24.09.2021
Die selbstgebaute Klimakatastrophe, Teil 3: Hamburger Verkehr
Eine Kritik von Götz Warnke
In den ersten beiden Teilen haben wir uns mit den Klimalasten des Bauens im Allgemeinen und den Auswüchsen der Bauwut hinsichtlich Politiker-Denkmälern sowie Wohnungsbau-Wahn in meiner Heimatstadt Hamburg im Besonderen angesehen. Leider ist das Bau-Elend damit noch nicht zu Ende. Denn es gibt ja noch die Verkehrsinfrastrukturbauten – und die haben es in sich.
Verkehrte Verkehrspolitik
Aus klimapolitischer Sicht kann Hamburg sich glücklich schätzen, dass sein Flughafen Fuhlsbüttel mitten in der Stadt liegt. Zwar gefällt das gegenwärtig weder wachstumsverliebten Politikern noch lärmbetroffenen Anwohnern, von denen wohl einige auch sehenden Auges in die Nähe des Flughafens gezogen sind. Doch die Situation verhindert heute, dass der Flughafen ausgebaut werden kann, und wird morgen dazu führen, dass die leisen Elektroflugzeuge mitten in der Stadt landen können. Und so stehen mit Schiene und Straße hier eher zwei andere Verkehrsformen im Mittelpunkt.
a) Schienenverkehr: Hamburgs grüner Verkehrssenator hat es schwer. Er muss nicht nur das bestehende Schienennetz in Stand halten, sondern auch jede Menge neu bauen: den drei- bis viergleisigen Streckenausbau ins Umland, sowie zwei neue Bahnhöfe – die Verlegung des Fernbahnhofs Altona nach Norden und den Ausbau des Hauptbahnhofs mitten in der Stadt. Liest man das Interview mit dem Verkehrssenator im Hamburger Anzeigenmagazin „Kloenschnack“ (9/2021), kann man den Eindruck gewinnen, der arme Mann sei unverschuldet Teil einer Laokoon-Gruppe geworden. Muss man ihn deshalb bedauern? Mitnichten, denn die Probleme sind politisch selbstgemacht: wer jährlich 10.000 neue Wohnungen für 2 bis 4 Personen baut, muss sich nicht wundern, wenn die Verkehrsprognosen für 2040 statt 500.000 nun 750.000 tägliche Passagiere für den Verkehrsknoten Hauptbahnhof vorhersagen. Die CO2-Emissionen des Wohnungsneubaus verursachen quasi die CO2-Emissionen des Verkehrswegeausbaus.
Doch Hamburg kann noch schlimmer: Es baut mit der U5 eine neue U-Bahn – ÖPNV ist doch klimafreundlich, oder? Immerhin soll die U5 Stadtteile wie Bramfeld im Hamburger Nordosten mit der Innenstadt, dem Universitätskrankenhaus Eppendorf und den Volkspark-Arenen im Hamburger Westen verbinden – auf 25 Kilometer insgesamt. Die Kosten stehen noch nicht fest; es wird von ca. 8 Milliarden Euro gemunkelt. Millionen Kubikmeter Erdboden müssen bewegt, für die Haltestellen bis zu 200 Meter lange und 30 Meter tiefe Baugruben ausgehoben werden. Und es werden Unmengen an klimaschädlichem Beton verbaut. Nach einer wissenschaftlichen Studie aus Berlin zum dortigen U-Bahn-Bau rechnet sich eine U-Bahn für den Klimaschutz erst nach 90 bis 100 Jahren – in Hamburg gilt die gleiche Mathematik und Physik. Während des Baus in den nächsten 15 Jahren wird die U5 erst einmal eine gewaltige CO2-Schleuder und Klimakrisenbeschleunigung sein. Eine Straßen-/Stadt-Bahn wäre dagegen die deutlich schnellere und klimafreundlichere Lösung, vor allem, wenn man die CO2-Emissionen vor 2040 auf Null bringen will, also bevor die Klimakatastrophe unabwendbar wird.
