03.09.2021
Die selbstgebaute Klimakatastrophe, Teil 1
Eine Kritik von Götz Warnke
Als 2015 der Ökonom und Stadtplaner Daniel Fuhrhop sein Buch „Verbietet das Bauen. Eine Streitschrift“ veröffentlichte, gab es tatsächlich Streit: Viele Architekten und Bauingenieure, aber auch Bauplaner und Bausenatorinnen empfanden das Werk als Angriff auf den Kern ihrer beruflichen Identität, die sich vor allem im Bauen von Neuem manifestiert.
Doch aller persönlichen Empfindlichkeiten zum Trotz: Das Baugewerbe und die Gebäudewirtschaft sind für einen Großteil der weltweiten Klimagasemissionen verantwortlich: 38 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes gehen auf das Konto dieser Branchen. Dazu kommen weitere Umweltprobleme wie die Landschaftszerstörung durch Kiesabbau oder die Küstenerosion durch den Sandraub; zudem stammen z.B. 50% des deutschen Müllaufkommens aus dem Baubereich.
Natürlich ist der CO2-Ausstoß abhängig von den einzelnen Bauwerken und den verwendeten Baustoffen. Aber die Problematik der „grauen Energie“ wird schon deutlich, wenn man einmal Wohngebäude betrachtet: Nach dem Stuttgarter Architektur-Professor Werner Sobek entfallen 55% der verbrauchten Energie eines „Gebäudelebens“ auf die graue Energie (Baustoff-Herstellung, Bau), 40 % auf die Nutzenergie (Wärme, Stromverbrauch), und 5% auf den Abriss (Demontage, Materialtrennung, Endlagerung etc.).
Das eigentliche Problem der „grauen Energie“ liegt dabei in der Herstellung der Baustoffe und ihrer Ausgangsmaterialien, wobei man sich immer die Ökobilanz des einzelnen Baustoffs ansehen muss. Besonders problematisch sind dabei die Stoffe Stahl und Beton. Während man Stahl – genügend Erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff vorausgesetzt – prinzipiell auch CO2-frei erzeugen kann, ist das bei Beton nicht möglich: Dieser besteht aus den übernutzten Rohstoffen Kies und Sand, aus Wasser und aus Zement als Bindemittel. Letzterer wird überwiegend aus Kalkstein hergestellt, der bei ca. 1.450°C gebrannt, dann abgekühlt und feingemahlen wird. Das Problem sind nicht nur die benötigten, hochtemperaturigen Energiemengen, sondern vor allem, dass beim Brennen des Kalksteins große Mengen CO2 frei werden. Bei dem gewaltigen Zementbedarf (kein Beton ohne Zement!) von weltweit rund 6 Milliarden Tonnen pro Jahr ist es auch nicht möglich, das dabei entstehende CO2 aufzufangen und mit einem der bekannten CCS-Verfahren dann unterirdisch endzulagern.
Jahrelange Versuche
Seit Jahrzehnten gibt es Versuche, die gewaltigen CO2-Emissionen des Bauwesens im allgemeinen und des Betons im besonderen zu reduzieren oder besser noch zu stoppen. Doch selbst die neuesten Materialforschungen an den Universitäten Stanford oder Halle-Wittenberg in Zusammenarbeit mit der Universität Para´ im brasilianischen Belem schaffen mit ihren Zementmischungen „nur“ eine CO2-Reduktion von ca. 60% – angesichts der weltweiten Zementmengen wohl zu wenig, um die Klimakatastrophe abzuwehren.
Dabei betreffen die CO2-Emissionen des Bauwesens bei weitem nicht nur die Häuslebauer; nach Analyse des UN-Umweltprogramms sind die Industrie und die öffentliche Infrastruktur die Hauptverursacher. Natürlich wissen insbesondere die Politik und die genehmigende Bürokratie um die CO2-Lasten von Bauwerken; schließlich sind die Informationen dazu heute überall im Netz auffindbar und werden auch von staatlichen Stellen bereit gestellt. Dennoch gibt es im politischen Bereich weiterhin eine Tendenz zu klimatisch verheerenden Großprojekten: zum Teil, weil man von falschen Prämissen ausgeht, zum Teil um sich selbst ein „Denkmal“ zu setzen oder ideologische Ansprüche durchzusetzen.
Bringt bessere Infrastruktur noch mehr Emissionen?
Eines der größten europäischen Infrastrukturprojekte ist derzeit die feste Fehmarnbelt-Querung. Hierfür ist ein rund 18 Kilometer langer Schienen- und Straßen-Tunnel zwischen der dänischen Insel Lolland und der deutschen Insel Fehmarn geplant. Für die Anbindung des Tunnels bedarf es zwar auch in Deutschland umfangreicher und teurer Infrastrukturmaßnahmen, aber der Tunnel selbst wird von Dänemark finanziert (> 7 Milliarden €), sowie vom dänischen Konzern Femern A/S gebaut und betrieben. Laut Femern besteht der Tunnel aus 79 Absenk-Elementen, die vorproduziert, zu ihrem Bestimmungsort transportiert, dort abgesenkt und in den Meeresboden eingespült bzw. eingeschüttet werden. Jedes dieser 217 Meter langen Elemente wiegt 73.000 Tonnen und besteht überwiegend aus Stahlbeton. Wenn man nun weiß, dass ein Kubikmeter Stahlbeton ca. 2,5 Tonnen wiegt und bei seiner Herstellung rund 330 kg CO2 entstehen, kann man den ökologischen Fußabdruck des Bauwerks in etwa abschätzen: rund 9.636 Tonnen CO2 sind jedem der 79 Elemente zuzuordnen, also insgesamt 761.244 Tonnen. Dabei sind weder die zehn Tunnelelemente mit unbekanntem Gewicht noch die notwendige Schiffsflotte zum Ziehen, Baggern, Einschütten der Elemente eingepreist, noch die zusätzlichen Infrastrukturmaßnahmen wie Fahrbahnverbreitungen, Lärmschutzwende etc. beiderseits der Tunnelenden, geschweige denn der Tunnelbetrieb (Strom, Fahrbahnerneuerungen). Bei den jährlichen CO2-Emissionen von 9,6 Tonnen pro Bundesbürger entsprechen die Klimagas-Emissionen des Tunnels etwa dem Jahresbudget einer Stadt von 90.000 Einwohnern.
Und was bringt der ganze Aufwand? Gegenüber dem Fährtransport soll der Tunnel die Autofahrzeit um 35 Minuten und die Zugverbindung auf der rund 330 km langen Strecke Kopenhagen-Hamburg von 4:30 Stunden auf 2:30 Stunden verkürzen – eine praktisch irrelevante Zeitersparnis im Zeitalter der Videokonferenzen und der nahenden, ca. 400 km/h schnellen Elektro-Flugzeuge.
Nun ist zwar die feste Fehmarnbelt-Querung in Größe und Aufwand derzeit relativ einzigartig. Aber überall im Land herrscht auch von öffentlicher Seite eine regelrechte Bauwut – als gäbe es kein Morgen. Dies gilt besonders für die Städte. Wie das z.B. in meiner rot-grün-regierten Heimatstadt Hamburg aussieht, lesen Sie nächste Woche im 2. Teil.
Die selbstgebaute Klimakatastrophe, Teil 2
Die selbstgebaute Klimakatastrophe, Teil 3