11.10.2019
Holz- und Sonnenkombination vorantreiben
Wie kommt man beim Heizen weg von Öl und Gas? Zum Beispiel mit der „Kombination von Solarthermie und Biomasse“, sagen die Bio- und Holzenergie-Verbände. Und deshalb hatte die Holz-Sonnen-Kombi beim Fachkongress Holzenergie auf der Festung Marienberg Würzburg Ende September sogar ihr eigenes Forum mit diesem Namen.
„Nicht Energiewende: Energiesystemwende wäre der bessere Begriff. Denn wir brauchen die komplette Umstellung auf Erneuerbare Energien“, sagt Professor Harald Thorwarth von der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg.
Dort hat er den Lehrstuhl für Feuerungstechnik inne. Und ihm ist bewusst: „Es geht nicht nur darum, Strom erneuerbar zu erzeugen, sondern auch bei Wärme und Verkehr muss umgestellt werden. Noch basieren 60 Prozent der Energieversorgung auf fossilen Rohstoffen. Darüber wird bisher nicht geredet“, kritisiert er die öffentlichen Meinungsbildner gerade in Politik und Wirtschaft.
Thorwarth sieht die Notwendigkeit, unterschiedliche Energieträger zu kombinieren: „Das sind die Optionen für mehr Klimaschutz.“ Statt sich in eine Diskussion um die Konkurrenz zwischen EE ziehen zu lassen, gelte es „die optimale Kombination je nach Standort zu finden“. Und das sei sehr dringend: „Seit 2010 gibt es in der Erneuerbaren Wärme eine Stagnation“, kritisiert er.
Thomas Pauschinger setzt deshalb gerade bei Wärmenetzen auf „große Solarthermie und Biomasse. Eine ideale Erzeugungs-Kombination“ erkennt der Geschäftsführer von Solites, dem Steinbeis-Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme mit Sitz in Stuttgart darin.
Mit Sonnenwärme über den Sommer, im Winter ergänzt durch Biomasse-Heizung: Vor allem in Deutschlands Süden gibt es schon 35 solcher Wärmenetze, wie Pauschinger zeigt. Und anders als oft behauptet sei „Solarthermie in der Fernwärme ausgereift und marktverfügbar, schafft Deckungsanteile bis 50 Prozent, garantiert stabile Wärmekosten unter 50 €/MWh. Und das vor Einbeziehung der Förderung!“ Aber trotzdem hat sich auch nach Pauschingers Kenntnis die Solarwärme-Nutzung in Quartieren in den letzten 15 Jahren kaum erhöht: Erst für die nächsten Jahre seien relevante Zuwächse für die Wohn-Wärmeversorgung geplant, konkret nennt er sieben Neu-Anlagen.
Vielleicht hängt es daran, dass große Solaranlagen zwar „überall möglich sind, jedoch auch einen hohen Flächenbedarf haben“, wie der Solites-Mann zugibt. Fakt aber sei: Um den Zielwert der Energieeffizienzstrategie Gebäude des Bundeswirtschaftsministeriums BMWi zu erreichen – den hatte das BMWi schon im Jahre 2015 mit „12 TWh Solarthermie in Wärmenetzen, entsprechend 21 GW bzw. 30 Mio. m² im Jahr 2050“ vorgegeben – müssten ab sofort jährlich 1 Mio. m² Sonnenkollektoren zugebaut werden. „Eine Steigerung um Faktor 50!“, wie Thomas Pauschinger vorrechnet.
Deshalb hofft er weiter, dass positive Beispiele Nachahmer finden. „Gerade wird in Ludwigsburg eine Anlage mit 14.000 m² Kollektoren errichtet“, und zwar auf einer ehemaligen Deponie nahe des bestehenden Heizkraftwerks. Bis Ende November soll nach Insider-Informationen die Solaranlage montiert sein (siehe auch DGS-News vom 28.06.19).
