07.02.2020
Menschenrechte und Nachhaltigkeit beim Spielzeug: Oft nur von außen sauber
Nachhaltige Produkte, die auch noch Sozialstandards einhalten – gilt das auch für Spielwaren? Die Initiative „Fair Toys Organisation“ (FTO) versucht, dies zumindest bei den deutschen Firmen dieser Branche durchzusetzen. Maik Pflaum, Geschäftsführer des „Nürnberger Bündnis Fair Toys“, will mit FTO „eine glaubwürdige Verifizierung und Multi-Stakeholder-Ansatz“. Soll heißen: Nicht nur die Hersteller und Handel, sondern auch unabhängige Verbraucherorganisationen sowie die Vertretungen der Beschäftigten sollen gemeinsam hinter den Zertifikaten für „Gutes Spielzeug“ stehen.
Deshalb steht „Bitte einsteigen“ mittendrin auf der Webseite. Denn genau dieses Mitmachen fordert FTO von den Herstellern. Und die Organisation denkt dabei gerade an jene 230, die Mitglied beim Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) sind. Denn die bisher freiwilligen Audits der Produzenten gerade in Asien brächten nichts, das bewiesen die jährlichen Spielzeugreports: „Die Untersuchung zeigt immer wieder: Da müssen 15 Menschen in einem Raum vegetieren, da wird kein Grundbedürfnislohn bezahlt. Selbst bei solchen Firmen, die nach dem Ethikprogramm der Weltspielwarenindustrie zertifiziert sind, gibt es solche Menschenrechtsverletzungen“, stellt Pflaum heraus, der bei der Christlichen Initiative CI Romero in Nürnberg beschäftigt ist.
Dass die FTO von Nürnberg aus startet, muss nicht verwundern. Denn hier hat nicht nur besagter DVSI seinen Sitz, sondern in der Noris ist auch die jährliche Weltleitschau „Spielwarenmesse“, auf Englisch „Toy Fair“. „Als Stadt des Spiels hat Nürnberg eine besondere Verantwortung“, erklärt die Grüne OB-Kandidatin Verena Osgyan. Sie möchte „die Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025 umframen in die Stadt des Fairen Spiels“.
Ihre Partei hatte deshalb am letzten Tag der nur für Fachbesucher offenen Messe zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen. Und zwar nicht auf das Messegelände, sondern in einen Saal mitten in der Stadt, damit jeder und jede Interessierte teilnehmen konnte. Neben Maik Pflaum diskutierten unter Leitung von Helga Riedl aus dem Menschenrechtsbüro der Stadt Ulrich Brobeil von besagtem Spielwarenverband DVSI und Margarete Bause. Letztere sitzt für die Grünen im Bundestag und hat dort ihren Arbeitsschwerpunkt auf Menschenrechte gelegt. Gerade Bause merkt man ihre Frustration an: „Seit über zehn Jahren zieht sich die gesetzliche Verankerung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht hin.“ Bisher habe es auch nichts geholfen, dass im Koalitionsvertrag der aktuellen Schwarz-Roten Bundesregierung ein „Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte steht. Es gibt dagegen Vorbehalte im Kanzleramt und im Wirtschaftsministerium“, sagt die Grüne MdB. Und das, obwohl laut Bause eine solche Vorschrift namens „Lieferkettengesetz“ selbst von Firmen wie Nestle, Rewe oder Tchibo gefordert wird.
Doch die sind nicht aus der Spielwarenbranche. Wie bekommt man also die Spielzeugfirmen dazu, sich für fairen Umgang mit den Arbeitern und nachhaltiger Produktion zu begeistern? Ulrich Brobeil hat extra ein großes Schnappi-Krokodil vor sich auf den Boden gelegt. Denn dessen bekannter Hersteller Heunec ist „im Prozess dabei“, gehöre also zu den Vorreitern bei der Fair Toys Organisation FTO. Man sei halt noch am Anfang, erklärt Brobeil den Fakt, dass sich bislang gerade mal „zwei Hände voll Unternehmen“ FTO angeschlossen haben.
Er weiß zwar auch von ganz Großen der Branche, dass diese unabhängig davon CO2-Bilanzen für ihre Produkte erstellen lassen. Aber Brobeil ist mit FTO-Aktivist Maik Pflaum einer Meinung, der erklärt: „Wir brauchen ein Fair Toys-Siegel als klares Zeichen. Das gibt es nur für Produkte, bei denen draufsteht, was drin ist.“ Was bedeutet: Bei Produkten mit diesem Siegel könne es keine „Totalüberwachung, Zwangsarbeit auch in internationalen Unternehmen, Verletzung von Arbeitsnormen“ mehr geben – alles Menschenrechtsverletzungen, die laut Margarethe Bause „Human Rights Watch in einer aktuellen Studie aufgeführt hat“. Auch andere Studien sehen das so.
