04.10.2019
Auto-Kraftstoffe (4): Power-to-X– presenting Problems
Power-to-X (PtX) ist derzeit in aller Munde und in allen Medien. Das PtX scheint für viele der Königsweg zur Lösung der Verkehrswende zu sein, zumal das große X für etwas Unbestimmtes, Deutbares, noch zu Findendes steht, und damit die allgemeine Unsicherheit bei der Umsetzung der Verkehrswende perfekt spiegelt. Was aber steckt im Detail hinter diesem ominösen Kürzel?
Was meint PtX
PtX steht für die Umwandlung bzw. Speicherung von Strom (aus Erneuerbaren Energien) in andere Energieformen. Dazu gehören Wärme (Power-to-Heat/PtH), Gase (Power-to-Gas/PtG), Treib- und Brennstoffe (Power-to-Fuel/PtF) sowie Chemikalien (Power-to-Chemicals/PtC), wobei die beiden letzteren häufig zu Power-to-Liquids/PtL zusammengefasst werden. Für die Verkehrswende auf den Straßen sind dabei aber nur die beiden mittleren PtG und PtF interessant.
Zur Herstellung der verschiedenen PtG- und PtF-Treibstoffe mittels Erneuerbarer Energien gibt es selbstverständlich unterschiedliche Verfahren die meist aus mehreren Stufen bestehen:
a) Zur Herstellung von Methan (CH4), einem Treibgas für Motoren, wird der Sabatier-Prozess verwendet. Dazu wird zuerst Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten, anschließend wird der Wasserstoff unter Einsatz eines Katalysators und bei frei werdender Wärme methanisiert [1], d.h. mit dem Kohlenstoff-Atom zu Methan umgewandelt, wobei zugleich auch wieder Wasser entsteht. Das Verfahren hat den Charme, dass man das Kohlendioxid (CO2) als Kohlenstoffbasis auch aus Kraftwerks- und Industrieprozessen abscheiden kann. Je nach Herkunft des Stromes aus Sonne oder Wind wird das Produkt Solar- bzw. Wind-Gas genannt. Audi betreibt seit Jahren ein entsprechendes Programm [2].
b) Das gewonnene Methan lässt sich mit Hilfe der Fischer-Tropsch-Synthese [3] in Methanol und von da in weitere Treibstoffe umwandeln. Das flüssige Methanol ist leicht zu transportieren, und kann in konventionellen Verbrennungsmotoren eingesetzt werden.
c) Zur Herstellung des Treibgases Ammoniak (NH3) wird das bekannte Haber-Bosch-Verfahren eingesetzt, wobei der Wasserstoff mittels Wasser-Elektrolyse und der Stickstoff aus der Luft mittels Luftverflüssigung gewonnen wird [4]. Das gasförmige Ammoniak kann anschließend in Brennstoffzellen Strom erzeugen. Ammoniak ist zudem kein Klimagas und nicht ozongefährdend.
Bei allen diesen Designer-Treibstoffen garantiert der fachgerechte Einsatz der Technologie eine bedarfsgerechte, gleichbleibende Qualität der Kraftstoffe.
Vorteile PtX
Für die Fans der PtG-/PtF-Verfahren bieten diese eine Menge Vorzüge und „Win-Win-Situationen“:
1. Die konventionelle Autotechnik, bei der Deutschland weltweit einen Spitzenplatz hält, kann weitgehend – bisweilen mit Modifikationen – weiterhin eingesetzt werden. Der Verbrennungsmotor mit der vor- und nachgelagerten Technik würde weiterhin genutzt; das Tankstellennetz, die Wirtschaftsstrukturen, das ganze Kraftfahrzeuggewerbe [5] und die entsprechenden Arbeitsplätze blieben erhalten.
2. Als Strom für die Verfahren könnten diejenigen, hauptsächlich aus Windenergie stammenden Ökostrom-Mengen, genutzt werden, die man derzeit noch abregeln muss, weil gerade im Netz kein Bedarf ist.
3. Wie bereits o.a. erwähnt, ließe sich das für die meisten Verfahren benötigte Kohlendioxid (CO2) aus Kraftwerks- und Industrieprozessen abscheiden, und so die Emission dieses Klimagases in die Atmosphäre verhindern.
Nachteile PtX
So schön sich die Vorzüge und Win-Win-Situationen anhören, sie haben alle einen Haken:
1. Die Autoindustrie ist ein weltweites Geschäft, das entscheidend durch den größten nationalen Automarkt in China bestimmt wird: Dort verfolgt man einen entschiedenen, langfristigen Pfad zur E-Mobilität. Das mag sicher auch industriepolitische Gründe haben – bei der konventionellen Autotechnik ist man den Herstellern aus Europa und Japan deutlich unterlegen – , aber das hat auch klare Sachgründe: Verbrennungsmotoren erzeugen Abgase, was besonders in Großstädten mit ihren Staus ein Umwelt- und Gesundheitsproblem darstellt. Zudem hat bereits 2015 eine wissenschaftliche Studie gezeigt, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor erhebliche Wärmemengen freisetzen, wodurch allein in einer Stadt wie Peking die Sommertemperatur um 1°C höher liegt und Millionen von Kilowattstunden Strom für Klimaanlagen eingesetzt werden müssen [6]. Dazu kommt der schlechte Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors, der schon unter optimalen Bedingungen nie über 35% kommt, bei kaltem Motor, im Stau oder im sonstigen Teillastbereich auch mal auf 10% sinkt [7]. Richtig, Brennstoffzellen sind von diesen Problemen nicht betroffen. Aber sie sind selbst nach Jahrzehnten der Forschung noch teuer, die Direkt-Methanol-Brennstoffzelle (DMFC) hat noch mit technischen Problemen zu kämpfen [8], und Ammoniak hat den Nachteil, giftig und stark korrosiv zu sein.
