26.06.2020
Klimaschutz im Südwesten, Teil II
Baden-Württemberg ist eines der führenden Bundesländer im Klimaschutz. In der vergangenen Woche haben wir hier eine neue Studie mit möglichen Ausbaupfaden der Erneuerbaren Energien dargestellt. Heute geht es um das neue Klimaschutzgesetz des Landes, das derzeit in der Anhörung ist und das innovative Elemente wie eine Solarpflicht für neue Nicht-Wohngebäude enthält.
Klimaschutzgesetz schon seit 2013
Vor sieben Jahren, im Jahr 2013, hat das Land der Badener und Württemberger ein Klimaschutzgesetz erlassen, das nun aktualisiert und fortgeschrieben werden soll. Der Südwesten war dabei eines der ersten Länder mit einem solchen Gesetz. NRW hat auch 2013 analoge Regelungen verabschiedet, 2014 folgte Rheinland-Pfalz, 2015 dann Bremen. Schleswig-Holstein und Thüringen kamen 2017 und 2018 dazu, von Niedersachsen liegt seit 2019 ein Entwurf für ein Klimaschutzgesetz vor.
Das Umweltministerium in Stuttgart hat nun einen Änderungs-Gesetzentwurf mit ausführlicher Begründung veröffentlicht, der im Mai zwischen grüner und schwarzer Landtagsfraktion verhandelt und verabschiedet wurde. Eine öffentliche Anhörung des Entwurfes läuft derzeit bis Anfang Juli, das Gesetz soll nach Willen des Umweltministers noch vor der Sommerpause, Ferien sind in BW erst Ende Juli, im Landtag beraten werden.
Die Fortschreibung des Klimaschutzgesetzes (KSG) geht auf eine entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU aus dem Jahr 2016 zurück. Dort heißt es, die Fortschreibung soll „Vorschläge für ambitionierte Ziele für 2030 und die Optimierung der Steuerungswirkung von KSG und IEKK vorlegen, damit wir bis 2050 eine Treibhausgasminderung um 90 Prozent erreichen“. Das genannte IEKK ist das „Integrierter Energie- und Klimaschutzkonzept“, das im Anschluss an die Gesetzesänderung ebenfalls fortgeschrieben wird.
Die Novelle des Klimaschutzgesetzes soll nun gemäß Landesregierung den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis 2030 um 42 Prozent reduzieren. Private Haushalte sollen – gemessen am Basisjahr 1990 – im nächsten Jahrzehnt 57 Prozent CO2 einsparen, die Industrie 62 Prozent der energiebedingten und 39 Prozent der prozessbedingten Emissionen, die Landwirtschaft 42 Prozent und die Abfallwirtschaft 88 Prozent, der Verkehr 31 Prozent der Treibhausgase.
Kritik: Nicht ambitioniert genug
Doch reichen diese 42 %? Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sagt nein, er sieht damit zwar ein 2-Grad-Ziel in Reichweite, jedoch nicht die notwendige Reduktion des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad. Zumal auch dieses Ziel, wie das Zwischenziel -25 % bis 2020, auch im neuen KSG unverbindlich bleibt. Dazu kommt: Auch das Bundesumweltministerium macht sich derzeit z.B. gegenüber der EU stark dafür, das CO2-Reduktionsziel von derzeit 40 % auf 50-55 % zu erhöhen.
Eine solche europäische Änderung würde Baden-Württemberg damit von „Vorreiter“ (42 gegenüber 40%) auf „Nachzügler (42 gegenüber 50 bis 55%) abrutschen lassen. Auch die Ziele des Bundes (siehe Bundes-Klimaschutzgesetz vom Dezember 2019) sind mit 55% ambitionierter.
Und die Realität? Schon im alten Klimaschutzgesetz von 2013 war vereinbart worden, bis zu diesem Jahr eine Treibhausgasreduktion um 25 Prozent gegenüber 1990 zu erreichen, dieses Ziel wurde jedoch verfehlt. Bis 2019 wurde nur die Hälfe davon, 12 Prozent, erreicht. Zwar wurden fast alle im alten Klimaschutzkonzept geplanten Maßnahmen auch wirklich umgesetzt, aber vor allem im Verkehr wuchsen die Emissionen sogar um 13 Prozent, statt zu sinken. Es gab eben mehr Autos, größere Autos und insgesamt mehr Pendelverkehr im Land, gegengesteuert wurde dazu nicht.
Trotz des Drucks kam seit letztem Jahr die Fortschreibung des Klimaschutzgesetzes nicht voran, im Februar kritisierte Umweltminister Franz Untersteller seinen Koalitionspartner dafür offen und forderte ein rasches Vorankommen „Das kann so nicht weitergehen“, so der Minister damals. Heute befindet sich das Gesetz mit der aktuellen Anhörung auf der Zielgeraden, mit einer Verabschiedung ist nach der Sommerpause zu rechnen.
