15.05.2020
Doppelte Dividende statt Rollback: Wege in die Resilienz
Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme, Online! Ein wesentlicher Nährboden aller Solarthermie-Symposien war schon immer der spezielle Veranstaltungsort, das altehrwürdige fränkische Kloster Banz bei Bad Staffelstein. Es war stets mehr als nur Kulisse, sondern vielmehr Petrischale, in der Ideen gereift sind und die solare Wärmewende kultiviert wurde. Das jetzt ausgerechnet die Jubiläumsveranstaltung, das Treffen hatte heuer sein 30jähriges, nicht wie gewohnt hinter den Klostermauern stattfinden konnte, war schon ein klein wenig dramatisch.
Das virtuelle Kloster
Als der Veranstalter Conexio Anfang April durchblicken ließ, dass Symposium zum ursprünglich geplanten Zeitpunkt stattfinden zu lassen, allerdings online, waren viele verständlicherweise skeptisch und stellten sich die Frage, wie so etwas denn funktionieren solle und überhaupt, wie das in einer so kurzen Zeit organisiert werden könne. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Bedenken waren unnötig, das Online-Symposium eine beeindruckende organisatorische Leistung. Das Flair der Veranstaltung konnte, soweit das digital möglich ist, auf die heimischen Bildschirme transferiert werden. Das in ziemlich kurzer Zeit aufgebaute System lies, bis auf das Besuchen des Orgelkonzertes und des Buffets, fast keine Wünsche offen. Über eine zentrale Website, dem Check-In, gelangte man überall hin. Es gab einen Veranstaltungsraum, eine Posterausstellung, eine Fachausstellung, einen Fachpressestand und als i-Tüpfelchen eine Pausenlounge, benannt nach der Maintalterrasse. Die lud zum Chat ein und hatte einen eigenen Zoom-Raum, in dem man sich im Anschluss an die Sessions mit den Referenten und Teilnehmern austauschen konnte, auch unter vier Augen, wenn gewünscht.
Solarthermie wird wachsen, keine Frage
Corona bremst hier und dort, aber nicht überall. Wie hier schon berichtet, gibt es Branchen, die genau jetzt boomen. Damit ist jetzt nicht der Totengräber des Einzelhandels aus den USA gemeint, nein – es ist die Solarwärme die wächst, nicht zuletzt wegen der, glücklicherweise noch vor dem Lockdown in Kraft getretenen, stark überarbeiteten Förderbedingungen. Darüber frohlockte auch Thorsten Herdan, der Leiter Wärme und Effizienz im Bundeswirtschaftsministerium, beim politischen Video-Abend (die Diskussion zum Download). Die Zuwächse innerhalb des Marktanreizprogramms, so seine frohe Botschaft, liegen momentan bei über 100%. Das, die Zahl von 178% macht die Runde, war wahrscheinlich auch beim BMWi so nicht erwartet worden. Dies ist umso erstaunlicher, berücksichtigt man die aktuellen Preise der fossilen Konkurrenz. Das nahm auch der BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig zum Anlass, sich über das lang nicht mehr erlebte Hoch der Branche zu freuen, dies aber nicht ohne die grundlegenden Probleme der Solarwärme zu betonen. Denn auch wenn momentan alles nach solarem Wärmewachstum aussähe, herrschten nach wie vor unfaire Marktbedingungen. Somit sei die Solarthermie nach wie vor kein Geschäftsmodell, ebenso wenig gäbe es ein Ordnungsrecht, das hier helfen könne.
Das ist keine Neuigkeit, aber man sollte nicht übersehen, vergleicht man Solarthermie mit Photovoltaik, dass für die jeweiligen Nutzer völlig unterschiedliche Rahmenbedingungen gelten. Solarstromnutzer musste aufgrund der kostendeckenden Vergütung mit ihrem Strom meist nicht mit konventionellem Strom konkurrieren. Die Solarwärme hingegen musste dagegen schon immer mit einer subventionierten Energie konkurrieren, die sich auch um Folgekosten nicht schert. Dass sie sich trotzdem stetig weiterentwickelt hat und an sich glaubt, spricht für sie. Der lange Atem, so eine der Botschaften des Symposiums, wird sich noch auszahlen. Denn mittelfristig wird die PV geringere CO2-Gutschriften erhalten, ganz im Gegensatz zu Solarthermie. Das könnte eine Trendumkehr bewirken, was im Sinne der Technologieoffenheit durchaus zu begrüßen wäre.
