06.10.2023
Potentiale der E-Mobilität, Teil 2: Perspektiven Landfahrzeuge
Ein Bericht von Götz Warnke
Nachdem wir uns im ersten Teil mit den Problemen der E-Mobilität beschäftigt haben, stellt sich nun die Frage nach den Perspektiven der verschiedenen Verkehrsmittel. Dabei wollen wir nicht wie in den meisten Publikationen mit den Autos beginnen, sondern mit der einfachsten Form der E-Mobilität.
Zweiräder
Das Pedelec ist – das werden einige Verkehrsreformer in den Großstädten jetzt gar nicht gerne hören – ein Stück motorisierter Individualverkehr. Als e-motorisiertes Fahrrad ist sein Anteil an den Fahrradverkäufen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Eigentlich sollte man meinen, dass das Fahrzeug substantiell ausentwickelt ist, und nur noch graduelle Verbesserungen hinzukommen werden. Schließlich hat man die über Jahrzehnte aus der Fahrradwelt verschwundenen Innovationen aus der Zeit kurz nach 1900, wie z.B. die Vorderradfederung, wieder aufgenommen und zugleich neue Typen wie schwere Lastenräder oder Bambusräder in den Verkehr gebracht. Doch es gibt immer wieder echte Innovationen wie die kettenlosen E-Antriebe, wie sie nach 2020 von Pendix oder Schaeffler entwickelt wurden.
Eine Renaissance erlebt der (E-)Motor-Roller. Das liegt zum einen daran, dass der Motorroller in manchen asiatischen Ländern, insbesondere in Taiwan ein „Rückzugsgebiet“ hatte, wo Hersteller wie Gogoro oder Kymko die Technik konsequent weiterentwickelt und elektrifiziert haben. Und es liegt zum anderen an den weiteren Vorzügen: Die E-Fahrzeuge sind kostengünstig, wartungsarm und relativ ausfallsicher. Sie lassen sich problemlos auf den typischen täglichen Pendlerstrecken von ca. 40 km einsetzen, zumal in den Städten, wo man im Zielgebiet praktisch immer einen Parkplatz findet. Daher werden sie auch in größeren Stückzahlen von Sharing-Dienstleistern abgenommen, was wiederum die Stückkosten in der Produktion senkt. Und es gibt, insbesondere auch bei den taiwanesischen Herstellern, Wechselakkusysteme, bei denen man den oder die Akkus mit in die Wohnung nehmen kann, um sie dort über Nacht zu laden. Die in Taiwan verbreiteten Akku-Wechselstationen werden vermehrt auch in Europa auftauchen, zumal sie im Sinne der Batterie-Richtlinie des Europäischen Parlaments sind.
Bei zwei weiteren E-Zweirädern ist die Zukunft eher ungewiss. Da sind zum einen die E-Motorräder: Zwar gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Herstellern wie Modellen, die durch ihre besondere Beschleunigung auch einen Fahrspaß vermitteln. Allerdings ist es einem erheblichen Teil der Motorradfahrer wichtig, sich wie ein röhrender Hirsch durch die Lande zu bewegen, und das geht natürlich mit einem E-Motorrad so nicht. Es muss also offen bleiben, wie sich diese Menschen nach einem Verbrenner-Aus entscheiden.
Die andere Fahrzeugklasse sind die kleinrädrigen E-Scooter, die als Verleihfahrzeuge in Massen unsere Städte „bevölkern“ – weniger fahrend, als vielmehr im Wege stehend oder liegend. So verbannt Paris jetzt seine 15.000 Gehersatzhilfen aus der Stadt; andere Städte könnten folgen, zumal die Fahrzeuge wegen der kleinen Räder selbst für die Fahrer eine (Sturz-)Gefahr darstellen.
Mehrrädrige Fahrzeuge/Autos
Schien das Auto hier bisher das Maß aller Dinge zu sein, so entstehen derzeit immer mehr E-Leichtfahrzeuge der EU-Fahrzeugklassen L5e-L7e. Dazu gehören u.a. der schweizer Microlino, der Citroen Ami und der Opel Rocks-e aus dem Stellantis-Konzern, oder den britischen Ark Zero. Diese Fahrzeuge nutzen die Sparsamkeit, Zuverlässigkeit und Kompaktheit des E-Antriebs bei gleichzeitig ausreichender Beschleunigung für den Stadtverkehr. Zudem sind sie auch wegen der kleinen Akkus kostengünstig. Eine Ausrüstung mit PV-Dächern, wie es sie z.B. für Golfcarts bereits standardmäßig gibt, könnte hier die Reichweite sinnvoll erhöhen. Generell werden sich wohl nur E-Kleinstfahrzeuge durchsetzen können, die neben der Standsicherheit z.B. auf glatten Straßen auch eine Witterungsunabhängigkeit in Form einer geschlossenen Kabine bieten. Ein Nachteil dieser Fahrzeugkategorie ist, dass es hierfür in Deutschland keine Förderung gibt.
