17.09.2021
Die selbstgebaute Klimakatastrophe, Teil 2: Hamburg
Eine Kritik von Götz Warnke
Trotz der Unmengen „Grauer Energie“ und den an ihr hängenden CO2-Emissionen wird immer noch gebaut als gäbe es kein Morgen. Dies gilt – wie wir in Teil 1 gesehen haben – für Großprojekte, aber auch für die „normalen“ Städte. Meine Rot-Grün-regierte Heimatstadt Hamburg mag hier nur als ein Negativbeispiel unter vielen dienen.
Das Bauen in den Städten ist natürlich immer auch Ausdruck einer bestimmten Politik, ihrer Werte und Ziele. Daneben ist die Baupolitik auch durch äußere Anforderungen wie z.B. Instandhaltung der Infrastruktur geprägt. Und Bauen ist ein beliebtes Feld, sich als Politiker selbst ein weit sichtbares Denkmal zu setzen. Diese verschiedenen Themenkreise sind zwar meist miteinander verwoben; es gilt jedoch, sie getrennt zu behandeln. Sehen wir uns also die „Hamburgensien“ an :
Politiker-Denkmäler
a) Die Elbphilharmonie, vom Hamburger Abendblatt, der Leiblektüre aller gutsituierten Hamburger Hausfrauen mit Hang zu Höherem, als „Elphi“ liebkost und gehätschelt, ist ein monströses Konzerthaus-Gebäude im Hafenrandbereich mit Hotel, Restaurationen, teuren Eigentumswohnungen etc. Es ist das „Kind“ von CDU-Ex-Bürgermeister (2001 bis 2010) Ole von Beust und seines Senats. Ursprünglich für Baukosten von „nur“ 77 Millionen Euro angepriesen, verursachte dieser Jahrmarkt der Eitelkeiten in Beton, Glas und Stahl am Ende schließlich ca. 866 Millionen Euro Ausgaben – die Klimakosten der CO2-intensiven Baumaterialien sind dabei, wie üblich, nicht einmal eingepreist.
Dafür kostete jedes der 595 speziellen Fassaden-Glaselemente rund 72.000 Euro; da spielt es schon fast keine Rolle mehr, dass allein die äußere Reinigung dieses gläsernen „Architekturkunstwerks“ jährlich mit 52.000 Euro zu Buche schlägt. Schließlich kann der Glitzerbau trotz seiner unzähligen Energieverbraucher wie Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungsanlagen, Rolltreppen etc. nicht eine Kilowattstunde Strom oder Wärme selbst erzeugen – Erneuerbare Energien fehlen hier erwartungsgemäß. Denn Hamburgs „neues Wahrzeichen“ ist ein Ausdruck eines ästhetisierenden Architektur-Manierismus – Altbundeskanzler Helmut Schmidt bezeichnete die Elbphilharmonie zutreffend als unhanseatischen Protzbau. Ein Bau als Beitrag zur Klimakatastrophe, zu schön zum Schauen und zu dumm zum Denken.
b) Der Elbtower: Ein weiterer, überflüssiger CO2-Emittent mittels grauer Energie entsteht mit dem Elbtower, ein „Investoren“-Projekt, dem der jetzige SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz als Bürgermeister nahe stand, und das auch vom jetzigen Senat keinen Widerstand erfährt.
Das 245-Meter-Hochhaus an den Elbbrücken mit einer Bruttogeschossfläche von über 100.000 Quadratmetern soll als südlicher "Abschluss" der Hafencity dienen. Warum die Hafencity neben der Elbe und den Elbbrücken noch einen weiteren südlichen Abschluss benötigt, ist wohl nur für eingestaubte Stadtplaner und Architektur-Fetischisten evident. Damit das Architekturmonstrum für die normalen Hamburger Bürger einigermaßen akzeptabel wird, werden sie mit einer Aussichtsplattform und einem Restaurant in 200 Meter Höhe geködert.
Die Website hamburg.de fabuliert vom Elbtower als "selbstbewusstes Statement der wachsenden Stadt Hamburg" und meint, er werde an "seinem Standort eine ikonische Fernwirkung entfalten." Diese Fernwirkung wird er - anders als bei diesem PR-Geschwurbel wohl gemeint - in der Tat entfalten: durch seine graue Energie und den damit geleisteten Beitrag zur Klimakatastrophe.
c) Gewerbegebiete: Wer als Politiker wiedergewählt werden will, setzt gern auf neue Gewerbegebiete – das bringt Arbeitsplätze und Gewerbesteuern, ist nicht so protzig … und übrigens sehr klimafeindlich. In Hamburg z.B. sind nur noch drei Prozent der Stadtflächen Moore, aber das muss ja nicht so bleiben: Im Stadtteil Hamburg-Neuland hat man für ein Logistikzentrum ein wertvolles Niedermoor mit Sand aufgeschüttet, das nach Recherchen der sehenswerten Verbrauchersendung NDR Markt vom 16. November 2020 so gar nicht gebraucht wird. Wichtig zu wissen: ein Moor speichert pro Hektar sechsmal soviel CO2 wie ein Wald. Und während in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein die Bürger aufgerufen werden, mittels „Moorfutures“ Geld für die Wiedervernässung von Mooren zu spenden, macht Hamburg Moore platt.
