01.03.2024
"Mit Wärmepumpe werde ich erfrieren": Die Angstmacher (Teil 2)
Ein Meinungsbeitrag von Götz Warnke
Angst ist eines der stärksten menschlichen Gefühle: Sie kann lähmen, Fluchtreflexe auslösen oder zu Wut und Widerstand animieren. Jeder Mensch geht mit einer Vielzahl von Ängsten um, die individuell mehr oder minder stark ausgeprägt sind: Angst vor Arbeitslosigkeit, Bedeutungsverlust, Einsamkeit, Gewalt, Krankheit, Veränderungen, um nur einige der möglichen Erscheinungsformen zu nennen. Die meisten Ängste kommen, begründet in unserer Biographie, aus unserem Inneren. Andere werden aber auch von außen an uns herangetragen, uns von unserem sozialen Umfeld oktroyiert. Aber auch von Akteuren in Industrie, Medien, Politik und Wirtschaft werden mediale Kampagnen gefahren, um die eigenen, meist materiellen Interessen durchzusetzen, wie bereits in Teil 1 dargestellt. Doch es gibt noch weitere Kampagnen-Felder.
Die Atomenergie-Verlustangst
Die deutschen Atomkraftwerke (AKW) haben schon im vergangenen Jahrzehnt wenig zur Strom- und nichts zur Wärmeversorgung des Landes beigetragen; 2022 betrug ihr Anteil an der deutschen Stromversorgung gerade noch sechs Prozent. Jahrelang wegen des bevorstehenden Atomausstiegs auf Verschleiß gefahren und seit 2019 ohne die verpflichtenden Revisionen, wollen jetzt nicht einmal ihre Eigentümer, die großen Energiekonzerne, die AKW weiter betreiben. Doch einige Politiker:innen versuchen mitten in der Wärmewende den Bürgern weis zu machen, mit den AKW hätte Deutschland etwas ungeheuer Wertvolles und Wichtiges verloren, nun drohten hohe Energiepreise und eventuell sogar Blackouts. Ziel dieser wirren Kampagne ist es natürlich, die Stimmen so verunsicherter Wähler einzufangen – so weit, so schlecht.
Doch nicht nur manche Politiker:innen leiden an Phantomschmerzen. Die Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt lässt gern mal „Wichtigkeiten“ aus der Wirtschaft mit mehr oder weniger wissensbasierten Weisheiten zu Wort kommen – so weit, so verständlich. Vor Kurzem durfte dort ein Vorstand der Firma Bilfinger mit Deutschlands Energie-Politik abrechnen. Der Mann „berät weltweit Unternehmen und weiß, was Industriebetriebe umtreibt“ – so beschreibt ihn das Handelsblatt, um ihn dann wie folgt zu zitieren: „Dass Deutschland in der größten Energiekrise die letzten drei Atomkraftwerke abgestellt hat, ist unbegreiflich. Das kann ich Geschäftspartnern im Ausland nicht logisch erklären.“
Aha. Und wie wäre es mit der einfach-logischen Erklärung, dass bei den deutschen AKW in den vergangenen Jahren nur noch das unbedingt Notwendige gemacht wurde, dass die laut Atomgesetz alle 10 Jahre verpflichtenden Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) bei den AKW um vier Jahre hinausgezögert wurden, und dass sie daher zur Sicherheitsprüfung auch „in der größten Energiekrise“ für mehrere Monate vom Netz gehen müssten?
Gar nicht so schwer zu erklären. Google und Wikipedia können helfen – offensichtlich wohl auch beim Wissensstand von Industrieberatern und Topmanagern.
Die Wärmepumpen-Angst – werde ich im heimischen Ohrensessel erfrieren?
Waren Sie, liebe Leser:innen, schon einmal an Ihrem Sommerferienort zutiefst besorgt, dass zu Hause der Kühlschrank angesichts der Hochsommertemperaturen und der Hitze im Haus versagen könnte. Dass, wenn Sie wieder nach Hause kommen, das Schokoladeneis geschmolzen und die eingefrorenen Rumpsteaks eine schwammige, süßlich-faulig riechende Masse sind? Hat Ihnen der Gedanke schon mal den Urlaub verdorben, sind Sie gar vorzeitig nach Hause gereist?
Nein, nicht? Gut, es gibt nämlich auch keinen Grund dafür! Denn Kühlschränke funktionieren im allgemeinen zuverlässig. Ganz genau wie Wärmepumpen, die Umkehr des Kühlschrankprinzips. Auch sie funktionieren zuverlässig, nur pumpen sie die Wärme rein statt raus, sind teurer und versorgen ein ganzes Haus.
Und dennoch gibt es dieser Energiespartechnik gegenüber Vorbehalte, Ängste („Wird das Haus überhaupt warm?“), ja sogar Ablehnung und Hass. „Das vielleicht größte politische Wutobjekt des vergangenen Jahres: die Wärmepumpe“, schreibt die ZEIT beiläufig als Bildunterschrift. Sicher, einerseits war der Start der Wärmewende mittels Wärmepumpe politisch schlecht orchestriert, andererseits wurde das Thema Wärmewende und Wärmepumpe medial niedergeschrieben („Heizhammer“), wobei sich auch die öffentlich-rechtlichen Sender nicht „mit Ruhm bekleckerten“.
Am schlimmsten war jedoch die konservative (Wirtschafts-)Presse. Selten hat eine deutsche Journaille einem deutschen Industriezweig so geschadet wie hier. Immerhin schaffen ja die heimischen Wärmepumpenhersteller wie u.a. wie Brötje, Buderus, Stiebel-Eltron, Vailland, Viessmann und Wolf Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk, senken hierzulande den Gasverbrauch und fördern so die deutsche Energieunabhängigkeit.
Bei der Angstmacherei ist es kein Wunder, dass viele Hausbesitzer als Ersatz für alte Geräte weiterhin Fossil-Heizungen einbauen lassen, auch wenn Verbraucherschützer:innen und Wirtschaftswissenschaftler:innen wegen der künftig dadurch entstehenden Kosten dringend vor einem solchen Einbau warnen. Natürlich könnte es den Hausbesitzern zu denken geben, dass sich mit Thermondo der größte deutsche Heizungsbauer entschieden hat, die Gasheizung ganz aus dem Sortiment zu nehmen. Und die Medien, die doch stets monstranzhaft ihren Informationsauftrag hoch halten, könnten sich – „Hört auf die Wissenschaft!“ – bei Wissenschaftler:innen oder gar Wissenschaft-Institutionen informieren. Stattdessen erzählt man lieber skurrile Geschichten wie die von einem offensichtlich mit Wärmepumpen unerfahrenen Heizungsanlagenmechaniker-Meister, der 2022 erst einmal eine WP mit schlechtem Wirkungsgrad bei sich selbst einbaute, aber entgegen aller wissenschaftlichen Studien weiß, dass WP im Altbau nicht funktionieren.
Und wer profitiert letztlich von dieser Angstmacherei? Kurzfristig die hiesige Fossil-Wirtschaft inklusive der Gas- und Ölheizungshersteller und -installateure. Langfristig profitieren die chinesischen Wärmepumpen-Hersteller, die wegen der deutschen Wärmewende-Pause mehr Zeit haben, ihre Offensive auf dem deutschen Markt vorzubereiten.
Angstmacher, Teil 1: "Absturz, Ausfall, Deindustrialisierung"
Angstmacher, Teil 3:„Ich komm nicht an mit dem E-Auto“