17.04.2020
In der Schublade liegen nur alte Rezepte
Wenn es nicht so platt und vorhersehbar wäre, könnte man glauben, die Satiriker des Postillions haben mittlerweile Beraterstatus erlangt. Im Zuge der Rezension in Deutschland, und auch anderswo, werden als Heilmittel wieder einmal die gleichen alten Kamellen ausgepackt. Staatliche Kaufanreize für minder nachgefragte Konsumprodukte sind längst ausgelutscht und werden, trotz abgelaufenem Verfallsdatum, neu etikettiert, wieder angeboten. Die hinlänglich bekannten Nebenwirkungen der als schmackhaft angepriesenen Powerdragees werden bewusst ignoriert, sie belasten ja nicht die Anbieter selbst, sondern nur die Konsumenten, heute und morgen.
Denn allen Ernstes kommt, zeitlich geschickt gewählt, jetzt schon der Vorschlag aufs Tableau, zur Ankurblung der Wirtschaft Autos zu verschrotten und diese durch neue zu ersetzen. Auch wenn die letzte Aktion, im Nachgang der Finanzkrise, noch in schlechter Erinnerung ist - der deutsche Staat spendierte fünf Mrd. € für insgesamt 3,8 Mio. Neuwagen - 2.500 € gab es für jede Karre. In der Summe hatten 27 Mio. Steuerpflichtige zwei Mio. Autokäufern Geld „geschenkt“. In Wahrheit handelte es sich um neugedrucktes Geld. Im Jahr darauf kam, als Folge des vorgezogenen Absatzes, der Einbruch. Dumm nur, dass von dem Förderprogramm, offiziell „Umweltprämie“ genannt, vor allem ausländische Kleinwagen-Anbieter profitierten, die Umwelt mit Nichten. Das Bundesumweltministerium stellte danach fest, auch wenn die neuen Autos schadstoffärmer waren, erfordere die Herstellung dieser angeblich innovativen Fahrzeuge mehr Energie, als beim Betrieb selbst eingespart werde. Ein Auto früher als nötig zu verschrotten, so das Ministerium, war und sei deshalb unsinnig.
Damit die ganze „Förderung“ nicht so zäh wie bei den Elektroautos von statten geht, sollen diesmal auch „innovative Benziner und Dieselfahrzeuge“ gefördert werden. Weshalb die Produktion alter Technologie mit neuen Schläuchen wieder hochgefahren werden soll, ist sicherlich nicht gleich zu verstehen. Die darbende Automobilbranche als Ganze scheint noch nicht so weit, sich umzustellen. Vor allem Teile dieser Branche wollen das auch nicht. Dazu passt dann auch die Forderung, die für 2030 geplanten, eigentlich nicht allzu ambitionierten, neuen CO2-Grenzwerte der Flotten, vollständig abzuschaffen. Die Begründung liest sich wie im Märchenbuch: Die Industrie solle nicht zu sehr belastet werden, da Budgets, die eigentlich für Zukunftsinvestitionen vorgesehen waren, aktuell für die Bewältigung der Coronakrise eingesetzt werden müssten. Kein Wort darüber, dass dann Strafzahlungen an die EU wegen der Überschreitung der CO2-Flottengrenzwerte zu erwarten wären. Man möge die Flottengrenzwerte bitte temporär aussetzen, um die Liquidität der Hersteller zu schonen. Die fehlt aber unter anderem auch deshalb, als dass es man sich durch stures Festhalten an einer unzeitgemäßen und klimaschädlichen Technologie, nicht zuletzt auch mithilfe des bayerisch besetzten Automobil-Ministeriums, schon vor dem Ausbruch der Pandemie und wegen deshalb fälliger Strafzahlungen, selbst in Schieflage gebracht hat.
Dazu passt auch irgendwie, dass es sich für Automobilproduzenten durchaus lohnt Elektrofahrzeuge mit Verlust zu verkaufen, da diese den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte senken. Denn damit wäre es weiterhin möglich, die viel profitableren Wagen mit großen Verbrennungsmotoren abzusetzen. Hinzu kommt, dass ab diesem Jahr 5 % der Fahrzeuge einer Flotte mit dem höchsten CO2-Ausstoß bei der Berechnung des Flottendurchschnitts ausgenommen und Elektroautos momentan noch doppelt gezählt werden Zudem gelten für Hersteller mit einem höheren durchschnittlichen Gewicht ihrer Fahrzeuge zusätzlich weitere Erleichterungen.
Apropos Belastung. Solange sich eine Industrie derart hohe Managergehälter leisten kann, wird es wohl nicht so schlimm um sie stehen können. Diese gerne als Spitzenmanager titulierten Innovationsbremser, müssten deshalb so gut bezahlt werden, da sie sonst abwandern würden. Die Besten dieser Besten müsse man unbedingt halten. Allein wenn diese kurzsichtigen, eigenrenditeorientierten Unternehmenslenker „unsere“ Elite sein sollten, dann muss man wohl Schlimmes befürchten. Denn ist dies das Beste, was wir haben, verwundert wenig. Auch das genau jene immer wieder in Regierungsämtern landen und dort die Geschicke lenken, erklärt leider so manches.
Dazu mal ein Gegenvorschlag: Eine Abwrackprämie sollte nur dann bezahlt werden, wenn kein neues Auto angeschafft wird. Ja, das Kind soll ja auch gar nicht so heißen, der neue Name könnte vielmehr „Innovationsprämie“ lauten. Sie ist im Übrigen leider nur ein Beispiel dessen, was gerade passiert. So hat Glenn Hurowitz von der Umweltkampagnenorganisation Mighty Earth aktuell analysiert, dass viele der größten, umweltverschmutzenden Unternehmen der Welt die Coronavirus-Pandemie zum Anlass genommen haben, neue staatliche Subventionen in Höhe von Milliarden Dollar zu erhalten und gleichzeitig die Umweltbestimmungen zurückgefahren werden. Das dramatische: Dies geschieht auf eine Weise, die die Menschen anfälliger für das Coronavirus macht und die Wahrscheinlichkeit künftiger Pandemien erhöht. Der Bericht von Mighty Earth wurde unter dem Titel "The Coronavirus Climate Profiteers" veröffentlicht. Neben der Automobilindustrie werden dort auch die Fleisch- und Biokraftstoffindustrie, Fluggesellschaften oder auch das illegale Holzfällen genannt.