24.07.2020
Die Preisträger des Solarthermie-Fotowettbewerbs (II)
Eine "Laudatio" von Matthias Hüttmann
Die Auswertung des Fotowettbewerbs (II): Da, wie bereits berichtet, das Potpourri der eingereichten Pionieranlagen sehr groß war, hatten wir uns gegen eine reine Verlosung der Preise entschieden. Stattdessen wurde eine kleine Jury bemüht, die Preisträger zu ermitteln. In dieser Woche stellen wir Ihnen zum einen die schönste und am besten integrierte im Sinne des Gesamterscheinungsbildes, als auch die ungewöhnlichste der eingereichten Solarthermie-Anlagen vor. Diese beiden Auszeichnungen sind natürlich rein subjektive Entscheidungen. Der Jury fiel die Entscheidung sehr schwer, entsprechend knapp war der Vorsprung des Siegers. Er hatte letztendlich jeweils gerade mal einen Punkt mehr als der Zweitplatzierte, der sich somit durchaus auch als Sieger fühlen darf. Die Preisträger sind im Übrigen beide keine Unbekannte in der Solarbranche.
Was ist eine ungewöhnliche Anlage?
Diese Auszeichnung war uns wichtig, da wir nicht nur Größe, Alter und Schönheit, sondern auch den Mut, etwas Besonderes zu schaffen und voran zu gehen, auszeichnen wollten. Die Solarthermieanlage des Gewinners für die „ungewöhnlichste“ Einreichung (Link zum Bild) steht im oberbayerischen Landkreis Berchtesgadener Land. Neben ihrer außerordentlichen Erscheinung ist die Anlage sehr gut integriert und an die Gegebenheiten vor Ort angepasst. Das ist kein Wunder, schließlich wurde die etwa 12 m2 große Kollektorfläche 1987 im Zuge eines Sonnenkollektor-Selbstbaukurses mit der Volkshochschule errichtet. Ein paar sehr schöne Bilder von der Montage finden sie hier. Der Besitzer Wolfgang Fieweger organisierte diese als Mitglied des Bund Naturschutzes in Freilassing. Nach der Theorie, einem Vortrag von Architekt Silvester Dufter aus Siegsdorf (Forum Ökologie Traunstein), wurde am folgenden Tag der Kollektorkorpus aus Holz selbst gebaut und ins Dach integriert. Mithilfe eines Profis wurden die Sun-Strip-Absorberstreifen in Felder gelötet, die Glasplatten aufgebracht und abgedichtet. Lediglich die Spenglerarbeiten wurden vergeben. Die Anlage wird bislang zur Trinkwarmwassererwärmung benutzt, der 800 Liter große Speicher dabei auf gute 80 °C erwärmt. Der Wärmeüberschuss dient zur Trockenlegung des Kellers. Bonmot am Rande: Im Zuge der Integration in die Wärmeverteilung wurde auch eine Waschmaschine auf Warmwasserbetrieb umgerüstet, der Spezialist vertrieb solche Modelle später unter Namen Solavent. An der Anlage selbst wurde zwischenzeitlich das Ausdehnungsgefäß, die Umwälzpumpe und die Steuerung erneuert. Momentan ist geplant, das Bad zu erneuern und eine Fußbodenheizung einbauen. Hierzu wird voraussichtlich ein Kombispeicher eingebaut und der alte Speicher zum Pufferspeicher umfunktioniert.
Wolfgang Fieweger ist mit der Anlage heute noch sehr zufrieden. Er betont auch, dass die Nutzung der Solarwärme intensiver gefördert und gefordert werden müsse. Solare Nahwärmenetze und entsprechende Gemeinschaftsspeicher sollten seiner Ansicht nach in Bebauungsplänen fix festgesetzt werden. Denn nach wie vor, so Fieweger, hinken wir bei der erneuerbaren Wärmenutzung im Gebäudebereich weit hinterher. Als Aktivist bei Chiemgau-Solar und Sonnenstrom vom Watzmann bis zum Wendelstein ist er auch in Sachen Photovoltaik unterwegs, beide Aktionen wurden von ihm mit dem Bund Naturschutz Berchtesgadener Land und dem Forum Ökologie initiiert. Eben ein echter Pionier dem das Thema auch weiterhin am Herzen liegt. Herr Fieweger erhielt als Gewinn eine Ausgabe des DGS-Buches „Der Tollhauseffekt“ von Michael E. Mann und Tom Toles.
