19.06.2020
Uff, der Deckel ist weg: eine Stellungnahme
Ein große Erleichterung für die Branche: Der 52 GW-Solardeckel ist abgeschafft. Zumindest hat das der Deutsche Bundestag gestern Abend beschlossen, jetzt geht das Gesetz noch durch den Bundesrat und wird dann im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, erst dann ist es endgültig. Aber man kann davon ausgehen, dass das alles jetzt schnell gehen wird und nichts mehr dazwischenkommt. Ein Dank gebührt allen Beteiligten von Verbänden, Firmen, Politik und vielen engagierten Bürgern, die sich dafür eingesetzt haben.
Was bleibt? Ein großer Vertrauensverlust der Branche und vieler PV-Aktiven in die Bundespolitik, die seit vergangenem Jahr versprochen hat, den Deckel abzuschaffen und es dann doch erst in allerletzter Minute getan hat. Was bleibt noch? Die Skepsis, dass bei der neuen EEG-Reform, die im Herbst kommen muss, ähnlich verfahren werden könnte. Aktuell wurden politisch - wider jeder Vernunft – die Technologien, Wind gegen PV, gegeneinander ausgespielt. Nur wenn der Wind „Federn lässt“ gibt’s die Abschaffung bei PV. Wer garantiert uns, dass dieses (jetzt ja erfolgreiche) Vorgehen nicht bei der nächsten EEG-Reform wieder vom Wirtschaftsflügel der Union angewendet wird?
Im Herbst wird es um die Umsetzung der europäischen EE-Richtlinie gehen, um den zukünftigen Umgang mit Prosumern und um Altanlagen, die aus der Förderung fallen und eine Perspektive brauchen. Auch dann wird sich die Branche schon wieder der Politik ausgeliefert sehen - und fordert doch eigentlich nur klare und faire Randbedingungen, um die politisch schon lange beschlossenen Klimaschutzziele verfolgen zu können.
Und es bleibt noch mehr: Die Erkenntnis, dass sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bei der Anhörung im Wirtschaftsausschuss am Montag GEGEN die Abschaffung des Deckels ausgesprochen hat. Begründung: Anlagen können doch auch ohne Förderung der Einspeisung gebaut werden. Gleichzeitig wird betont, dass das Erreichen der Ausbauziele ein jährlicher Zubau von rund 5 GW PV-Leistung bedarf. Ja was denn nun? Ist man so blauäugig, dass ein Anlagenbetreiber sich freuen soll, wenn er ohne Speicher 30 bis 40 % Strom selbst verbrauchen kann und den Rest abregeln oder verschenken soll? Gleiches gilt für die gewerblichen Anlagen, denen ohne Vergütung in den Betriebsferien und an den Wochenenden auch die wirtschaftliche Perspektive fehlen würde. Nebenbei: Genau diese beiden Anlagenklassen haben die Energiewende in Deutschland in den letzten Jahren massiv vorangebracht. Doch die Reaktion auf den DIHK kam schnell: Noch am gleichen Tag waren in sozialen Medien Aufrufe zu lesen, die Solarfirmen und die Unternehmen im Land, die ihren eigenen Strom machen und den Rest vernünftig ins Netz einspeisen wollen, sollten doch einmal bei ihrer IHK vorstellig werden und die Vertretung ihrer Interessen einfordern.
Was bleibt noch? Es bleibt persönlich der Frust, sich so lange mit dieser Selbstverständlichkeit beschäftigt haben zu müssen. Newsmeldungen geschrieben, Briefe an Angeordnete versendet und Folien für Vorträge erstellt. Dazu viel Abstimmung mit anderen Verbänden und viele kleine Aktionen rund um die Deckelabschaffung haben Zeit und Nerven gekostet. Und das nicht nur uns. Und dieser ganze Aufwand für was? Um die Politik davon zu überzeugen, das zu tun, was sie im vergangenen Jahr schon selbst als richtig erkannt hat. Also eigentlich viel Aufwand für nichts. Ich habe seit Jahren kein Problem damit, mich für die Sonnenenergie zu engagieren. Gezwungen zu sein, seine Zeit so einsetzen zu müssen – das frustet. Aber jetzt sollten wir uns erst einmal ein bisschen freuen, denn der Deckel ist weg.
Jörg Sutter
Anmerkung der Redaktion: Der Deutsche Bundestag hat "by the way" heute auch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) verabschiedet. Es diente sozusagen als „Trägergesetz“ und war für das Andocken der 52GW-Deckel-Streichung benötigt worden. Das GEG ist eine ähnlich endlose Geschichte wie der 52 GW-Deckel. Es in dieser Ausgabe der News separat zu thematisieren würde aber zu weit führen und dem Thema sicherlich nicht gerecht werden. Die Frage, weshalb die Verabschiedung von Gesetzen wie diesen sich derart in die Länge zieht, muss dennoch gestellt werden. Vergleicht man dies mit den durchaus einschneidenden Pandemiemaßnahmen, die gefühlt innerhalb von Stunden beschlossen wurden, ist ein solches Vorgehen nur schwer zu vermitteln.
Und noch was: Das Bundeskabinett - nicht der Bunsestag - hat heute den "Entwurf einer Langfristigen Renovierungsstrategie der Bundesregierung" beschlossen. Bei der Langfristigen Renovierungsstrategie (LTRS) handelt es sich um einen Monitoringbericht an die EU-Kommission. Jeder EU-Mitgliedsstaat soll im Rahmen der LTRS einen Fahrplan mit Maßnahmen und innerstaatlich festgelegten messbaren Fortschrittsindikatoren zur Erreichung der langfristigen Klimaziele erstellen und Wege und Anreize zur energetischen Sanierung des nationalen Gebäudebestandes aufzeigen. Die LTRS der Bundesregierung legt als Indikator die „Gesamtenergieeffizienz“ gemäß nationalem Energieeinsparrecht (EnEV) fest. Der zugehörige indikative Meilenstein für das Jahr 2030 beträgt 2.000 PJ. Dies entspricht einer Reduzierung des Verbrauchs nicht Erneuerbarer Energie um rund 55 Prozent gegenüber 2008. Der indikative Meilenstein 2030 für die Gesamtenergieeffizienz ist zielkonform zu den nationalen Beschlüssen zur Klima- und Energiepolitik, wonach der Gebäudesektor in 2030 noch 70 Mio. t CO2 emittieren darf. Zugleich beinhaltet der Bericht eine Zusammenfassung der bereits beschlossenen und derzeit in Beratung befindlichen Maßnahmen der Bundesregierung zum Klimaschutzplan.