16.04.2021
Vollelektrisch durch den Himmel
Ein Bericht von Götz Warnke
Ist er nicht ein unverbesserlicher Optimist, der Tesla-Chef Elon Musk? Jedenfalls hat er im vergangenen Jahr mal so nebenbei in einer Diskussion über E-Flugzeuge auf Twitter prognostiziert, dass es in drei bis vier Jahren die dafür benötigten Akkus mit einer Energiedichte von 400 Wh/kg bereits in Serienreife geben wird. Damit hat sich Musk gegen die fast gesamte Luftfahrtbranche gestellt. Denn die meisten Experten rechnen mit elektrischen Kurzstreckenflügen erst ab 2030. Und deshalb basteln viele Flugzeugkonstrukteure heute so fleißig an "klimafreundlichen Alternativen" wie Wasserstoff, Biokerosin oder E-Fuels, die alle den Nachteil haben, dass sie beim Fliegen Wasserdampf in Form von Kondensstreifen hinter sich herziehen, was in großen Höhen die Erderhitzung fördert. Immerhin trägt der globale Luftverkehr 3,5 Prozent zur als "Klimaerwärmung" verharmlosten Klimaerhitzung bei, und seine CO2-Emissionen sind höher als die von ganz Deutschland. Auch ist Musk mehr als ein unverbesserlicher Optimist; immerhin habe sich seine Prognosen bezüglich Tesla und der Elektromobilität meist bewahrheitet. Und: Tesla forscht selbst an solchen Zellen, so dass man Musk einen Einblick ins Thema zugestehen muss.
Insofern könnten sich die ganzen Forschungen zu den angeblich klimafreundlichen Alternativen schon bald als Forschungsgelder-Gräber herausstellen. Denn schließlich gibt es auch im Bereich der Elektro-Luftfahrt eine rasante Steigerung bei den Projekten: So zählte die Unternehmensberatung Roland Berger für 2019 schon über 200; diese teilen sich natürlich auf verschiedene Einzelsparten auf, die man im Bereich des elektrischen Fliegens findet und wo es bereits erste E-Flieger gibt. Was also können wir künftig von der elektrischen Fliegerei neben weniger Lärm, weniger Abgasen, und weniger CO2-Emissionen erwarten?
Wie in der fossilen Luftfahrt teilt sie sich in zwei Hauptbereiche, nämlich Hubschrauber und Flugzeuge: Erstere können zwar senkrecht starten und landen, haben aber eine geringe Reichweite, da sie den Auftrieb energieaufwändig allein mit den Rotoren erzeugen; letztere können meist nicht senkrecht starten, haben aber eine deutlich größere Reichweite und Geschwindigkeit. Daneben gibt es als Hybride noch Hubschrauber mit einem oder mehreren Propellern für den Vortrieb, bei denen aber die Verwirbelungen an den Rotoren die Geschwindigkeit im Gegensatz zu reinen Flugzeugen herabsetzen. Doch damit enden auch die Gemeinsamkeiten zwischen Elektro-Fliegern und Fossil-Fliegern. Denn die leistungsstarken, aber kleinen und leichten E-Motoren lassen sich auch für Konfigurationen einsetzen, die mit Fossil-Motoren nur schwer umzusetzen sind: Kippflügel- oder Kipprotor-Konzepte. Ein Beispiel für das erste Konzept ist das Münchner Startup Lilium, als Beispiel für das zweite möge dieser Entwurf von Honeywell und Denso dienen.
Mit dem Antrieb kann sich auch der Flugzeugrumpf ändern. Bisher waren die Tanks und die heißen Triebwerke abseits von der Kabine im Flügel untergebracht - allein schon, um die Schäden bei immer mal wieder vorkommenden Triebwerksexplosionen in Grenzen zu halten. Mit den deutlich kühleren E-Motoren, die die Flugzeuge über Propeller oder ummantelte Luftschrauben ("Fan") antreiben, ist diese Trennung nicht mehr notwendig. Die Flugzeugkabine kann selbst zum Auftriebskörper werden. Ein Beispiel für ein solches "Nur-Flügel-Flugzeug" oder "Blended-Wing-Body" ist das Airbus-Konzept "Maveric".
Der elektrische Antrieb mit seinen Akkus erlaubt es, PV-Module auf der Flugzeug-Oberfläche einzusetzen, wobei die eben-unverschatteten Flächen des Nur-Flügel-Flugzeugs einen klaren Vorteil bieten. Schon heute sind PV-Module Standard bei den unbemannten Langstrecken-Höhenflugzeugen, die in über 15 km Höhe auf monatelangen Missionen Mess-, Relais- und Überwachungs-Aufgaben wahrnehmen.
Schließlich wird die lautlose Fliegerei auch die Aufhebung von Nachtflugverboten ermöglichen. Das entzerrt den Flugverkehr zeitlich, macht ihn sicherer, und erübrigt den Ausbau bei so manchem Flughafen.
Doch auch neue Probleme ergeben sich mit der Elektro-Luftfahrt:
- Hohes Landegewicht: Flugzeug-Fahrwerke sind heute so ausgelegt, dass sie von einem geringeren Gewicht bei der Landung als beim Start ausgehen, da im Flug große Kerosin-Mengen verbrannt werden. Das Rollen über die Startbahn ist nun mal weniger Material beanspruchend als ein u.U. hartes Aufsetzen bei der Landung. Doch bei Elektroflugzeugen ist die Batterie beim Start genau so schwer wie bei der Landung. Daher müssen die Fahrwerke großer Flugzeuge nun stärker ausgelegt werden. Vielleicht aber ist es auch möglich, mit den Nur-Flügel-Konzepten die Landegeschwindigkeit zu senken, so dass das Problem entfällt.
- Hoher Energieverbrauch beim Start: Flugzeuge verbrauchen die meiste Energie in der Steigphase des Fluges, also wenn sie an Höhe gewinnen müssen. Kann hier Energie eingespart werden, so wirkt sich das positiv auf die Reichweite aus. Als Optionen kämen hier eine Art Magnetschwebe-Untergestell zur Beschleunigung, ein Schleppflugzeug, oder ein Trägerflugzeug wie das SpaceShipTwo in Frage. Eine Seilwinde wie bei Segelflugzeugen dürfte hier wegen der Länge und des Gewichts des Seils eher nicht zum Einsatz kommen.
- Schnelles Tanken: Jenseits von Regionen mit einem stabilen Stromnetz dürfte es schwierig werden, große E-Flugzeuge zügig, d.h. mit hohen Ladeleistungen zu "betanken". Die Lösung könnte ein Wechselakku-System sein: die Akkus würden mit Ökostrom-Strom aus dem Netz oder PV-Strom vor Ort an die Flughäfen rund um die Uhr aufgeladen, und bei Bedarf schnell gegen leer geflogene Akkus getauscht.
Insgesamt bietet der Elektroflug eine Vielzahl von Vorteilen und Möglichkeiten. Sobald Akkus mit ausreichender Leistungsdichte zur Verfügung stehen, ist die Frage nach der Haupt-Antriebsenergie im Luftverkehr ein für alle Mal geklärt, wie das heute ja bereits beim Auto der Fall ist.