b) Straßenverkehr: Das gleiche klimapolitische Elend setzt sich beim Straßenverkehr fort: Die Autobahn A7 wird nördlich der Elbe auf Hamburger Stadtgebiet von einem riesigen Betondeckel begraben, damit man – ja klar – dicht an der Autobahntrasse neuen Wohnungen bauen kann. Und südlich der Elbe wird mit der A 26 Ost eine Hafenquerspange geplant – durch ein Moorgebiet, und obgleich sich mit dem Veddeler Damm eine potentielle Hafenquerspange bereits anbietet. Wäre also statt Rot-Grün ein anderer Hamburger Senat besser fürs Klima? Zumindest die CDU, seit dem letzten von-Beust-Senat hier in Hamburg schnurstracks auf dem Weg zur Kleinpartei, verbreitet ähnliche klimapolitische Dummheiten: Sie möchte mit der Willy-Brandt-Straße eine der großen Ost-West-Achsen unter die Erde verlegen.
Letztlich kann auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur die Klimakrise weniger durch eventuell aufkeimende parteipolitische Vernunft gebremst werden, als vielmehr durch die Gerichte. Auch hier gibt es ein gutes Vorbild: Im Februar 2020 hatte ein britisches Gericht den vom britischen Parlament gebilligten Ausbau des Londoner Flughafens Heathrow wegen Unvereinbarkeit mit den Zusagen im Pariser Klimaschutzabkommen gekippt.
Fazit
Was die Beschleunigung der Klimakrise durch Bauprojekte anbelangt, hat sich die Hamburger Politik wahrlich „verdient gemacht“. Das gilt natürlich insbesondere für die regierenden Parteien SPD und Grüne, aber auch für die ehemals regierende CDU. Doch selbst die übrigen in der Bürgerschaft vertretenen Parteien wie FDP, Linke oder AfD dürften es kaum besser machen, wenn man sich z.B. mal deren Bundestagswahlprogramme unter dem Stichwort „Bezahlbares Wohnen“ ansieht.
Um die Bauwut deutschlandweit einzudämmen, brauchen wir eine CO2-Bilanzierung aller Baumaßnahmen vor Beginn der Bauarbeiten, sowie Beschränkungen der jeweiligen CO2-Last eines Bauwerks. Dann kann man dem Bauherren eines Einfamilienhauses vorab sagen: „Klar, solange du CO2-neutral baust, oder nicht mehr als nur soundsoviel CO2 dabei emittierst, darfst Du bauen“ – z.B. ein Lehmfachwerkhaus, ein TinyHouse oder ein Earthship. Doch statt dessen setzen manche Politiker auch im bauwütig-CO2-lastigen Hamburg eher auf ideologische Ersatzbefriedigungen und möchten den Bau von Einfamilienhäuser einschränken. Dabei wird natürlich das CO2-intensive Bauen nie grundsätzlich in Frage gestellt. Wie schon gesagt: Politiker reden solange gern von Klimapolitik, solange diese ihre anderen Lieblingsprojekte nicht behindert.
Klar ist: ohne eine Bauwende lässt sich die Klimakatastrophe nicht vermeiden. Aber diese Bauwende lässt sich nur umsetzen und den Bürgern vermitteln, wenn die Kriterien für das Bauen rational und nachvollziehbar sind. Daher müssen Politiker-Denkmäler, Bezahlbarer-Wohnraum-Ideologien, sowie Verkehrsprojekte ohne eine positive kurz- und mittelfristige CO2-Bilanz der Vergangenheit angehören.
Bis dahin kann man allen Klima-Engagierten, insbesondere auch Fridays for Future nur raten, wo immer möglich solche Auswüchse der Bauwut weg zu klagen.
Die selbstgebaute Klimakatastrophe, Teil 1
Die selbstgebaute Klimakatastrophe, Teil 2