21.09.2018
Die große Trassenbestechung klappt nicht: Die Gegner sind nicht käuflich
Aktuelle RWI-Studie sieht sogar den Protest gestärkt, wenn Kaufangebote gemacht werden: „Bekämen die Bürger selbst 100 bis 250 Euro pro Jahr vom Staat angeboten, kann das sogar negative Auswirkungen auf ihre Zustimmung zu Stromtrassen vor der eigenen Haustür haben.“ Das ist eine der interessanten Erkenntnisse der aktuellen RWI-Studie „Kann die Zustimmung zum Bau neuer Stromtrassen erkauft werden?“ Die Kurzform liegt in Deutsch, die Langversion nur in englischer Sprache vor.
„Die Ankündigung finanzieller Zahlungen in Höhe von 100 und 250 Euro ließ die Zustimmungsraten zum hypothetischen Bau von Stromtrassen im Vergleich zu den Haushalten der Kontrollgruppe leicht sinken. Bei einer Zahlung von 500 Euro sank sie nur marginal.“ Das Gegenteil hatten die Wissenschaftler offenbar erwartet: Für sie war das ein zumindest „auf den ersten Blick überraschendes Ergebnis“. Vom zweiten Blick steht in der Veröffentlichung nichts.
Dass diese Aussagen ausgerechnet vom der Energiewirtschaft nahestehenden Rheinisch-Westfälischen Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung kommen, muss verwundern. Denn immerhin wurde dieses „Ruhr Economic Paper Nr. 742“ von der Bundesregierung bezuschusst. Wenn auch nicht von den Trassen-Förderern aus Peter Altmaiers (CDU) Wirtschaftsministerium BMWI, sondern vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Doch das führt mit Anja Karliczek bekanntlich auch eine CDU-Politikerin.
„Finanzielle Anreize erhöhen die Zustimmung zu Stromtrassen nicht unbedingt, sie können sogar kontraproduktiv wirken“, schreibt Studienleiter Prof. Manuel Frondel in der Presseerklärung und beantwortet damit die Grundsatzfrage der Studie „Kann die Zustimmung zum Bau neuer Stromtrassen erkauft werden?“ mit einem klaren „Nein!“ Sprich: Trassengegner sind eindeutig Überzeugungstäter, nicht geldgeile Pseudo-Ökos.
Wobei die RWI-Forscher davon ausgehen: „Die Mehrheit der Deutschen hat prinzipiell nichts gegen den dafür notwendigen Netzausbau. Sobald die Stromtrasse aber vor der eigenen Haustür verlegt werden soll, regt sich vielerorts Protest.“ Eine Feststellung, die gerade in Verbänden vereinigte Trassengegner vehement zurückweisen: „Die meisten von uns stellen sich dem Ausbau von Hochspannungs-Gleich- oder Drehstromleitungen grundsätzlich entgegen.“ Wohl auch deshalb würden selbst „Geldzahlungen an die angrenzenden Kommunen kaum etwas an den Zustimmungsraten zu Stromtrassen ändern“, wie die Studie feststellt.
Wir hätten gerne den Studienleiter persönlich zu den Ergebnissen gefragt. Aber er ging leider trotz mehrerer Versuche nicht ans Telefon. Deshalb wissen wir auch nicht, wie die RWI-Forschenden zum folgendem Ergebnis kommen. Auf die Frage „Wieso sind viele Bürger gegen Stromtrassen vor ihrer eigenen Haustür?“ gab „ein Großteil der Befragten an, gegen Stromtrassen zu sein, weil diese die Landschaft verschandeln. Auch frühere Studien haben gezeigt, dass ästhetische Gründe bei Stromtrassen-Gegnern eine wichtige Rolle spielen.“ Gerade aus Nordbayern ist immer wieder von genau jenen Trassengegnern zu hören: „Wir wünschen uns dezentrale, regionale Energieversorgung.“ Und sie wehren sich gegen neue Leitungen, ob sie nun überirdisch oder eingebuddelt kommen sollen.
Genauso widersprechen viele auch einer weiteren These der Studie: „Es stimmt nicht, dass >um die Energiewende zu schaffen, Windstrom vom Norden in den Rest des Landes transportiert werden< muss. Der könnte gut dort gespeichert werden.“