31.05.2019
Forschen nur noch für die Wirtschaft? Nein, danke!
„Gemeinnützige“ Zuse-Forschungsgemeinschaft fordert Umschichtung der Fördergelder: Ein Kommentar von Heinz Wraneschitz.
„Forschungsausgaben verstärkt auf Innovationen ausrichten“: Offensichtlich fordert ausgerechnet die „Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse e.V.“ – kurz Zuse - eine Umverteilung der ohnehin begrenzten staatlichen deutschen Forschungsfördermittel in Richtung Technik und Technologie. „Die anwendungsorientierten Einrichtungen der Industrieforschung in Deutschland sollten künftig an der staatlichen Förderung von Forschung und Entwicklung verstärkt teilhaben“, steht dort. Aber kein Wort, wer auf seinen Förderanteil verzichten soll.
Keine Frage: Unser rohstoffarmes Land lebt von technischen und technologischen Innovationen. Und es ist genauso wenig die Frage, dass Forschungsgelder Innovationen anschieben. Doch dass ausgerechnet Zuse als Zusammenschluss „73 gemeinnütziger, privatwirtschaftlich organisierter Forschungseinrichtungen, technologie- und branchenoffen“ auf die Idee kommt, „an der staatlichen Förderung von Forschung und Entwicklung verstärkt teilhaben“ zu wollen: Dazu braucht es schon jede Menge Chuzpe.
Denn die staatlichen Forschungsausgaben sind zwischen 2007 und 2017 von gerade mal 8,5 auf 13,5 Mrd. Euro gestiegen. Dagegen ploppten die F+E-Gelder der Wirtschaft von 43 auf 68,6 Mrd. Euro nach oben. Das sind zwar beide Male 60 Prozent Steigerung. Doch Firmen finanzieren damit im Wesentlichen jene Technologieentwicklung, die die Zuse-Institute im Angebot haben.
Heißt für mich: Genau um dieses Geld sollten sich Industrieforschende vor allem bemühen. Denn die andere, staatliche Seite hat mehr als nur Technik-Entwicklung zu bedienen: Geschichte oder Jura; Archäologie oder Theaterwissenschaft; Sport oder Politik seien beispielhaft genannt. Alles Forschungsfelder, die - wenn es nach Zuse ginge - weniger bekommen würden vom Gesamttopf der öffentlichen Forschungsausgaben.
In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt: Die oft in Uni-Nähe angesiedelten Zuse-Mitglieder spekulieren auf das staatlich genannte Ziel, „3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Forschung und Entwicklung aufzuwenden. Beim Streben (dorthin, d.Red.) muss der effiziente Technologietransfer zum Nutzen von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt im Mittelpunkt stehen.“ Dabei sieht sich Zuse-Pressesprecher Alexander Knebel mit der GroKo-Regierung im Einklang: „Technologietransfer verbessern steht im Koalitionsvertrag.“
Vielleicht ist den industriefreundlichen Forschern entgangen: Die F+E-Aufwendungen sind allein im o.g. Zeitraum bereits von 2,45 auf 3,03 Prozent BIP-Anteil gestiegen. Es ist also ein Jammern auf mehr als hohem Niveau.
Aber womöglich möchten sie ja auch nur mehr abhaben von dem Geld-Kuchen, den die „institutionell gemeinsam durch den Bund und die Länder geförderten Großforschungsverbünde“ bekommen? Laut Zuse-Eigenauskunft gehören die „etablierten Forschungspartner des deutschen Mittelstandes“ weder zu diesen - Helmholtz-, Max Planck-, Fraunhofer-Gesellschaft oder Leibniz-Gemeinschaft -, noch sind sie Teile von Unternehmen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), „die zentrale Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft in Deutschland“ jedenfalls „dient der Wissenschaft in all ihren Zweigen.“
Und aus Sicht der DFG ist „eine sinnvolle Ausbalancierung der Finanzströme im deutschen Wissenschafts- und Forschungssystem entscheidend. Dies gilt sowohl für das Verhältnis von universitärer und außeruniversitärer Forschung als auch für das von Forschung und Forschungsförderung und ebenso für das Verhältnis von erkenntnisgeleiteter Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung.“ Viel schöner hätte auch ich es nicht formulieren können.
Dennoch hier noch einmal klipp und klar: Forschung nur noch für Innovationen der Wirtschaft: Nein, danke!
Link:
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