17.12.2021
Und jährlich grüßt… die Ü20-Anlage
Eine Hilfestellung von Jörg Sutter
Der kommenden Jahreswechsel ist der zweite, zu dem PV-Anlagen nach 20 Jahren der Förderung aus der EEG-Vergütung herausfallen. In knapp zwei Wochen ist es soweit: weitere rund 24.000 Anlagen bundesweit sind davon betroffen, dass sie ab dem 1. Januar keine Förderzahlung mehr bekommen. Doch die Randbedingungen sind anderes als im Vorjahr: Deshalb können die Betreiber sich Zeit lassen, es ist keine Hektik zum Jahresende angesagt.
Die aktuelle Situation
Die Situation heute unterscheidet sich von der Vorjahreslage deutlich: Im vergangenen Jahr war am 17. Dezember noch nicht klar, ob es mit der EEG-Reform noch rechtzeitig klappt und damit die Regelungen für Altanlagen überhaupt zum Jahresende in Kraft treten konnte. Die Verabschiedung im Bundestag kam erst kurz vor Weihnachten. Heute können wir entspannter sein: Das EEG 2021 ist und bleibt über das aktuelle Jahresende unverändert in Kraft.
Und eine weitere aktuelle Rahmenbedingung führt dazu, dass bei den Betreibern keine Hektik ausbricht: Die aktuell sehr hohen Marktpreise für Solarstrom machen den einfachen Weiterbetrieb mit Volleinspeisung derzeit auch finanziell lukrativ. Im letzten Jahr haben wir geraten, möglichst rasch auf Eigenversorgung umstellen, denn das war damals deutlich wirtschaftlicher. Heute sieht es anders aus.
Bild 2 zeigt, wie viele und welche Anlagen betroffen sind: In diesem Jahr ist die Gesamtzahl mit knapp 24.000 Anlagen etwas höher als 2020, betroffen sind in diesem Jahr auch wieder hauptsächlich kleine Anlagen mit Nennleistungen von bis zu 7 KWp. Über 90 Prozent der betroffenen Anlagen liegen in diesem Segment. Warum? Die PV-Anlagen, die 2001 gebaut wurden, waren richtig teuer, damals war auf dem Einfamilienhaus noch nicht an 5 oder gar 10 kWp zu denken – allein schon aus finanziellen Gründen.
Konkrete Hilfestellung
Das Projekt PVLOTSE wurde bereits im Frühjahr abgeschlossen, trotzdem hilft die DGS den Anlagenbetreibern auch heute und in den kommenden Monaten gerne weiter:
a) Webseite
www.pvlotse.de bietet aktuelle Informationen rund um das Thema der Ü20-PV-Anlagen. Aktualisiert wurde in dieser Woche die dort liegende Tabelle der Anbieter, die besondere Konditionen für die Abnahme des Ü20-Stroms bieten. Entgegen unserer Vermutung kam es in den vergangenen 12 Monaten nicht zu einer Erhöhung der Anbieterzahl, es bleibt bei dem überschaubaren Kreis hauptsächlich von Stadtwerken, die ihren lokalen und regionalen Kunden eine Auffanglösung bieten. Und manche haben sogar angekündigt, ihre Vergütungshöhen zum 1.1.2022 zu erhöhen, z.B. die Stadtwerke Tübingen (in 2022 7,5 Cent/kWh statt 6 in 2021) oder die Stadtwerke Osnabrück, die zu den bisher schon fest angebotenen 4,7 Cent für Post-EEG-PV-Strom im neuen Jahr noch einen freiwilligen Bonus in Höhe von 3,2 Cent oben drauflegen.
b) Rechner
Unser online-Rechner speziell für Ü20-Anlagen bleibt weiter verfügbar: Hier kann auch in Zukunft eine Abschätzung der Wirtschaftlichkeit des Weiterbetriebs einer Ü20 vorgenommen werden. Durch die Eingabe weniger Randbedingungen (Anlagengröße, Stromverbrauch etc.) wird berechnet, welche Stromkosten mit oder ohne Weiterbetrieb entstehen. Auch können z.B. mögliche Größen eines nachzurüstenden Stromspeichers einfach per Schieberegler variiert werden.
