27.10.2023
Vorgaben der Landesbauordnung für PV – Teil 1: Bayern
Eine Beschreibung von Jörg Sutter
Photovoltaikanlagen sind bauliche Anlagen. Deshalb müssen bei Planung und Errichtung von PV-Anlagen auch die rechtlichen Vorgaben aus dem Baubereich beachtet werden. Neben allgemeinen Vorgaben sind hier vor allem die landesrechtlichen Vorgaben im Auge zu behalten, zudem sich diese derzeit „im Umbruch“ befinden. In einer unregelmäßigen Reihe möchten wir daher für einzelne Bundesländer die aktuellen Regelungen vorstellen. Der Schwerpunkt soll dabei auf Haus-PV-Anlagen liegen.
Vor allem PV-Installateure, deren Einzugsbereich über Landesgrenzen hinweg reicht, müssen hier vorsichtig sein und sich auch informieren, wann in den von ihnen belieferten Bundesländern Neuregelungen gültig werden oder schon geändert wurden. Dass es manchmal auch noch schwerer zu durchschauen ist und ein Blick in die aktuelle Landesbauordnung nicht genügt, zeigt schon diese Zusammenfassung zur aktuellen Situation heute in Bayern im Folgenden.
Allgemeine und kommunale Anforderungen
Einige der baurechtlichen Vorgaben finden sich in bundesweit gültigen Regelungen: Baustellenverordnung, Baugesetzbuch und Bauproduktengesetz sind hier die wichtigsten Grundlagen. Dazu kommen Anforderungen aus kommunalen Bebauungsplänen, Flächennutzungsplänen sowie denkmalschutzrechtliche Vorgaben, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird, denn die baurechtlichen Anforderungen, die in den Landesbauordnungen verankert sind, befinden sich derzeit im größten Umbruch. Dort gibt es auch die größten Verunsicherungen.
Landesregelungen im Umbruch
Die Bauminister von Bund und den Ländern haben sich Ende September des vergangenen Jahres auf eine Neufassung der Musterbauordnung geeinigt. Das aktuelle Dokument findet sich hier.
Der Sinn der Musterbauordnung ist dabei ein spezieller: Da das Bauen wie z.B. auch die Bildung, bei uns Ländersache ist, gelten in den jeweiligen Bundesländern einzelne Landesbauordnungen.
Diese Varianten sind natürlich erst einmal sinnvoll, denn in verschiedenen Regionen in Deutschland wird ja auch unterschiedlich gebaut. So können in Norddeutschland Vorgaben für Reetdächer verankert werden, die in Bayern oder Baden-Württemberg keinerlei Relevanz haben.
Doch in anderen Bereichen ist es auch widersinnig, dass in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Regelungen gelten, den bestimmte Anforderungen an die Verwendung von Materialien, die Belastbarkeit oder zum Beispiel beim Brandschutz könnten ja identisch sein: Es ist schlichtweg sinnlos, wenn zum Beispiel im Brandschutz unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Wenn in einer Halle ein Feuer ausbricht, ist es den Flammen ja egal, in welchem Bundesland sie sich ausbreiten.
Umständlich wird es dann auch für Planer und Errichter, die überregional oder gar bundesweit tätig sind: Sie können nicht die gleiche Gewerbehalle oder das gleiche Fertighaus in ganz Deutschland verkaufen, sondern müssen – je nach Standort – auf die jeweils gültigen Vorgaben Rücksicht nehmen und Planung oder Gebäude entsprechend anpassen. Und das gilt auch für die Photovoltaik.
Um hier eine mehr oder weniger gelungene Einheitlichkeit der Bauordnungen zu erreichen, wird der Text einer Muster-Bauordnung regelmäßig gepflegt, deren Inhalte dann möglichst einheitlich in die jeweiligen Landesbauordnungen übernommen werden. Dabei gibt es jedoch keine Pflicht, sondern die Länder sind souverän in ihrer jeweiligen Umsetzung.
Die oben verlinkte Musterbauordnung hat daher keine rechtliche Verpflichtung, sondern ist als Richtschnur für die Aktualisierung von Landesbauordnungen zu verstehen. Mit diesem Hintergrund hat z.B. Bayern die Landesbauordnung schon im Mai 2023 geändert, in Nordrhein-Westfalen steckt die Änderung derzeit im landesparlamentarischen Prozess und wird voraussichtlich in den kommenden Wochen in einer Neufassung münden, die zum 01.01.2024 gültig werden soll.
In diesem Beitrag möchten wir daher als erstes einen Blick in die bayerische, aktuell gültige Landesbauordnung werfen und dabei die Konsequenzen für den Bau einer PV-Anlage herausstellen.
Die bayerische Bauordnung
Die bayerische Bauordnung ist in ihrer aktuellen Fassung seit dem 01.08.2023 gültig, sie kann hier abgerufen werden oder ist online unter bayern.recht mit dem Suchwort „bayerische Bauordnung“ auffindbar. Das bayerische Bauministerium hat parallel zur letzten Änderung der Bauordnung auch Vollzugshinweise veröffentlicht, die hier abrufbar sind.
