24.02.2023
Der energiepolitische Aschermittwoch
Eine (nach-)narrenendzeitliche Kritik von Götz Warnke
Schon wer über das Jahr stets Pressemitteilungen und Nachrichten aus dem Energiebereich liest, hat häufig Gelegenheit, sich die Haare zu raufen oder die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen. Doch im Februar, zum Ende Narrenzeit, gibt es die Gelegenheit, mit spitzer Feder all’ die Lautsprecher, Märchenerzähler und Wirrköpfe des vergangenen Jahres aufs Korn zu nehmen.
Die E-Fuels-Farce
Der Autohersteller Porsche hat Ende vergangenen Jahres mit Industriepartnern in Südchile nördlich von Punta Arenas eine Pilotanlage für synthetische Kraftstoffe (eFuels) errichtet – in der an Windenergie reichen Region der Furious Fifties keine schlechte Standortwahl. Grund ist insbesondere der Wunsch von Porsche-Chef Oliver Blume, dass seine Sportwagen auch künftig weiterhin mit Treibstoff über die Straßen röhren können. Doch kaum, dass diese Pilotanlage zwei Monate läuft und von einer echten Großanlage noch weit entfernt ist, ruft die Sportwagen-Schmiede für die Besserverdienenden der Marktwirtschaft nach der Staatsintervention: Papa Staat solle dafür sorgen, dass künftig Benzin und Diesel nicht billiger seien als die Porsche-E-Fuels.
Nun müsste selbst Zuffenhausenern auch ohne viel naturwissenschaftliche Schulbildung klar sein, dass das Aufspalten von Jahrmillionen alten Natur-Molekülen und ihre Synthese zu neuen Stoffen energie- und technikaufwändig und damit teuer ist. Dazu kommt noch die mangelnde Effizienz der verschiedenen Umwandlungsverfahren, die E-Fuels stets zu einem raren Stoff machen werden. Und die Grenzen der Physik lassen sich weder durch staatliche Eingriffe noch durch blume-ige Träume von Porscheflotten mit E-Fuels verändern. Wer heute noch glaubt, nennenswerte E-Fuels-Mengen würden künftig für den Straßenverkehr zur Verfügung stehen, kann die Pappnase gern ganzjährig tragen.
Der Spatzenschredder
Energieautarkie ist ein wichtiges Thema. Und so versuchen viele Hausbesitzer neben ihrer PV-Anlage auch noch kleine Windräder auf dem Dach zu installieren. Schließlich wird ja viel Werbung dafür gemacht – reguläre in den klassischen Medien und auch solche auf Youtube-Kanälen von „Nur-auf-Youtube-Experten“. Dabei muss man bei der Windenergie nur ein paar Sachen wissen, um das Thema abschätzen zu können. Ein paar Beispiele:
> Halbiert sich die Windgeschwindigkeit, hat der Wind nur noch ein Achtel der Energie.
> Die mittlere jährliche Windgeschwindigkeit liegt selbst an guten Küstenstandorten bei nur ca. 7 Metern/Sekunde in Dachfirsthöhe (10m).
> Und die Nennwindgeschwindigkeit (die Windgeschwindigkeit, bei der die Windenergieanlage ihre maximale Leistung erzeugt) der Anlage sollte nicht allzu sehr von der jeweilig-lokalen, mittleren jährlichen Windgeschwindigkeit abweichen – ein kräftiger Sturm pro Jahr macht schließlich noch keine 365-Tage-Energieversorgung.
> Im Binnenland „z.B. werden ‚Nennwindgeschwindigkeiten‘ von 10m/s ganz ganz selten oder nie erreicht (‚Jahrtausendereignis‘).“ Merkwürdig nur, dass viele Kleinwind-Hersteller Nennwindgeschwindigkeiten von sogar 15 m/sec oder mehr angeben, so dass das Windrad in der Praxis die versprochene Leistung praktisch nie liefert. Die kleinen Rührwerke auf den Giebeln eigen sich also vielleicht als Statement für Erneuerbare Energien oder vogelphobisch als Spatzenschredder. Nur sollte niemand glauben, er oder sie könne damit sein Haus autark machen.