In einigen Ländern ist man weiter…
Mit einem Blick nach Dänemark zeigt Pauschinger: Man muss nur wollen, dann wird Solarthermie sogar noch günstiger. Zumal dort gleichzeitig „fossile Energieträger konsequent besteuert“ werden. 1 GW Solarkollektoren sind haben die Dänen bereits in Fernwärmenetzen installiert. Die decken dort 60 Prozent des Bedarfs, hat sogar die IEA bestätigt. Und: „Mit 20 bis 40 Euro/MWh ist Solarthermie in Dänemark ohne Förderung konkurrenzfähig.“
Diese Zahlen seien Argument genug, auch in Deutschland ortsnahe Flächen für Solarthermie einzufordern: „Um das BMWi-Ziel 2050 zu erreichen, sind gerade mal 60 km² notwendig, auf die ganze Bundesrepublik verteilt“, rechnet Thomas Pauschinger vor. „Doch die Erneuerbaren müssen überall als Bittsteller kommen. Für Parkplätze, Gewerbeflächen oder Straßen ist das keine Frage. In diese Diskussion müssen wir gehen!“, fordert er mehr Mut von der gesamten EE-Branche.
Jakob Binder vom AEE Institut für nachhaltige Technologien aus Gleisdorf in Österreich beeindruckt ebenfalls mit der erfolgreichen Integration von Solarthermie in bestehende Holzenergie-Wärmenetze in der Alpenrepublik.
2.600 Biomasse-Heizwerke gebe es bereits. Und bei einem Potenzial von zusätzlich mindestens 70 TWh könnte Biomasse-Energie „bis 2050 eine tragende Säule der Wärmeversorgung“ sein, als Teil eines Erneuerbaren Energiemix, bei dem Solarthermie eine große Rolle spielen müsse. Binder hadert dennoch: „Auf einen Nationalen Energie- und Klimaplan warten wir bis heute.“
Zwei von 15 in Vorstudien berechnete Solarthermie-Integrationsprojekte in Nahwärmenetze werden aktuell umgesetzt, berichtet er aus dem Forschungsprojekt „Interreg Central Europe“ der EU. Für durchschnittlich 43 Euro/MWh könnten Sonnenkollektoren wirtschaftlich Wärme liefern. Dieses Argument müsse besser genutzt werden: Bisher stünden zu oft die hohen Anfangsinvestitionen im Blick der Investoren.
Erfolge im Süden Deutschlands
Georg Stegemann vom Hersteller Viessmann will gar nicht auf Dänemark oder Österreich verweisen: Seine Beispiele für die funktionierende Symbiose von Holzenergie und Solarthermie heißen „Sonnen- und Bioenergiedorf Mengsberg“ in Hessen oder „Nahwärme Moosach“ in Oberbayern. „Bei der aktuellen Förderung gibt es keine bessere Zeit als jetzt, in Solarthermie zu investieren“, ist er überzeugt. „Brennstoffkosten Null, Vollkosten Solarthermie 3,0 bis 3,2 Cent pro Kilowattstunde“, zitiert Stegemann die Wirtschaftlichkeitsberechnung von Mengsberg für die nächsten 25 Jahre. Jedenfalls dann, wenn man die Sonnenwärme nicht überfordert, also damit nur etwa 20 Prozent des Gesamt-Wärmebedarfs erzeugt.
Ein Vergleichspferd
Thomas Pauschinger hat im Übrigen noch einen ganz eindrucksvollen Vergleich parat, wenn in lokalpolitischen Diskussionen der vermeintlich hohe Flächenbedarf der Solarthermie als Gegenargument präsentiert wird: „0,7 Hektar beansprucht jedes Pferd zur Freizeitgestaltung eines Einzelnen.“ Mit gerade mal der vierfachen Fläche versorge das Projekt SolarHeatGrid einen Großteil der Innenstadt von Ludwigsburg emissionsfrei und echt erneuerbar mit Holz- und Sonnenwärme.