Was bedeutet das für PV auf dem Hausdach in Bayern?
Zu Beginn der Bauordnung wird in §1 und §2 der Bereich der Gültigkeit angegeben und verschiedene Gebäudeklassen definiert. Gerade diese Definition von verschiedenen Gebäuden wird in einem Detail unten für uns noch wichtig sein.
Den wichtigen Grundsatz enthält Artikel 3: „Bei der Anordnung, Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung, Instandhaltung und Beseitigung von Anlagen sind die Belange der Baukultur, insbesondere die anerkannten Regeln der Baukunst, so zu berücksichtigen, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden“
Teil Drei geht dann auf bauliche Anlagen ein. Hier betont der Artikel 10 (Standsicherheit): „Jede bauliche Anlage muss im Ganzen, in ihren einzelnen Teilen und für sich allein standsicher sein. Die Standsicherheit muss auch während der Errichtung und bei der Änderung und der Beseitigung gewährleistet sein“. Also: Eine PV-Anlage aufzubauen, die nicht standsicher ist, ist unzulässig nach Bauordnung.
Artikel 12 betont: „Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind“.
Für unsere PV-Module findet Artikel 16 (Bauprodukte) Anwendung, die bei Vorliegen eines CE-Zeichens (das unsere Module am Markt typisch tragen) auf Nachweise oder allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen verzichtet.
Artikel 27 beschreibt dann Trennwände, auch dieser Bereich wird später noch wichtig werden, der Artikel 28 Brandwände. Brandwände sollen eine mögliche Ausbreitung von Feuer auf ein anderes Gebäude oder einen anderen Gebäudeteil ausreichend lange verhindern und es wird hier definiert, wo diese (z.B. gebäudeabschließend) realisiert werden müssen.
In Satz (2) findet sich dann eine wichtige Ausnahme zu den Brandwänden: Für Gebäude der Gebäudeklassen 1 und 2 gilt die Forderung nach Brandwänden nicht. Damit sind feuerbeständige Trennwände für Gebäude bis 7 m Höhe und bis zu zwei Nutzungseinheiten, freistehend oder nicht, sowie land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude als Gebäudeabschluss möglich, es müssen keine Brandwände sein - ein wichtiger Unterschied für uns!
Der Satz (7) des Artikel 28 verbietet auch, Kabel und Leitungen über Brandwände zu verlegen: „Bauteile mit brennbaren Baustoffen dürfen über Brandwände nicht hinweggeführt werden“. Leitungen, die durch Brandwände geführt werden, müssen geschottet werden, damit die Wand mit Leitungsdurchführung ihre Feuerwiderstandsfähigkeit beibehält.
Abschnitt VI dreht sich dann um die technische Gebäudeausstattung, hier kommen wir dann den konkreten Solaranlagen näher. Der neue Artikel 44a ist sogar mit „Solaranlagen“ überschrieben und beschreibt in (1) eine Solarpflicht für Gebäude im Eigentum des Freistaates Bayern, (2) eine Solarpflicht für Nichtwohngebäude, die auch eine Solarpflicht für Dachsanierungen ab 01.01.2025 enthält. Da hier konkret die Stromerzeugung genannt ist, kann das auch als PV-Pflicht bezeichnet werden, auch wenn die Pflicht auch mit einer Solarthermieanlage ersatzweise erfüllt werden kann.
Artikel 57 (2) stellt dann auch klar, dass für typische Gebäude-PV-Anlagen im städtebaulichen Bereich keine Baugenehmigung eingeholt werden muss: „Verfahrensfrei sind [..] „9. Solarenergieanlagen und Sonnenkollektoren sowie, soweit sie in, auf oder an einer bestehenden baulichen Anlage errichtet werden“. Bitte dazu aber aufpassen bei PV-Anlagen auf Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen und welchen, die im Außenbereich errichtet werden sollen, hier gilt diese Verfahrensfreiheit nicht!
Artikel 81 weist dann auf die zu Beginn des Textes genannten möglichen örtlichen Festsetzungen von weiteren Bauvorschriften hin.
Was heißt das nun konkret?
- PV-Anlagen sind im städtebaulichen Bereich typischerweise baugenehmigungsfrei.
- PV-Anlagen sind zwingend standsicher zu errichten.
- Nach der Neudefinition der Anforderung an Brand- und Trennwänden wird bei Ein- und Zweifamilienhäusern („Doppelhaus“) der Gebäudeklasse 1 und 2 kein Abstand zwischen Solarmodulen auf dem Dach mehr notwendig. Das gilt auch, wenn sich diese Trennwand auf einer Grundstücksgrenze befindet. Ausführlich ist das in oben verlinkter Vollzugshinweisen beschrieben.
- Mit der aktuellen Bayrischen Bauordnung ist eine Solarpflicht für Nichtwohngebäude in Kraft, die ab 2025 auch Dachsanierungen betrifft.
Abschließende Anmerkung: Dieser Text kann nur einen zusammenfassenden Charakter haben und nicht alle Details enthalten. Zu den hier genannten Punkten vor Planung und Errichtung einer PV-Anlage unbedingt den Originaltext studieren und/oder das örtliche Bauamt befragen