Doppelte Dividende
Wenn also die Solarthermie unter Corona womöglich gar nicht so sehr leiden wird, stellt sich dennoch die Frage, wie wir, speziell unsere Wirtschaft, nach der Krise durchstarten sollten. Dass die Pandemie auch ihr gutes haben könnte, machte Theodor Zillner, vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie aus Wien, deutlich. So formulierte er die Hoffnung, dass es möglich und notwendig, sei eine „doppelte Dividende“ zu erreichen, sprich den Motor, von dem immer wieder gesprochen wird, klimawirksam und konjunkturbelebend anfahren möge. Damit wäre allen geholfen, ein Rollback in alte Muster, also eine Art „Lockin“ wäre dagegen fatal. Gerade die Krise, sollte uns klar machen, dass wir auch gesellschaftlich-wirtschaftlich mehr auf Resilienz achten sollten. Nur wenn wir bei den sicherlich kommenden Konjunkturpaketen auf die richtigen Komponenten setzen, kann das funktionieren.
Keine Flächenkonkurrenz
Die meisten, der ursprünglich geplanten Fachvorträge fanden statt, das Programm war wie immer sehr vielfältig. Beispielsweise gab es Workshops zu PVT-Kollektoren. Nicht zuletzt in Verbindung mit Wärmepumpen kommen diese Hybridkollektoren zu größerer Bedeutung. Dort liefern sie Antriebsenergie und stellen zudem das Wärmereservoir, aus der die Wärmepumpe schöpfen kann. Auch hier zeigt sich, dass Solarthermie und Photovoltaik gut zusammenarbeiten können und keinesfalls immer Konkurrenten sind.
Das macht auch ein Projekt des Schweizer Solarwärmepionier Jenni deutlich. Bei einem Mehrfamilien-Sonnenhaus, wurden beide Technologien parallel eingebaut. Üblicherweise wird der Wärmebedarf vor allem mit Solarthermie gedeckt. Das geschieht mittels großen Kollektorfeldern und im Gebäude integrierten üppigen Pufferspeichern. Um den Großteil der verfügbaren Solarenergie nicht ungenutzt zu lassen, wird nun untersucht, ob die Kombination von Solarthermie und Photovoltaik für eine hundert Prozent solare Wärmeversorgung taugt. Dabei treibt die PV eine Luftwärmepumpe an, die Kollektorfläche wird entsprechend reduziert. Die Wärmepumpe unterstützt somit die Solarthermie über den Winter, den Trinkwarmwasserbedarf kann die reduzierte Kollektorfläche trotzdem locker decken. Interessant: Die Kosten für die Energietechnik steigen durch diese Variante nicht an.
Apropos Sonnenhäuser: Dass deren Bewohner meist sehr zufrieden sind, ist eigentlich nichts Neues. Jetzt hat dies aber auch eine Studie in Österreich bestätigt. Die Zufriedenheit wurde, so ein Fazit, auch nicht dadurch getrübt, wenn die geplanten Solaranteile an der Wärmeversorgung nicht ganz erreicht wurden. Ein interessanter Aspekt der Untersuchung war auch, dass von den 108 untersuchten Häusern 12 Häuser einen solaren Deckungsgrad von mehr als 90 Prozent erzielten und fast die Hälfte mit einer Bauteilaktivierung ausgestattet ist.
Weitere Themen, die im Rahmen dieses Berichts nicht ausführlich dargestellt werden können, waren:
• Geschäftsmodelle (z.B. Bürgerbeteiligung für Solare Nahwärme)
• Gebäudeenergieversorgung (z.B. Kühlen mit PVT-Kollektoren und Wärmepumpe)
• Wärmenetze (z.B. PV-Überschuss-Strom in der solarthermischen Nahwärme
• Solare Prozesswärme (z.B.: Dekarbonisierung in der Automobilindustrie)
• Solare Fassaden (z.B.: Entwicklungen für den Wohnungs- und Industriebau)
• Komponenten (z.B.: Hocheffizienter Vakuum-Luftkollektor)
• Wärmespeicher in Systemen (z.B.: Entwicklungen für Wohnungs- und Industriebau)
Auch die historisch nicht mehr wegzudenkende Posterprämierung fand diesmal virtuell statt. Den 1. Platz erhielt die Hochschule Osnabrück für ein Poster, das in Inhalt und Darstellung von der Jury als sehr gelungen bewertet wurde und ein Projekt darstellt, das eine solarthermische Stallbeheizung mit einer Hackschnitzeltrocknung kombiniert.
Fazit
Auch wenn das Team der Conexio um Bernd Porzelius dieses Jahr das Symposium in einer höchst bemerkenswerten hohen Qualität digital realisiert hat, freuen wir uns alle schon auf nächstes Jahr auf das Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme unter realen Bedingungen im Kloster (27.-29. April 2021). Virtualität ist faszinierend, Realität ist besser!
Matthias Hüttmann