Das E-Auto der EU-Fahrzeugklasse M erlebt seine „Auferstehung“ zwar erst seit 15 Jahren – 2008 startete Tesla mit dem Roadster, dem 2012 das Model S folgte – gehört aber heute, wenngleich noch in der Minderheit, unübersehbar zum Straßenverkehrsbild. Leider hat die Entwicklung hier eine ähnliche Richtung genommen wie bei den Fossil-Fahrzeugen: zu groß und zu schwer (siehe Teil 1), was auch die E-Autos in den engen Städten politisch angreifbar macht. Beim VDI konzipiert man derzeit eine Kleinfahrzeug-Kategorie M 0, die sich zwischen Leichtfahrzeuge und konventionelle Autos einfügt. Immerhin ist durch die E-Mobilität die Stromlinie in den Fahrzeugbau zurückgekehrt, schließlich will man die durch die Akkukapazität begrenzten Reichweiten nicht noch zusätzlich durch unnötigen Luftwiderstand belasten. Dass hier noch deutlich „Luft nach oben“ ist, zeigt der siebensitzige Schlörwagen von 1939, der mit seinem Cw-Wert von 0,15 die stromlinienförmigste E-Limousine Mercedes EQS (Cw-Wert: 0,20) problemlos deklassiert.
Wollte man heute jedoch alle Fossil-Fahrzeuge durch sparsam fahrende E-Fahrzeuge ersetzen, so entstünden wegen der dazu benötigten Metalle etc. gewaltige CO2-Emissionen, wenngleich hier, im Gegensatz zum Bauwesen, die Produktions-Emissionen meist deutlich unter den Nutzungs-Emissionen liegen. Will man das vermeiden, so lassen sich einerseits auf bewährte Weise Verbrenner zu E-Fahrzeugen umrüsten. Andererseits wird man künftig nicht umhin kommen, Karosserien, aber auch tragende Fahrzeugteile aus biobasierten Materialien und aus Holz zu fertigen – kein grundsätzliches Problem, zumal im 2. Weltkrieg viele mehrere 100 km/h schnelle Flugzeuge aus Holz gefertigt wurden.
Auch im Autoumfeld tut sich einiges: Wohnwagenanhänger werden nicht nur mit PV-Modulen auf dem Dach ausgestattet, sondern erste Serienexemplare besitzen auch einen Akku – für die Versorgung des Wohnwagens, aber auch als Reichweitenverlängerer für das Gespann. Bei den Wohnmobilen gibt es zum einen die Umrüstung auf E-Antrieb (s.o.), zum anderen den Umbau eines E-Vans zum Wohnmobil, teilweise schon ab Werk. Eine eigenständige Entwicklung eines solaren Wohnmobils hat die TU Eindhoven vor zwei Jahren mit dem Stella Vita vorgestellt. Diese Tendenzen werden sich in den kommenden Jahren noch verstärken.
Nutzfahrzeuge
Je geringen der Fahrbereich eines Fahrzeugs ist, desto leichter und einfacher ist der Weg zur Elektromobilität. Das liegt zum einen daran, dass die benötigten Akkus klein, und damit billig sind, zum anderen stellen manche Fahrzeugaufbauten einen gewissen Wert dar, der sich ggf. durch Umrüstung auf einen langlebigen E-Antrieb länger erhalten lässt. Das trifft u.a. mehr oder minder auf Kehrfahrzeuge, Müllwagen, Betonmischer und Straßenwalzen zu. Auch bei den landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen – ganz gleich ob als Roboter oder human gesteuert – wird die Elektromobilität Einzug halten, zumal die PV auf landwirtschaftlichen Hallen und die Agri-PV die Energie direkt vor Ort erzeugen.