Die zweitplatzierte Anlage stammt von Bodo Giessler (Link zum Bild) . Dazu nur ganz kurz: Der DGS-Aktivist (siehe Steckbrief in der SONNENENERGIE 3/18) wollte neben seiner PV-Leidenschaft mithilfe von Solarthermie seinen fossilen Energiebedarf reduzieren und perspektivisch ganz einstellen. Die ursprüngliche Idee war, die laufenden Heizkosten "einzufrieren" und am Haus so lange nachzurüsten wie noch Heizkostensteigerungen anfielen. Die Konsequenz: Der Gasbezug liegt heute bei nur noch 25% der ursprünglichen Menge. Durch den Umbau mit größerem Speicher und geänderter Heizungseinbindung, hat die Solaranlage mittlerweile „noch nie gekannte Betriebsstunden der Kollektorpumpe mit entsprechenden Ertragswerten“ erreicht.
Giessler erwartet durch die endlich steigenden CO2-Preise, einen beschleunigten Zubau von Solarthermie. Ob dieser als direkte Kollektornutzung oder indirekt über PV erfolget wird von dem jeweiligen Wärmegestehungspreis abhängen, so Giessler.
Ästhetik kann entscheidend sein
Dass es wichtig ist, schöne, sehr gut integrierte Solaranlagen zu errichten, ist vielen leider nicht immer klar. Für die Akzeptanz und letztendlich die Verbreitung ist dies jedoch von ganz entscheidender Rolle. Solaranlagen, die lieblos und ohne Berücksichtigung von Gebäudelinien und Proportionen auf die Dächer gelegt werden (Stichwort Briefmarkenarchitektur) motivieren nicht, es gleichzutun. Denn wer möchte schon sein Haus optisch verschandeln? Dabei ist die Errichtung einer ästhetischen Anlage gar nicht so schwierig, wie auch unser Preisträger Ulrich Leibfried zeigt. Die wenig aufdringliche Anlage steht (Link zum Bild) in Lörrach in Baden-Württemberg, nur wenige Kilometer entfernt vom Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz. Lörrach ist im Übrigen auch der Standort des von Leibfried mitgegründeten Unternehmens Consolar. Die Kollektoren wurden 1993 von Pro Solar erworben, es waren Flachkollektoren aus Israel. Im Zuge einer geplanten Erweiterung der Dachgaube, sollte auch eine Solaranlage installiert werden. Dabei wurde festgestellt, dass das Haus als Denkmal klassifiziert werden sollte. Nach einigem Hin- und Her wurde die Erlaubnis für eine durchgängige Gaube erteilt, auf der die Kollektoren als Dach integriert waren. Die Montage wurde von den Bewohnern selbst vorgenommen, ein Blechner hat es verkleidet. Die Speicher kamen erst 1994 dazu, dem Gründungsjahr von Consolar. Es waren die ersten handgeschweißten Kunststoff-Speicher des Conus 500, der ab 1995 in Serie ging. Später wurden die Prototypen gegen zwei Serienspeicher ausgetauscht und noch später durch einen Stahlkombispeicher Solus II 1050 L, auch wieder ein Testspeicher. Auch der Regler wurde zwischendurch gewechselt, um auch die Heizung zu steuern. Ebenso wurde die Hauptwärmequelle - die drei Ölbrenner, die anfangs in dem Haus standen - zusammen mit der Solaranlage, durch einen modulierenden Gasbrennwertkessel ersetzt. Später wurde erreicht, dass ein Biomasse-Nahwärmenetz auch zu der Straße verlegt und an das Gebäude angeschlossen werden konnte. Die Anlage lief und läuft über die Jahre problemlos. In den Sommermonaten wird meist die konventionelle Nachheizung komplett ausgeschaltet, die Versorgung erfolgt dann zu 100 % mit Solarenergie. Im Keller, dessen Außenmauern unter Feuchtigkeit leiden, wurden vor ein paar Jahren Rippenrohre als Sockelheizkörper verlegt, die Mauern werden im Sommer bei solarer Überschusswärme geheizt. Reparaturen gab es keine, lediglich der Kollektorfühler musste mehrfach ausgetauscht werden, weil Feuchtigkeit eingedrungen war.