Impulse des Gesetzes
Was ist nun neu im aktuellen Gesetzentwurf? Zwei Aspekte fanden bereits eine größere Aufmerksamkeit: Zum einen die Solarpflicht (siehe auch DGS-News vom 12.6. „Solarpflicht ist nicht Solarpflicht“) und die verbindliche Wärmeplanung.
Bei der Wärmeplanung geht es darum, dass größere Kommunen und Stadtkreise erstmals verpflichtet werden sollen, konkret in die Wärme-Zukunft zu schauen. Laut Gesetzentwurf sollen die Wärmepläne darstellen:
- a) eine Bestandsanalyse: die systematische und qualifizierte Erhebung des aktuellen Wärmebedarfs oder -verbrauchs, einschließlich Informationen zu den vorhandenen Gebäudetypen und den Baualtersklassen, sowie die aktuelle Versorgungsstruktur,
- b) eine Potentialanalyse: die in der Gemeinde vorhandenen Potentiale zur klimaneutralen Wärmeversorgung aus Erneuerbaren Energien sowie Abwärme und Kraft-Wärme-Kopplung und
- c) ein klimaneutrales Szenario für das Jahr 2050 mit Zwischenzielen für das Jahr 2030 zur zukünftigen Entwicklung des Wärmebedarfs und der Versorgungsstruktur.
Die Pläne sollen dann zentrale Grundlage für einen strategischen Planungsprozess sein, der eine klimaneutraler Wärmeversorgung zum Ziel hat. Stadtkreise und große Kreisstädte werden verpflichtet, die Wärmepläne im Internet zu veröffentlichen, erhalten dafür aber auch laufende Zuschüsse für deren Erstellung direkt von der Landesregierung.
Die öffentliche Hand wurde schon im Klimaschutzgesetz von 2013 in den Mittelpunkt gestellt: Damals wurde formuliert, dass sie ihrer Vorbildfunktion gerecht werden muss und bereits bis 2040 weitgehend klimaneutral zu organisieren sei. Im aktuellen Entwurf kommt das Land den Kommunen dazu entgegen: „Das Land unterstützt die Gemeinden und Gemeindeverbände insbesondere bei dem Ziel, bis zum Jahr 2040 weitgehend klimaneutrale Kommunalverwaltungen zu erreichen“ wird nun ergänzt. Weiterhin sollen die Grundsätze des nachhaltigen Bauens in die Bau-Förderprogramme des Landes aufgenommen werden, bislang spielte das dort praktisch keine Rolle. In Baden-Württemberg werden als Besonderheit auch Privatbürger und Unternehmen durch das Klimaschutzgesetz adressiert, das ist in anderen Bundesländern nicht der Fall.
Spannend ist auch: Das Land will zukünftig eine bessere Übersicht über kommunale Energieverbräuche erhalten. So wird im §7 des Gesetzentwurfes geregelt, dass ab 2021 die Gemeinden verpflichtet sind, in eine zentrale Datenbank die wesentlichen Energieverbräuche von Wohn- und Nichtwohngebäuden, Sportplätzen, Bädern, Straßenbeleuchtungen, Kläranlagen usw. einzutragen. Die damit verbundene Vergleichbarkeit und Transparenz des Verbrauches und der Energiekosten sollen nach Auffassung des Landes dann zu einer Verbrauchsreduktion führen.
Und was fehlt?
Neben der Verbindlichkeit und den zu wenig ehrgeizigen Zielen, die nicht zum Pariser 1,5-Grad-Ziel passen, sind auch einige andere Punkte zu kritisieren, die DGS wird dazu noch eine detaillierte Stellungnahme an das Ministerium richten. Begrüßenswert sind auf jeden Fall die Solarpflicht und die Wärmeplanung, deren Zielsetzung in die richtige Richtung geht, aber bei der Umsetzung nicht verwässert werden darf. Wichtig: Bei der Solarpflicht muss ein Augenmerk auf Prüfung/Nachweise bei Ausnahmeregelungen gelegt werden, damit die Pflicht auch flächig greift und nicht die Mehrzahl der neuen Gebäude ab 2023 mit Befreiungen „davonkommt“.
In einem Monitoring sollen zwar jährliche Kurzberichte zur Treibhausgasentwicklung erstellt werden, Vorschläge zur Weiterentwicklung der Maßnahmen sollen aber nur alle drei Jahre erfolgen, diese Frist ist deutlich zu lange. Auch hätte, wie in Bremen geschehen, der öffentlichen Hand auch die klimafreundliche Beschaffung verbindlich per Gesetz verordnet werden können, ja sogar müssen.