Eine weitere Nutzfahrzeug-Kategorie sind Busse. Diese lassen sich auf E-Mobilität umrüsten oder gleich als E-Fahrzeuge erwerben; die Ablösung der Dieselfahrzeuge ist gerade im ÖPNV der Städte auch wegen der Luftverschmutzung wichtig. Wasserstoff-Fahrzeuge haben hingegen hier keine Chancen mehr; sogar die selbsternannte Wasserstoff-Hauptstadt Hamburg hat ihre H2-Busse inzwischen wieder still und leise abgeschafft. Bei einer speziellen Bus-Kategorie ergibt sich noch ein „Sonderprofit“ der E-Mobilität: bei wartenden Touristenbussen mit ihren Klimaanlagen in südlichen Gefilden! Da in diesen Fossil-Fahrzeugen ein größerer Akku fehlt, muss der Motor als Großverbraucher auch im Stand ggf. stundenlang laufen (eigene Rekordbeobachtung: 150 Minuten), um die Klimaanlage zu betreiben. Bei E-Bussen – insbesondere mit eigener PV-Anlage – wäre hingegen nur die deutlich sparsamere Klimaanlage in Betrieb.
Bei den Warentransport-Fahrzeugen hat sich im Kurzstreckenbetrieb der E-Lieferwagen bereits weitgehend durchgesetzt, wie Streetscooter der Deutschen Post oder die Fahrzeug-Umbauten bei UPS zeigen. Der Grund ist einfach: die Kurzstrecken mit ihren häufigen Start-Stops verbrauchen viel Treibstoff und ruinieren den Motor.
Auch für mittlere Stecken gibt es inzwischen verschiedene Angebote wie Mercedes eActros, Scania E-Trucks oder Renault Trucks E-Tech. Ein LKW für die Langstrecke fehlt noch, zumal die Serienproduktion des Tesla Semi erst in rund einem Jahr aufgenommen werden soll. Ein Wechselakku-System und eine Solarisierung der meist großen Dachflächen könnte hier helfen. Allerdings: Ein großer LKW schädigt die Fahrbahn genauso wie 10.000 PKW, was zu Ausbesserungsarbeiten bei Straßen und Neubauten bei Brücken führt – mit den entsprechenden Klimalasten. Daher gehören Güter, wo immer möglich, aufs Binnenschiff oder die Bahn.
Schienenverkehre
Doch bei der Bahn ist auch nicht alles „sauber“. Vielen Verkehrsreformern gilt der motorisierte Kollektiv-Verkehr (vulgo: ÖPNV) gerade in seiner schienengebundenen Form als mit Abstand klimafreundlichstes Verkehrsmittel. Doch dieser Narrativ hält der Wirklichkeit nicht stand. Das zeigt z.B. in Hamburg der Bau der neuen U-Bahnlinie U 5 mit 1.050 Meter langen Baugruben und Unmengen an klimaschädlichem Beton. Zwar will man CO2-sparsam Bauen, aber der offizielle Hamburger Klimabeirat bezweifelt den Klima-Nutzen der U5. Das wird auch durch eine Studie zur ähnlichen Situation in Berlin gestützt, die zu dem Ergebnis kommt, dass sich solche Projekte für den Klimaschutz frühestens nach 90 Jahren (!) rechnen – zu spät für den Kampf gegen die Klimakrise.
Deutlich klimafreundlicher Straßenbahnen, die auf Haltestellen in Form unterirdischer Betongebäude verzichten können. Diese könnte man, automatisiert fahrend, ebenso wie bereits bestehende U-Bahnen für den nächtlichen Warentransport zu Depots einsetzen, von wo die Waren dann am nächsten Tag verteilt oder abgeholt werden könnten. Hiermit ließe sich eine Vielzahl an LKW-Transporten einsparen.
Bei der Deutschen Bahn ist die Elektrifizierung bereits in vollem Gange; nicht elektrifizierte Teilstücke im eher ländlichen Raum abseits der Magistralen lassen sich mit Batteriezügen abdecken, die sich gegen die Wasserstoff-Züge durchsetzen werden. Und die vermehrt von anderen Dienstleistern als der Bahn eingesetzten Nachtzüge können sogar können sogar Flugreisen einsparen.
Teil 1: Problemzonen
Teil 2: Perspektiven Landfahrzeuge
Teil 3: Perspektiven Schifffahrt
Teil 4: Perspektiven Luftfahrt