Leibfried sieht für Großanlagen in Kombination mit Wärmenetzen auf jeden Fall große Perspektiven für die Solarwärme. Für kleinere Anlagen wird es seiner Einschätzung nach jedoch zunehmend schwieriger. Das liegt womöglich auch daran, dass für viele Heizungsbauer Solarthermie zu wenig ein Standardablauf ist, den sie anbieten und kostengünstig sowie sicher umsetzen können. Zum anderen ist Solarwärme, von Sonnenhäusern abgesehen, nur eine Ergänzung. Wir brauchen, so Leibfried, komplette CO2-freie Lösungen v.a. in der Sanierung, d.h. Systeme, von denen Solarthermie selbstverständlicher Bestandteil ist. Er beobachtet auch, dass für die energetische Gebäudesanierung Wärmenetze im Kommen sind und diese standardisiert lokal mit Solarwärme kombiniert werden könnten. Damit könnten die Netze im Sommer kalt bleiben. Ansonsten sieht er in PVT-Wärmepumpenkollektoren eine große Perspektive.
Leibfried ist neben seiner Tätigkeit bei Consolar seit Herbst letzten Jahres als Mitinitiator aktiv in dem Projekt CO2COMPASS - Klimaneutrale Kommunen 2035, aktiv. Hier finden Sie die Ideen und weitere Mitstreiter. Aktuell ist man zur konkreten Umsetzung im Gespräch mit Lörrach und der Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur. Zahlreiche weitere Institute, Klimaagenturen, verschiedenen Kommunen, Wohnbaugesellschaften, Energieversorger, Ministerien und Umweltorganisationen gehören zu den Gesprächspartnern, Ratgebern und Unterstützern. Auch der Herr Leibfried erhielt als Gewinn eine Ausgabe des DGS-Buches „Der Tollhauseffekt“ von Michael E. Mann und Tom Toles.
Auch hier wollen wir den Fast-Preisträger erwähnen, nicht zuletzt, weil er wie wenige, seit Jahrzehnten für die Integration von Solarthermie in der Architektur steht. Der Architekt Florian Lichtblau aus München hat schon zahlreiche äußerst ansprechende Projekte realisiert. Als regelmäßiger Teilnehmer des Solarthermie-Symposiums in Bad Staffelstein/Kloster Banz ist er in der Branche hinlänglich für sein Engagement bekannt. Er hatte mehrere Projekte eingereicht, beispielhaft ist die hier verwirklichte Grunderneuerung eines Reihenhauses (Baujahr 1958). Der prototypische Aufbau der südseitig vollflächig integrierten passiven und aktiven Solarnutzung ist schlank, hochdämmend (Vakuum-Isolations-Paneele, nicht hinterlüftet) und weist über die Heizperiode einen negativen U-effektiv-Wert auf. Die Solarabsorber wurden von der Firma Doma/Vorarlberg konfektioniert und von Zimmerer bzw. Installateur eingebaut. Sie liefern einen Jahres-Warmwasserbeitrag von ca. 70 und einen Heizwärmebeitrag von ca. 20 Prozent und funktionieren bis heute störungsfrei.
Lichtblau glaubt, dass die Solarthermie-Branche am entscheidenden Wendepunkt steht, da das Marktgeschehen deprimierend sei, obwohl die Technik nahezu perfekt funktioniere. Seiner Einschätzung nach fehle jedoch eine schlüssige Gebäudeintegration. Stattdessen gäbe es oft nur hilflose Applikationen auf Herstellerseite, keinerlei Hinweise auf fallbezogene Gesamtkonzepte, Planung, Konstruktion und Gestaltung. Das thermische Solarpotential zeige jedoch eine nahezu unerschöpfliche Chance zu rasantem Wachstum der Anwendungen. Eine Voraussetzung dazu sei, so Lichtblau, eine entschlossene Neuorientierung: weg von den Katalogprodukten, hin zur individuellen Planungsbeteiligung und kooperativen (Vor-) Fertigung solarer Gebäudehüllen.