28.04.2023
Klimakleber oder Regierung – wer sind die wirklichen Kriminellen?
Eine Replik von Heinz Wraneschitz
Selbst Bayerns Verfassungsschutz (BVS) bestätigt Klimaaktivist:innen: Die „Letzte Generation“ und andere sind kein Fall für die Behörde. Zwar verüben Leute aus diesen Gruppen Straftaten, so BVS-Chef Burkhard Körner. Doch diese würden sich beileibe nicht gegen die Demokratie richten. Und die Mitglieder stammten meist auch nicht aus der extremen Linken, sondern eher aus der bürgerlichen Mitte.
Trotzdem lassen sogenannte „konservative Politiker“ nicht locker und behaupten immer wieder gerne das Gegenteil. Einer der Renitentesten unter diesen Rückwärtsgerichten ist Alexander Dobrindt. Momentan agiert er als CSU-Landesgruppenchef und Vize-Fraktionschef der CDUCSU im Bundestag. Vorher war er sogar einmal Bundesverkehrsminister mit der Lizenz zur Geldverbrennung: Wer erinnert sich nicht noch an das von ihm verursachte „Ausländer-Maut“-Debakel mit mehreren 100 Millionen Euro Schaden für die deutsche Bundeskasse?
Klima-Aktive bekennen sich zu ihren Taten
Dass sie bewusst Straftaten begehen, aber sowohl ihr Gesicht zeigen, als auch sich dazu bekennen, hat beispielsweise der Nürnberger „Klimaterrorist“ Achim Scheidl vor zwei Monaten im Gespräch mit mir (siehe DGS-News vom 24.02.23) offen zugegeben: „Ich fühle mich schuldig im Sinne der Anklage, dass ich mich angeklebt habe. Wir haben das auch alle gestanden. Denn wir haben das bewusst gemacht. Ich fühle mich also schuldig, etwas Illegales gemacht zu haben.“ Doch verwerflich sei das nicht. Denn die gerade die „Letzte Generation“ habe festgelegt, jeweils kleine Schritte mit jeweils klaren Zielforderungen zu gehen. Im Kern aber geht es ihnen um Klimaschutz, und damit um die Möglichkeit, dass nachfolgende Generationen weiterhin gut und gesund auf der Erde leben können.
Die auf diese Terroristen-Bekämpfungsarbeit spezialisierte Behörde BVS sieht also keine Anzeichen für das Entstehen einer „Klima-RAF“. Doch wie schon Ende letzten Jahres stapft CSU-Dobrindt weiterhin wie ein „Nein, meine Suppe ess‘ ich nicht“-Kleinkind auf und behauptet nach Medienberichten: „Wir stellen eine zunehmende Radikalisierung in Teilen der Klimabewegung fest. Hier handeln Straftäter und keine Klimaaktivisten."
Sogar das Strafmaß will er dafür erhöhen. Doch sagt er weder, wie hoch das heute bereits ist, noch ob er damit eventuell „lebenslang“ meint. Bekanntlich können Klimaaktivist:innen in Bayern ja sogar schon vorsorglich bis zu 30 Tage lang weggesperrt werden.
Für dieses Vorgehen ist – zugegeben – nicht der in Berlin fuhrwerkende Dobrindt verantwortlich, sondern die Weißblau-Staatsregierung um Markus Söder. Die wiederum, in der Frei-Wähler Hubert „Hubsi“ Aiwanger und „Maggus“ Söder Seit an Seit` agieren, bekennt sich seit Jahren als absoluter Fan der energiefressenden Verkehrs(w)endetechniken Brennstoffzellenantrieb und e-Fuels.
Von „Technologieoffenheit“ sprechen sie dabei immer wieder. Und da sind sie auf einer Linie mit dem aktuellen FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Der hat – wir erinnern uns nicht gerne – vor ein paar Wochen die EU-Umweltpolitik fast ausgebremst. Mit der Drohung eines Vetos hat er das geplante Verbrenner-Aus im Jahre 2035 verhindert. Offizielle Begründung: Technologieoffenheit.
