und sie können große Strecken von mehreren 1.000 km zurück legen, wie u.a. schon die Transatlantik-Flüge in den 1920er und 1930er Jahren gezeigt haben.
Nachteile sind die im Vergleich zu Flugzeugen geringe Höchstgeschwindigkeit von knapp über 130 km/h, und die meist deutlich unter dem Rekord von 7.600 Meter liegende Flughöhe, die die Luftschiffe den Einflüssen von Wind und Wetter aussetzt.
Zwei Punkte sind noch mal gesondert anzusprechen:
- Dass die Luftschiffe leichter als Luft sind – und bei den alten Luftschiffen durch den Benzinverbrauch immer noch leichter wurden – , müssen sie beim Landen Teile des Traggases ablassen, entweder günstigen, brennbaren Wasserstoff oder das teurere, unbrennbare Helium. Das Leichter-als-Luft-Konzept wird auch dann zum Problem, wenn bei einem Transportluftschiff schwere Lasten über einem Ort abgelassen werden sollen; bei einem einfachen Ausklinken der Last würde das Luftschiff in den Himmel schießen. Daher war z.B. beim Cargolifter geplant, gleichzeitig mit Absetzen der Last Ballastwasser zum Gewichtsausgleich aufzunehmen. Eine andere Möglichkeit wäre die Aufnahme von Sand mittels Containern, aber beides setzt den Einsatzmöglichkeiten von Transportzeppelinen gewisse geographische Grenzen.
- Die Geschwindigkeit der Luftschiffe ist nur durch die Existenz der heutigen viel schnelleren – und viel klimafeindlicheren – Düsenflugzeuge ein Nachteil. Beim Verkehr über nicht zu hohe Bergketten und Meere wie z.B. von Berlin nach Stockholm könnten Luftschiffe von den Fahrtzeiten auch heute noch mithalten.
Wichtig zu wissen: praktisch alle o.a. Angaben gelten für Starrluftschiffe („Zeppeline“) und Kielluftschiffe (halbstarre), nicht aber für die deutlich weniger leistungsfähigen Prallluftschiffe („Blimps“).
Eine Elektrifizierung von Luftschiffen böte verschiedene Vorteile: zum einen leichte, leise und schwenkbare Motorgondeln, die die Manövrierfähigkeit der fliegenden Fahrzeuge deutlich erhöhen würden. Zum Zweiten weniger Feuergefahr durch den Wegfall der Verbrennermotoren, so dass man wieder an den günstigen, aber brennbaren Wasserstoff als Auftriebsgas denken könnte. Zum Dritten wäre der Zeppelin so in der Lage, seinen „Kraftstoff“ selbst herzustellen: mittels PV!
Die Idee der Solarluftschiffe gibt es ja schon seit einigen Jahrzehnten; inzwischen sind die OPV-Module immer leichter und leistungsstärker geworden. Was läge also näher, als Luftschiffe künftig mit organischen Solarzellen zu ummanteln. Dabei ist nicht nur die Oberfläche des Flugobjekts einzubeziehen, sondern wegen der solaren Reflexionen auch die Unterseite, insbesondere über Wasserflächen.
Derzeit scheint die Idee einer solaren Transatlantik-Luftfahrt wieder Auftrieb zu bekommen, wie kürzlich eine Konferenz zeigte, über die die DGS-News berichteten.
Flugzeuge
Auch wenn die Luftverkehrswirtschaft viel von E-Fuels als Antwort auf die Klimakrise spricht, es gibt nur einen Weg für einen wirklich Klima-unschädlichen Luftverkehr: elektrisch fliegen! Denn auch Wasserstoff und E-Fuels hinterlassen nach ihrer Verbrennung im Triebwerk Wasserdampf in Form von„ Kondensstreifen“, was in den Flughöhen als Klimagas wirkt. Und davon produziert die Luftfahrt bereits heute mehr als genug: die Angaben reichen bis 3,5% der weltweiten Emissionen, sind also jedenfalls größer als die der Bundesrepublik.
Welche Vorteile bietet das elektrische Schwerer-als-Luft-Fliegen jenseits der Klimaunschädlichkeit noch?
- Die Ruhe, d.h. die geringen Schallemissionen. Dadurch können z.B. nachts auch Flughäfen bedient werden, für die ansonsten ein Nachtflugverbot herrscht.
- Die Umweltfreundlichkeit hinsichtlich Feinstaub und umweltschädlicher Abgase. Vor einigen Jahren hatte der NDR in seiner Sendung „Markt im Dritten“ die Schadstoffbelastung von Gemüsen aus Kleingärten an verschiedenen Standorten in Hamburg verglichen. Die mit Abstand höchsten Schadstoffgehalte ergaben sich in den Parzellen am Flughafen – dann schon lieber Gemüse züchten direkt neben der Autobahn!