Klar, alle Podiumsteilnehmer wünschen sich Harmonisierung der Vorschriften in der EU. „Doch einer muss anfangen mit menschenrechtlichen Leitplanken“, auch da sind sich Industrievertreter, Politikerin und Menschenrechts-Aktivist einig. Denn die Freiwilligkeit habe ja – siehe oben – nichts gebracht. Ein weiteres Problem sind die Materialien, aus denen Spielzeuge hergestellt werden: Gerade Verbraucher können deren Nachhaltigkeit momentan schwer bewerten, auch wegen der oft undurchsichtigen Lieferketten. Doch viele Hersteller vertrauen bislang eher auf die Wirkung einer Aufnahme ihrer Produkte in die Innovationsschau der Spielwarenmesse oder des Toy Award, der dort jährlich verliehenen Auszeichnung. Und obwohl, so Moderatorin Riedl, „die Stadt Nürnberg geschafft hat, dass die Nachhaltig in die Bewertung einfließt, waren Jugendliche, mit denen wir die Gewinner des Toy Award besucht haben, entsetzt!“ Denn auch heuer stand viel Plastik am Preisträgerbereich in Halle 3C.
Herausragende Ausnahme: Calculix vom EMS aus Ratzeberg. Die „Zahlenbausteine, mit denen Kinder mit viel Spaß beim Spielen Mathe lernen“, überzeugte die Toy-Award-Jury in der Kategorie für Startup-Firmen. Aaron Bernd von EMS war sehr glücklich, dass „das ganze Markenkonzept aus Nachhaltigkeit und sozialem Engagement“ gewonnen hat. Zwei Serien gibt es von Calculix: Die mit Holz-Zahlen wird aus osteuropäischen Buchen höchstens 50 km vom Ernteplatz entfernt hergestellt und ist mit Bioöl eingelassen statt lackiert. Die so genannte Konpakt-Serie produzieren „Menschen mit Beeinträchtigung aus Recycling-Flüssigholz im Lebenshilfewerk Mölln-Hagenow“, klärt Berndt auf. Klingt wie sozial und nachhaltig gleichermaßen.
Ob ESM Mitglied im DVSI ist, war nicht zu erfahren. Aber gerade alteingesessene Holzspielzeughersteller scheinen für das FTO-Siegel offen: Viele sind regional verwurzelt, produzieren oft noch in Deutschland. Ulrich Brobeil ist sicher, „seine“ Firmen ziehen mit, auch wenn die kritische Masse noch nicht erreicht sei, denn: „Würde die Initiative für das Siegel scheitern, wäre es ein Imageverlust bei unserem Verband und bei der Initiative selbst.“ Deshalb, so der Verbandsgeschäftsführer, stehe das Thema „in jeder Vorstandssitzung des DVSI auf der Tagesordnung“.
Auch Maik Pflaum verbreitet viel Zuversicht; hofft zudem, dass ein auf EU-Richtlinien begründetes Lieferkettengesetz kommt: „Das katapultiert uns nach vorne“, also das Spielzeugsiegel und die Fair Toys Organisation gleichermaßen. Und OB-Kandidatin Verena Osgyan sagt schon mal, was sie als Stadtchefin tun würde: „Wir könnten bei der Stadt-Tochter Nürnberg-Messe ansetzen. Denn die ist noch verhalten nachhaltig.“ Die Spielwarenmesse dagegen ist nur Mieter des Messegeländes während der Toy Fair. Auf sie hat die Stadt keine direkte Einflussmöglichkeit.
07.02.2020
Spielwarenmesse Nürnberg: Der Greta-Trend
Greta Thunberg: Die jugendliche Umweltaktivistin aus Schweden ist nicht nur zum zweiten Male für den Friedensnobelpreis nominiert worden. Nein! Sie ist auch ein Toy Trend 2020. Jedenfalls war lag „Greta“ auf der Spielwarenmesse Nürnberg in der „Trend Gallery 2020“ als Puzzle herum.
Umsummt von einer übergroßen Biene direkt daneben – auch die Honigsammlerinnen sollen offensichtlich umwelttrendiges Spielzeug werden. Stichwort: „Toys for Future“. Doch Greta vermarkten? Für jede Firma der Welt sollte eigentlich selbstverständlich sein, dies nicht zu tun. Weil aber der Rummel um ihren Namen inzwischen kuriose Ausmaße annimmt, hat die Schulstreik-für-das-Klima-Erfinderin nun einen Weg beschritten, den sie gar nicht gehen wollte: Sie will ihre und die Namensmarkenrechte für „Fridays for Future“ schützen lassen. Mal sehen, wie die Greta-Puzzle-Erfinder und andere augenscheinlich skrupellose Vermarkter darauf reagieren werden.