Doch scheint bloß auf den ersten Blick so, als hätte der FDP-Mann „nur“ in die Fußstapfen – oder besser: Schlaglöcher - seiner CSU-Vorgänger Dobrindt und Andreas „Andi“ Scheuer treten wollen. Offenbar weit gefehlt: Denn wer am letzten Wochenende sich die Zeit genommen hat, konnte auf dem FDP-Bundesparteitag auch die Rede des Delegierten Frank Schäffler verfolgen. Die soll laut Zeugenaussagen heftig beklatscht worden sein. Ein Auszug hier im Bild.
FDP-CSU-Satire mit Faktencheck
Noch viel eindrücklicher stellte die Satiresendung „Die Anstalt“ an diesem Dienstag dar, was für eine rückwärtsgerichtete Partei die FDP tatsächlich ist – und wer möglicherweise hinter deren Gedanken tatsächlich steckt: Oft schwerreiche Klimaleugner aus der ganzen Welt sind in einem Netzwerk nahe der selbsternannten „Liberalen“ zu finden, darunter die altbekannte Atom-Vereinigung „EIKE“. Und wer`s nicht glaubt, für den haben die Satiriker den redaktionellen Faktencheck beigefügt.
Volker Wissings FDP-Justizministerkollege Marco Buschmann wiederum hat einen Referentenentwurf zu verantworten, der in dieser Woche öffentlich wurde: Fahrerflucht, wenn jemand ein Auto (ohne Personenschäden) anfährt und sich entfernt, soll entkriminalisiert werden. Selbst der Deutsche Richterbund lehnt diese Idee ab.
Gegen Menschen, die sich festkleben, wird weiter heftigst ermittelt
Dazu eine ironische Netzstimme auf Facebook: „Verkehrsminister und Justizminister planen, ab sofort jeden, der einen Stau verursacht, strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen. Neben Klimaklebern betrifft das jede "anlasslose" Fahrt, also sogenannte Sonntagsfahrer, aber auch Zu-Spät-Starter an Ampeln und Zweite-Reihe-Parker. Ausgenommen sind Fahrer von Firmen- und Dienstwagen ("Dienstwagenprivileg"), Porschefahrer und Fahrer von Wagen mit einem Listenpreis von über 100.000 Euro.“ Prägnanter formuliert es ein anderer: „Aktivisten der letzten Generation rhetorisch an die Wand stellen, aber Fahrerflucht entkriminalisieren. Kein Humor mehr übrig.“
Womit wir wieder bei den Klimakleber:innen sind. Denn eine deren Forderungen ist ein Tempolimit auf Autobahnen, wie in allen anderen EU-Staaten seit Jahr(zehnt)en üblich. Dagegen sträuben sich sowohl CSU wie die augenscheinlich mit Klimaleugnern verbundene FDP – und SPD und Grüne lassen Buschmann und Wissing gewähren. Doch genau hier ist der Hund begraben. Denn „es ist die Bundesregierung, die derzeit verbindliche Klimaziele ignoriert, und das Recht bricht – in gigantischem Maße“ sagte Ronen Steinke
dieser Tage im ARD-Politmagazin Monitor.
Und der Jurist und Autor Steinke legt noch eins drauf: „Dass man eine Regierung nötigt, die klimapolitischen Regeln, also letztlich das Grundgesetz einzuhalten: Das ist „ziviler Ungehorsam“ von der wirklich bravsten Sorte.“ Doch bislang werden die Klimaaktivist:innen für ihre Kleberei verurteilt – teilweise sogar zu monatelangem Knastaufenthalt ohne Bewährung.
Dabei handeln die Aktiven im Sinne der kommenden Generationen und nehmen dafür sogar Strafen in Kauf. Dagegen können Politiker:innen aller Couleur im Klimabereich tun, nein besser: lassen, was sie wollen. Oder sogar gültige Bundesgesetze und internationales Recht brechen. Ohne jegliche strafrechtliche Konsequenz. Ist das der demokratische Rechtsstaat, den wir wollen und den unsere Erde für unser aller Überleben braucht? Ich finde diese Situation unsäglich.
PS: Wie nah die FDP den Klimakrisenleugnern von Eike und Co steht, hat die ZDF-Redaktion „Frontal“ in diesem Beitrag hervorragend recherchiert: www.zdf.de/politik/frontal/klimapolitik-der-fdp-100.html