Was raten wir betroffenen Anlagenbesitzern?
Wenn Ihre PV-Anlage aktuell betroffen ist und nach dem 31.12.2021 keine EEG-Förderung mehr erhält, empfehlen wir derzeit folgendes Vorgehen:
a) Anlage weiterlaufen lassen
Lassen Sie die Anlage einfach weiterlaufen und weiter voll ins öffentliche Stromnetz einspeisen. Das ist nach EEG 2021 für die nächsten Jahre eine Möglichkeit zum Weiterbetrieb, Sie brauchen dazu nicht tätig werden, weder technisch an der Anlage noch müssen Sie irgendjemand darüber informieren.
b) lesen Sie an Silvester ihren PV-Einspeisezähler ab
Ihr Netzbetreiber wird ab 1.1. einen anderen Betrag für die Vergütung Ihres Solarstroms berechnen. Um das sauber abzugrenzen, ist es sinnvoll, direkt am 31.12. den Zählerstand abzulesen und (ungefragt) mitzuteilen. Meist kann ein solcher Zählerstand an das Stadtwerk/den Netzbetreiber elektronisch gemeldet werden, auch ohne dass Sie vorher eine konkrete Aufforderung dazu erhalten haben.
c) Marktwert beobachten
Beobachten Sie die Entwicklung des Marktwert Solar: Zur Vergütung des Ü20-Stroms wird der Jahresmarktwert Solar verwendet, der immer erst im Folgejahr aus den Monatsmarktwerten kompliziert berechnet wird. Aber so lange der Monatsmarktwert so hoch ist wie aktuell (für Oktober: 12,8, für November: 18,3 Cent pro kWh), wird auch der daraus berechnete Jahresmarktwert hoch sein, es ist also keine Hektik angesagt. Die Monatsmarktwerte Solar werden hier regelmäßig veröffentlicht.
d) Angebot einholen
Denken Sie über eine Umrüstung der Anlage zur Eigenversorgung nach und lassen Sie sich im neuen Jahr ein Angebot zum Umbau durch einen Elektriker erstellen. Dabei wird meist nur die Verkabelung im Zählerschrank geändert, der Stromzähler wird unter Umständen auf einen Zweirichtungszähler umgestellt. Wichtig: Die reine Umstellung auf Eigenversorgung ist keine wesentliche Änderung der Anlage. Es müssen beim Umbau also keine weiteren Nachrüstungen vorgenommen werden, um die alte PV-Anlage auf den aktuellen Stand der Normen zu bekommen.
e) Speicher prüfen
Denkbar ist auch die Nachrüstung eines Batteriespeichers, der den Eigenversorgungsanteil noch weiter erhöhen kann. Jede Kilowattstunde, die Sie nicht aus dem Netz beziehen müssen, reduziert ihre Stromrechnung. Das gilt es gegen die Speicherkosten abzuwägen. Es gibt aber auch noch andere Ideen, z.B. mit der PV-Anlage über einen Heizstab warmes Wasser zu erzeugen.
f) Auf Eigenversorgung umstellen
Die Umstellung kann jederzeit vorgenommen werden, anspruchsvoll ist dabei im Moment, einen Elektriker zu finden, der das trotz vollen Auftragsbüchern umsetzen kann. Wirtschaftlich aus Betreibersicht ist klar: Je schneller das erledigt wird, desto besser für den Geldbeutel. Doch technisch ist keine Hektik dazu angesagt. Eine Umstellung auf Eigenversorgung muss dann sowohl beim Netzbetreiber als auch im Marktstammdatenregister gemeldet werden.
Wir sind daher aktuell zuversichtlich, dass auch die Anlagen, die zum Jahresende 2021 ihren Förderanspruch verlieren, weitgehend noch weitere Jahre umweltfreundlichen Solarstrom erzeugen werden. Denn die Energiewende ist eine anspruchsvolle Herausforderung, bei der wir jede einzelne solare Kilowattstunde gut gebrauchen können.