2. Im vergangenen Jahr wurden ca. 5,4 Milliarden kWh erneuerbarer Strom abgeregelt. Das ist ärgerlich und hört sich nach viel an, aber es sind „nur“ 5,4 Terrawattstunden (TWh), und damit rund ein Prozent des sich nach Angaben des Umweltbundesamtes auf rund 520 TWh belaufenden deutschen Stromverbrauchs. Da der Energieverbrauch des nicht elektrifizierten Verkehrs bei ca. 750 TWh liegt [9], und dabei das Auto den Löwenanteil hält, ist eine Verkehrswende nur mit Überschussstrom undenkbar. Vielmehr müssten dann die Erneuerbaren Energien in einem noch nie gesehenen Ausmaß ausgebaut werden.
3. Auch die CO2-Abscheidung aus Kraftwerks- und Industrieprozessen löst keine Probleme. Schließlich muss das CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre verbannt werden. Bei der Verbrennung im Motor wird es allerdings wieder freigesetzt, und eine erneute Abscheidung am Auspuff ist zu kompliziert bzw. teuer. Da so kein echter Kohlenstoff-Kreislauf aufgebaut werden kann, müssen Industrie und Kraftwerke CO2-neutral, d.h. auf Erneuerbare Energien umgestellt werden. Dann könnte man das CO2 zwar aus der Luft holen, aber das wäre sehr energieaufwändig.
4. Bei allen PtX-Kraftstoffen ist der Systemwirkungsgrad Well-to-Wheel (z.B. von der Antriebswelle einer Windkraftanlage zum drehenden Rad eines KfZ) gering. Am besten ist der Wirkungsgrad noch, wenn Methan in einer Brennstoffzelle zurück verstromt wird; dann liegt er bei ca. 13 %. Andere Systeme, vor allem mit Verbrennungsmotor, können auch bei < 10% landen. Daraus folgt wiederum, dass man ein riesiges Potential von Erneuerbaren-Energien-Erzeugungs-Einheiten auf großen Flächen installieren muss (s.o.), um den Treibstoffbedarf abzudecken.
5. Synthetische Treibstoffe sind nicht billig; der Preis pro Liter dürfte auch mittelfristig beim doppelten des heutigen Benzinpreises liegen. Zudem wird hier eine Konkurrenz von Seiten des Wärme-Sektors und des Power-to-Chemicals-Bereichs entstehen, da auch diese Bereiche CO2-frei werden müssen.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass trotz manches Beifalles aus wirtschaftlich interessierten Kreisen viele Wissenschaftler dem PtX-Hype kritisch gegenüberstehen [10].
Fazit
PtX kann in manchen Bereichen eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung unseres Landes und der EU spielen, insbesondere im (Industrie-)Wärmebereich und bei der Herstellung CO2-freier Chemikalien. Im Verkehrsbereich wird PtX allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das gilt insbesondere für den in die Fläche gehenden Straßenverkehr, bei dem zu den Umwandlungsverlusten der PtX-Kraftstoffe auch noch die Distributionsverluste kämen.
Götz Warnke
[1] de.wikipedia.org/wiki/Methanisierung
[2] www.audi-technology-portal.de/de/mobilitaet-der-zukunft/audi-future-lab-mobility/audi-future-energies/audi-e-gas
[3] de.wikipedia.org/wiki/Fischer-Tropsch-Synthese
[4] de.wikipedia.org/wiki/Ammoniak
[5] www.presseportal.de/pm/7865/4386538
[6] www.nature.com/articles/srep09213
[7] www.dgs.de/news/en-detail/130919-fossil-fuels-for-fossil-brains-1-der-verbrenner-in-seinem-zeitalter/, www.spiegel.de/video/suv-klima-animation-video-99029656.html
[8] de.wikipedia.org/wiki/Direktmethanolbrennstoffzelle
[9] unendlich-viel-energie.de/mediathek/grafiken/endenergieverbrauch-2017-nach-strom-waerme-und-verkehr
[10]www.deneff.org/fileadmin/downloads/20190820_Gr%C3%BCne_Gase_und_Energieeffizienz_-_Expertenpapier.pdf
Die komplette Serie
Fossil Fuels for fossil Brains (1): Der Verbrenner in seinem Zeitalter
Fossil Fuels for fossil Brains (2): Gesellschaft, Moden und der SUV
Auto-Kraftstoffe (3): Biokraftstoffe – bei Bio blüht Benzin
Auto-Kraftstoffe (4): Power-to-X– presenting Problems
Auto-Kraftstoffe (5): H2 - hoffnungslos hintenan
Alternative Kraftstoffe (6): Erneuerbare Energien brauchen Emobilität
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