- Die Energiesparsamkeit. Propellerflugzeuge mit E-Motor verbrauchen deutlich weniger als Düsentriebwerke.
- Die Ausfallsicherheit. Zwar sind auch die heutigen Düsentriebwerke sehr ausfallsicher, aber E-Motoren sind weniger komplex, weniger thermisch belastet, und leichter zu warten. Dazu kommt, dass sie in staubigen Gegenden keine Luftfilterprobleme bekommen können, da sie keine Luft ansaugen.
- Triebwerkskosten. E-Motoren sind wegen der geringeren Komplexität kostengünstiger als Düsen- oder Turboprop-Triebwerke. Das gilt sowohl für die Herstellung als auch für den Unterhalt.
- E-Motoren sind leichter schwenkbar. Schwenkbare Rotoren ermöglichen nicht nur enge Flugkurven und das Schweben, sondern auch Senkrechtstart- und -landefähigkeit (VTOL). Mit Verbrennermotoren funktioniert das nur schlecht, wie z.B. die vielen schweren Unfälle mit der V-22 Osprey zeigen. Für die leichten und billigen E-Motoren ist das kein Problem: hier können sogar mehrere schwenkbare Motoren nebeneinander platziert werden. Künftig könnten solche VTOL-Flieger den Typ des Hubschraubers überflüssig machen.
- Eigen-Energie-Erzeugung. Mit PV-Modulen an Rumpf und Flügeln kann ein E-Flugzeug seine Antriebsenergie teilweise selbst erzeugen.
Natürlich gibt es daneben auch Nachteile wie z.B. die Geschwindigkeit. Sie liegt mit rund 500 km/h deutlich unter den ca. 850 km/h moderner Düsenflugzeuge. Ähnlich sieht es bei der Flughöhe aus (ca. 7.500 m vs. 11.000 m). Die eigentliche Crux des elektrischen Fliegens sind derzeit noch die Speicherkapazitäten der Akkus, insbesondere im Verhältnis zum Gewicht. In diesem Bereich gibt es jedoch interessante Entwicklungen: so hat sich CATL, der weltgrößte Batteriehersteller, mit einem staatlich-chinesischen Flugzeughersteller und einer Universität zusammen getan, um die E-Fliegerei nach vorn zu bringen. Und kürzlich hat sich der Autoriese Stellantis mit dem amerikanischen E-VTOL-Startup Archer zusammen getan, um dem E-Flug Flügel zu verleihen.
Auch weitere Dinge könnten die E-Fliegerei voran bringen. So verbrauchen Flugzeuge sehr viel Energie bereits beim Start. Dazu gibt es die Idee eines E-Schleppflugzeugs, das beim geschleppten Flugzeug Energie spart. Allerdings sind dadurch immer zwei Flugzeuge für einen Start nötig. Einfacher wäre die Wiederbelebung einer alten Idee, die Londoner Archäologen gerade auf dem ehemaligen RAF-Flugplatz Harwell ausgraben: ein Start-Katapult für Bomber von 1938. So etwas spart nicht nur die Energie für den Start der Flugzeuge, sondern auch die Energie zur Zementproduktion für die langen Startbahnen. So wurden allein für die 4,27 km lange Start- und Landebahn von Calgary 85.000 m3 Beton und 16.000 t Armierungsstahl verbaut (Smil, S. 136, 344).
Bleibt die Frage: wie könnten Transatlantikflüge in absehbarer Zeit auch mit schwächeren Batterien möglich sein? Denkbar wäre erstens eine Zwischenlandung auf einem Flugzeugträger oder einer schwimmenden Plattform. Zweitens ließen sich E-Flugzeuge per Laserstrahl aufladen, wie es Anfang diesen Jahres chinesische Wissenschaftler der Northwestern Polytechnical University in Xianyang an einer Drohne mit PV-Modulen demonstriert haben. Energielieferanten wären dann weltraumbasierte Solarfarmen oder aus Kostengründen eher schwimmende Windparks mitten im Atlantik.
Wie immer das Kapitel der E-Langstreckenflüge gelöst wird – ob mit neuen Techniken oder stärkeren Batterien – , die Elektrofliegerei wird sich durchsetzen.
Teil 1: Problemzonen
Teil 2: Perspektiven Landfahrzeuge
Teil 3: Perspektiven Schifffahrt
Teil 4: Perspektiven Luftfahrt