27.09.2019
Auto-Kraftstoffe (3): Biokraftstoffe – bei Bio blüht Benzin
Wer nach Alternativen für die mit Mineralöl betriebenen Verbrenner-Fahrzeuge sucht, der kommt um einen Blick auf die Biokraftstoffe nicht umhin. Ganz neu ist die Idee allerdings nicht: ab Mitte der 1930er Jahre wurden in vielen deutschen Gemeinden die städtischen Fahrzeuge auf Biogas (Biomethan) aus Kläranlagen umgestellt. Die Holzvergaser-Autos, wie sie um 1945 in Deutschland wegen des Benzinmangels eingesetzt wurden, sind noch von alten Bildern und Filmen bekannt. Der Pflanzenöl-Motor hat eine lange Tradition – schließlich hatte Rudolf Diesel seinen ersten gleichnamigen Motor als Pflanzenöl-Motor konzipiert. Und Henry Ford entwarf sein Model T für Bioethanol. [1]
Das größte Biotreibstoff-Projekt wurde Ende der 1970er Jahre in Brasilien gestartet: Ethanol (Alkohol) aus Zuckerrohr trieb und treibt seitdem Millionen von Kraftfahrzeugen an. Und sogar in den Himmel haben es die Biokraftstoffe geschafft: große Fluggesellschaften, aber auch die US-Luftwaffe haben diese Energiequelle erfolgreich getestet. Technisch ist der Einsatz von Biokraftstoffen erprobt und gut umsetzbar.
Woher stammen nun die Ausgangs-Materialien für die Biokraftstoffe? Zum einen sind es pflanzliche und tierische Abfälle und Fäkalien – z.B. aus der Lebensmittelindustrie, von Großmärkten, Schlachtereien sowie aus der Gastronomie (z.B. alte Frittierfette). Zum anderen sind es extra angebaute Pflanzen, deren Typ sich je nach Treibstoffart unterscheidet.
Biodiesel verwendet als Haupt-Ausgangsprodukt – ebenso wie der weniger stark verarbeitete Pflanzenöl-Treibstoff – Ölfrüchte, aus denen dann jeweils Rapsöl, Palmöl oder Sojaöl extrahiert wird. In Deutschland besteht Biodiesel hauptsächlich aus Rapsöl mit rund 10% Altspeise- und Tierfetten sowie einem geringen Anteil an Sojaöl.
Biokerosin besteht aus hydrierten Pflanzenölen. Neben Raps- und Palmöl kommen wegen der speziellen technischen Nutzung auch andere Öle wie Leindotter-Öl oder Jathropha-Öl (aus tropischen und subtropischen Gebieten) zum Zuge.
Biobenzin/Bioethanol wird aus kohlehydrathaltigen Maiskolben, Weizen, Zuckerrohr oder Zuckerrüben hergestellt.
Biomass to Liquid (BtL) wird heute als Bezeichnung für fortschrittliche Verfahren zur Biokraftstoff-Herstellung verwendet, aber eigentlich sind schon die o.a. Biodiesel etc. Produkte eines BTL-Verfahrens. Deshalb spricht man von BtL-Generationen: zur ersten gehört Biodiesel, zur zweiten gehört BtL aus ganzen Pflanzen, zur dritten Generation gehört BtL aus Abfällen. Mit diesen Fortschritten möchte man den ökologischen Fußabdruck der Biokraftstoff-Produktion verringern.
Dennoch bleiben einige schwerwiegende Probleme, die die Umstellung des Verkehrssektors, ja sogar des Straßenverkehrs auf Bioenergie in Frage stellen:
Das Flächenproblem
Wie alle Erneuerbaren Energien ist auch die Bioenergie eine Flächenenergie, d.h. sie benötigt Flächen – und sogar besonders große. Grund dafür ist der sehr geringe Wirkungsgrad der Photosynthese, der meist mit 1 bis 3 Prozent angegeben wird, wobei zu berücksichtigen ist, dass wegen der Photosynthese-Pause im deutschen Winterhalbjahr die jährliche Effizienz eher bei einem als bei drei Prozent liegt. Bei Algen sieht der Wirkungsgrad zwar günstiger aus, aber sie brauchen spezielle Behältnisse/Becken, Wärme, CO2 für das Wachstum und ggf. Licht, was Geld kostet und den „Anbau“ einschränkt.