d) Lieblingsprojekte: Auch mit der Umsetzung von Lieblingsprojekten können sich Politiker ein Denkmal setzen, selbst wenn das Projekt nur höchst indirekt mit dem Bauen zu tun hat. So konnten die Hamburger Grünen eines ihrer Lieblingsprojekte, die Verlängerung der Grundschule auf 6 Jahre unter dem Motto „Länger gemeinsam lernen“, in der Schwarz-Grünen Koalition ab 2008 durchsetzen. Eine Umsetzung des Projekts hätte besonders wegen der dann höheren Schülerzahlen (6 statt 4 Klassen, also 50% mehr) an Grund-/Primarschulen umfangreiche Baumaßnahmen erfordert (weshalb z.B. extra „Schulbau Hamburg“ gegründet wurde), was aber den lehrerlastigen Grünen keine Probleme bereitete. Zum Glück, insbesondere für das Klima, wurde das grüne Pädagogikprojekt in einer Volksabstimmung im Sommer 2010 mit überwältigender Mehrheit abgeschmettert.
Wohnungsbau
„Wohnen muss bezahlbar bleiben“ klingt es unisono von der FDP bis zur Linken. Während die einen wohl eher an lukrative Aufträge für ihre Klientel aus Maklern etc. denken, mögen die anderen eher staatlich subventionierte, günstige Wohnungen für ihre Anhänger im Blick haben. Dazwischen lässt der Rot-Grüne Senat Jahr für Jahr 10.000 neue Wohnungen bauen. Dafür sucht man jede erdenkliche Baulücke, auch in Innenhöfen etc. – „Nachverdichtung“ nennt sich das. Und so wird viel innerstädtisches Grün zugepflastert. Und der jüngeren Generation die Chance auf ein lebenswertes Klima im wahrsten Sinne des Wortes verbaut. Vielleicht ist es an der Zeit, der politischen Kaste mal einige unangenehme Wahrheiten ins Gedächtnis zu rufen:
1. Es gibt kein Menschenrecht, in Hamburg zu wohnen, dort eine schöne, große Wohnung zu finden, die noch dazu günstig ist, und noch dazu in einem „angesagten“ Stadtteil liegt. Sicher, man kann den Zuzug schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht einfach beschränken. Sicher, es kann nicht sein, dass angestammte Mieter durch Mietpreissteigerungen aus ihren Wohnungen und Geschäften vertrieben werden, denn auch Umzüge und die Zerstörung von Sozialstrukturen sind klimarelevant. Andererseits muss auch nicht jeder, der nach Hamburg kommen will, hier seine Traumwohnung finden. Warum sollte es ein Verstoß gegen die Menschenwürde sein, wenn Neubürger – vom Top-Manager, über die Familie, bis zum Studierenden – ihr Zuhause in einer ökologischen Tinyhouse-Siedlung am Stadtrand oder im Industriegebiet nehmen müssen?! Für größere, CO2-intensivere Ansprüche muss Wohnen künftig unbezahlbar werden.
2. Das Rennen, Zuzug durch Wohnungsbau auszugleichen, ist nicht zu gewinnen. Denn Wohnungsneubau erzeugt Zuzug. Während im Verkehrsbereich die Erkenntnis „Neue Straßen erzeugen mehr Autoverkehr“ insbesondere Grünen und Linken leicht über die Lippen läuft, verweigert sich die Politik in puncto Wohnungsbau vollständig der entsprechenden Einsicht. Erschwerend kommt hinzu, dass in Deutschland die Wohnfläche pro Einwohner seit 2010 um 2,4 Quadratmeter gestiegen ist, und dass auf 1.000 Einwohner heute 515 Wohnungen kommen statt 495 in 2010 (mehr Singlehaushalte). Das alles bedeutet mehr Graue Energie beim Bauen und mehr Energie für Strom + Wärme beim Wohnen.
3. Wir brauchen Grünflächen in den Städten – wegen der menschlichen Psyche, der Hitzemilderung und auch der Ernährungssicherung. Die vielen Urban-Gardening-Projekte zeigen, dass die Menschen das verstanden haben, und dass ihnen ihre Ernährungssouveränität wichtig ist. Wenn selbst Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der Erkenntnis überfallen wird, dass in der Klimakrise künftig sichere Ernten nicht mehr sicher sind, sollten sich auch die Hamburger Bau-Fetischisten dieser Erkenntnis nicht verweigern, und daher auf das Zubetonieren der innerstädtischen Grünflächen verzichten.
Doch wahrscheinlicher ist, dass vor dem Einsetzen politischer Vernunft erst die Gerichte tätig werden müssen. So wurde z.B. von einem Gericht die geplante Nachverdichtung einer Wohnanlage am Schlosspark Schönhausen in Berlin-Pankow aus Gründen des Klimanotstands im vergangenen August gestoppt – zweifellos ein Vorbild auch für Hamburg.
Es ist hier halt wie überall: Politiker reden solange gern von Klimapolitik, solange diese ihre anderen Lieblingsprojekte nicht behindert.
Die selbstgebaute Klimakatastrophe, Teil 1
Die selbstgebaute Klimakatastrophe, Teil 3