Die moorigen Erektionen
Im Zuge des EEG 2023 sollen PV-Freiflächenanlagen auch auf früher trocken gelegten, stark degradierten, jetzt aber zur ökologischen Wiedervernässung anstehenden Moorböden errichtet werden. Das würde einen Mehrfachnutzen generieren: Klimaschutz, Erneuerbare Energien, Biomasseproduktion wie Rohrkolben etc. - und auch noch Geld für die Landwirte als Grundeigentümer. So weit so gut. Die Greifswalder Moor-Experten aus dem Umfeld der Michael-Succow-Stiftung haben kein Problem damit, mahnen nur hinreichend Licht an, damit das Moor wieder aufwachsen kann. Doch wer jetzt den Klimaschutz voranschreiten sieht, hat nicht mit dem Naturschutz gerechnet: Dessen Verbände wie u.a. die Deutsche Wildtierstiftung mahnen, im Schatten (der PV-Anlagen) wachse kein Sonnentau. „Moore aller Arten sind hochsensible Hotspots der Artenvielfalt. Der Bau von Solaranlagen würde viele der störungsempfindlichen Arten vertreiben und wertvolle Biotope fragmentieren.“ Hallo?! Es geht doch gar nicht um PV auf bestehenden Mooren, sondern auf Agrarwüsten, die erst wieder zu Mooren werden sollen. Da gibt es keine störungsempfindlichen Moor-Arten, die man vertreiben könnte. Dass der tief umsorgte Sonnentau kein Wildtier ist, stört da schon weniger, zumal ja auch der Narr kein Wildtier ist, und dennoch von der Deutschen Wildtierstiftung wohl in besonderer Weise gepflegt und gehegt wird. Was solls, den Protagonisten scheint es auch eher um das Motto zu gehen: Hauptsache, mal wieder öffentlichkeitswirksam den mahnenden Zeigefinger erhoben zu haben. Mag es vielleicht bei den Franzosen anders sein, aber in Deutschland ist der mahnend erhobene Zeigefinger immer noch die häufigste Erektion.
Der Ingenieur, der jammert söhr?
Kaum rückt die für 2025 geplante Abgasnorm Euro 7 näher und wird konkreter, da meldet sich der Mercedes-Betriebsratschef zu Wort: Die Norm komme viel zu schnell, man könne die nötigen technischen Lösungen nicht finden, und es bestünde die Gefahr dass man zu frühzeitig auf Elektromobilität umsteigen müsse – aha! Früher hieß es: „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör!“ Heute heißt es, zumindest wohl bei Mercedes: „Dem Ingenieur ist viel zu schwör!“ oder so ähnlich. Doch vielleicht sind es gar nicht die Ingenieure, die jammern, sondern eher die Marketingabteilungen, die fürchten, künftig nicht mehr so viele dicke Autos höchst profitabel verkaufen zu können. Denn eins ist klar: Man bekommt halt ein Klima- und Umweltproblem, wenn man „Dickschiffe“ auch für Minderintelligente baut, damit diese auch im Stau zeigen können: „Hier wartetet ein ganz Wichtiger!“
Der Berg vorm Kopf
Die traditionsreiche Wasserkraft hat es hingegen heute wirklich schwer: Ihre Leistung wird inzwischen selbst von einigen Experten nicht mehr wahrgenommen, etwa bei der Auflistung des jährlichen Energieertrags der verschiedenen Erneuerbaren Energien in kWh pro m2 Fläche. (Siehe S.5) Dagegen wissen wirkliche Energiesystem-Experten wie Hans-Josef Fell und Thure Traber, dass die kleine Wasserkraft wertvoll und wichtig für das System der Erneuerbaren Energien ist. Ins „Aus“ geschoben hätten die kleine Wasserkraft im vergangenen Sommer fast die Naturschutzverbände, wenn – Robert Habeck sei Dank – nicht im letzten Moment der Gesetzgeber im neuen EEG den Wirrsinn der Naturjünger beendet hätte. Bei der Bekämpfung der Kleinwasserkraft vorne mit dabei war und ist der Bund Naturschutz in Bayern, ein höchst seltsamer Verein. Vor allem fällt hier das Messen mit zweierlei Maß auf:
> Wenn der Biber, dieser Zerstörer wertvoller CO2-Speicher (Bäume), Flüsse völlig fischundurchgängig macht, dann ist das gute, ganzheitliche „Mutter Natur“.
> Wenn aber der Wassermüller sein Stauwerk mit einer Fischtreppe versieht, um weiter CO2-freien Strom ernten zu können, so ist das immer noch Naturzerstörung, ein Frevel gegen die gute natürliche Ordnung – der Mensch als Makroparasit!