Ein Kollege hat einmal ausgerechnet, wie viel kleine PKW (Smart-Größe) mit einer Jahreslaufleistung von 15.000 km sich von einem Hektar Land per Biokraftstoffe versorgen ließen. Beim Anbau von Ölpflanzen waren es 1,5, bei BtL 4,3 und bei Biogas auch 4,3. Wenn wir der Einfachheit halber anfangs mal von 43 Millionen Autos ausgehen, dann bräuchten wir für deren Versorgung mit BtL, was ja die wahrscheinlichste Lösung wäre, mindestens 10 Millionen Hektar Land. Nun hat Deutschland insgesamt rund 16,65 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen, bestehend aus Ackerland, Wiesen und Weinbergen [2]. Leider haben wir auch nicht nur 43 Millionen Autos, sondern 57 Millionen Kraftfahrzeuge, wozu 47 Millionen PKW, vier Millionen Motorräder und drei Millionen LKW gehören [3], von denen sich längst nicht alle mit einer Smart-Größe zufriedengeben. Wer also den Straßenverkehr mit Biokraftstoffen versorgen wollte, müsste deutlich über 80% der landwirtschaftlichen Nutzflächen dafür bereitstellen. Dann wären aber immer noch der Luft- und Schiffsverkehr außen vor.
Und woher dann Deutschland seine Nahrungsmittel bei dieser Flächenkonkurrenz (Teller oder Tank) beziehen soll, müsste auch noch geklärt werden – ebenso wo wir Anbauflächen für die nachhaltigen Rohstoffe finden sollen, die wir künftig dringend benötigen werden.
Das Umweltproblem
Als wenn die o.a. Schwierigkeiten nicht genug wären, kommen weitere Probleme dazu: die meisten Energiepflanzen laugen die Böden aus, d.h. die Böden werden schlechter und die Erträge sinken. Die Energiepflanzen würden zwangsläufig in großen Monokulturen angebaut: diese müssten massiv durch Pestizide geschützt werden, die dann in die Umwelt bzw. ins Grundwasser gelangen. Und die Monokulturen ließen sich nur maschinell, d.h. mit großen landwirtschaftlichen Maschinen bearbeiten und abernten. Diese wiederum würden allein auf Grund ihres Gewichts die Böden verdichten und damit schädigen. Zur Verarbeitung müssten die Massen des Ernteguts über teilweise längere Strecken in die Verarbeitungsanlagen gefahren werden, was mit verschiedensten Emissionen und ggf. auch höherer Staugefahr im Verkehr einher geht.
Das Klimaproblem
Sollen die Erträge der Energiepflanzungen nicht allzu schnell sinken, muss massiv gedüngt werden. Schon heute wird durch den Kunstdünger massiv Lachgas freigesetzt, das sogar 298mal so wirksam wie CO2 ist. Dazu kommen weitere CO2-äquivalente Klimagas-Emissionen, da wegen der Großflächigkeit und der Transportemissionen ein absoluter Klimagas-Kreislauf (Pflanzen nehmen CO2 auf, welches dann wieder 1:1 bei der Umwandlung der Antriebsenergie freigesetzt wird) kaum zu erreichen ist.
Fazit
Bioenenergie ist ein schönes Aushängeschild, das vielfach wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat. Daher sind auch die meisten der gehypten „Bioenergiedörfer“ durch ihren fossil basierten Kunstdünger etc. eigentlich Erdölenergiedörfer. Nicht besser sieht es mit Biokraftstoffen wie z.B. bei Biodiesel-Rennautos aus, die auf Veranstaltungen wie der „Grünen Woche“ als Fortschritt gefeiert werden. Erheblich ehrlicher wäre es, hier von Agrartreibstoff zu sprechen, denn die Vorsilbe „Bio“ besagt nur, dass der Kraftstoff aus Pflanzen hergestellt wurde. Mit einer ökologischen Nachhaltigkeit haben diese „Biokraftstoffe“ aus riesigen Monokulturen nichts zu tun. Mögen Biokraftstoffe künftig auch für einzelne Verkehrssegmente wie Luft- oder Schiffsverkehr an Bedeutung gewinnen, so sind sie für eine Verkehrswende, und sei es nur die energetische Umstellung der Landverkehrs, keine Lösung.
Götz Warnke
[1] de.wikipedia.org/wiki/Bioethanol#Geschichte
[2] de.statista.com/statistik/daten/studie/206250/umfrage/landwirtschaftliche-nutzflaeche-in-deutschland/
[3] de.statista.com/themen/1422/fahrzeugbestand/
Die komplette Serie
Fossil Fuels for fossil Brains (1): Der Verbrenner in seinem Zeitalter
Fossil Fuels for fossil Brains (2): Gesellschaft, Moden und der SUV
Auto-Kraftstoffe (3): Biokraftstoffe – bei Bio blüht Benzin
Auto-Kraftstoffe (4): Power-to-X– presenting Problems
Auto-Kraftstoffe (5): H2 - hoffnungslos hintenan
Alternative Kraftstoffe (6): Erneuerbare Energien brauchen Emobilität
Auto-Kraftstoffe (7): Die Märchen der Feinde der E-Mobilität