Man fragt sich schon: Ist bei den Bunatschut-Bayern in der Jugend irgendwas falsch gelaufen? Oder sind es doch die Berge, die an allem Schuld sind? Ein zugewanderter/hergelaufener Österreicher – übrigens eines der besten Beispiele gegen die Open-Border-Ideologen, die einfach alle Leute ins Land lassen wollen – hat ja einmal in seinem Knödelton gesagt: „Im Angesicht der Berge traf ich meine großen Entscheidungen.“ Das grauenvoll-verheerende Ergebnis ist bekannt, allerdings auch nicht zur Gänze verwunderlich, wenn man weiß, was schon ein einzelnes Brett vorm Kopf an sonderbaren Fehlschlüssen auslösen kann. Nun muss nicht jeder Berg vorm Kopf gleich in die Katastrophe führen oder die schlimmsten Ergebnisse zeitigen. Aber man kann schon den Eindruck gewinnen, dass der Bund Naturschutz in Bayern seine energiepolitischen Entscheidungen eher im Angesicht der Berge als mit einem einfachen Brett vor dem Kopf trifft.
Die schneeflöckchenhaften Gutmenschen
„Hört auf die Wissenschaft“ – dieses Fridays-for-Future-Motto wird besonders dann gern zitiert, wenn es die eigenen ideologischen „Heiligen Kühe“ nicht stört. Das wird schlagartig anders, wenn die Wissenschaft auch mal den eigenen, lang gehegten und ach so kuscheligen Vorurteile widerspricht. Dann werden selbst manche Grünen und Linken der Wissenschaft gegenüber schlagartig unzugänglich. Wer z.B. wie ich der Massenmigration aus Klimaschutzgründen kritisch gegenüber steht, kann einen Haufen aufgeregter Geister kennen lernen, die „Rassismus“ kreischen. Dass Rassisten Asylrecht und Flüchtlingskonvention völlig ablehnen, dass die Migrantenströme auch nach dem Willen von Bundesregierung und EU eingedämmt werden sollen, dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Migranten abschieben will, die hier kein Bleiberecht haben, dass die Wissenschaft aus Klimaschutzgründen eine Ende des Neubaus fordert, was auch für Migrantenunterkünfte gilt, dass die eigenen Open-Borders-Forderungen nicht in Einklang mit den Gesetzen dieses Landes stehen – das alles ficht diese Gutmenschen in ihrer Selbstüberhebung nicht an. Der ehemalige Bundesgerichtshof-Richter und jetzige Spiegelkolumnist Thomas Fischer hat sie mal "die Selbstguten" genannt; der Psychoanalytiker Fritz Riemann hätte sie als eine Mischung von depressiven und hysterischen Persönlichkeitstypen eingeordnet; ich selbst spreche gern von den Triefguten.
Doch woher kommen sie? Es scheinen vor allem Mitglieder der Generation Schneeflocke zu sein; diese der Generation Greta vorausgehende Altersstufe ist zwar sehr von sich überzeugt, hat aber im Gegensatz zur Generation Greta keinen Ansatzpunkt gefunden, (klima-)politisch wirkmächtig zu werden. Stattdessen arbeitet man sich an politisch korrekten Begriffen ab; die Generation Schneeflocke ist so etwas wie ein Naturschutzverband für politisch korrekte Sprache, der auch ständig neue Begriffe entwickelt, um die eigene ideologische Position gegen Kritik zu immunisieren, und andere Positionen zu delegitimieren. Die Triefguten glauben an die Wirkungsmacht ihrer politisch-korrekten Begriffe – fast kann man von einem scholastischen Realismus [16] für Geistesschlichte sprechen. Als Reaktion darauf sollte man sich einfach an den Rat der Punkrockband „Die Ärzte“ von 2008 halten: „Lass die Leute reden und hör ihnen nicht zu ...“
Das wars! Jetzt ist Aschermittwoch vorbei, und es beginnt für viele Pappnasen eine anstrengende Zeit, in der sie erst einmal wieder politisch nüchtern werden müssen. Sie, liebe Leser, haben sicher den einen oder anderen Kandidaten vermisst. Doch trösten sie sich: Das Kritikjahr ist noch lang, der nächste Aschermittwoch kommt bestimmt – und Django kann warten.