08.05.2020
Das (Anti-)Speicherpapier der BNetzA
In den letzten Wochen der Coronastarre in der Öffentlichkeit hat nicht nur das bereits diskutierte „Prosumer-Modell“ den kommentarlosen Weg auf die Website der Bundesnetzagentur (BNetzA) und darüber in die des Bundeswirtschaftsministeriums gefunden. Seit dem 18. März 2020 findet dieses Spiel auch mit einem „Speicherpapier“ statt. Obgleich die BNetzA lediglich eine dem Bundeswirtschaftsministerium untergeordnete Behörde ist, benutzt die Große Koalition sie, um „neue“ politische Positionen in die Welt zu setzen und hoffähig zu machen. Weder im Parlament, den Parteien noch in der Öffentlichkeit und den Medien hat dieser, offenbar mit den fossilen Energieversorgern koordinierte Vorstoß, die erforderliche Resonanz gefunden. Dabei müssten bei den Solarorganisationen und den Solarbetreibern in der Bürgerenergie die Alarmglocken schrillen. Wie schon im „Prosumer-Modell“ wird ein wahrer Dschungel an Regelungen und technischen Fakten aufgetischt, der die Mehrzahl der Betreiber und Prosumer erst einmal wie ein Schlag vor den Kopf trifft. Es braucht eine eingehende Analyse, damit der Zweck des Prosumer-Modells deutlich wird: Dem Eigenverbrauch durch PV-Anlagen soll langfristig die Luft abgedreht werden.
Mit dem Speicherpapier der BNetzA verhält es sich nicht anders, es wirkt gewissermaßen flankierend. Darin wird sehr klar, in welcher Deutlichkeit die Behörde die Rolle der Wachstumsbranche der stationären Batteriespeicher geringschätzt, ja sogar als Bedrohung empfindet und ablehnt. Ohne darauf einzugehen, wird zwischen Heimspeichern und den Batterien von Elektrofahrzeugen unterschieden und ersteren das Potenzial - und im Grunde die Existenzberechtigung - abgesprochen. Diese Technologie werde in der öffentlichen Diskussion „falsch wahrgenommen“ und dürfe „nicht überschätzt“ werden. Denn wolle Deutschland sich aus Batteriespeichern versorgen, wären diese bereits nach „weniger als einer Minute“ leer. Interessant ist, dass der massiven Kritik an dezentralen Heim- und Gewerbespeichern keine Zahlen über das Speicherpotenzial einer elektrischen Fahrzeugflotte gegenübergestellt werden. Volkswagen war bekanntlich viel deutlicher, zwischen 2025 und 2030 werde der Speicherplatz ihrer Flotte (weltweit) auf 1 Terrawattstunde anwachsen und damit genügend Energiespeicher zur Verfügung stellen.
Die Vorsicht der Autoren des Speicherpapiers gegenüber den E-Autospeichern dürfte zum einen in der Dynamik des Marktes begründet sein. Möglicherweise wollen sie sich auch aus dem Streit der Autokonzerne über das wieviel und wann der E-Mobilität heraushalten. Darüber hinaus existiert aber auch noch eine Rechtslage, wonach der Betrieb von Stromspeichern durch Netzbetreiber nur zulässig ist, wenn diese sich nicht im Eigentum der Netzbetreiber befinden. Die Zukunft der ehemaligen Entflechtungsregeln scheint eine unklare Gemengelage, die garantiert keine Baustelle für eine BNetzA darstellt. Stattdessen konzentriert sich das Speicherpapier darauf, dass dezentralen Heimspeichern und einem dezentralen Speichermanagement angesichts ihrer geringen Bedeutung zur Netzstabilisierung keine Sonderrolle und keine Abgabenentlastung zugestanden werden sollte. Diese Haltung widerspricht der in der EU-Richtlinie vorgesehenen Befreiung der Heimspeicher vor einer Doppelbelastung mit Abgaben.
Bei der bilanziellen Betrachtung von Stromspeichern geht man konsequent davon aus, dass die Ladung des Speichers immer mit Netzstrom zu erfolgen habe, auch wenn dieser mit in einer am selben Hausanschluss betriebenen PV-Anlage gekoppelt sei. Wie bei der Argumentation zum Prosumer-Modell führe der Stromspeicher bilanziell nach den Regeln des Strommarktes zu einer Doppelbelieferung des Anschlussnehmers durch den Energielieferanten und zu Kosten durch Regelenergieeinsatz. Das Papier kommt zu dem Schluss: „Für eine Gleichbehandlung („level playing field“) der Stromspeicher mit anderen Stromerzeugungstechnologien müssten die Betreiber der Stromspeicher den Strom, den sie für die Einspeicherung verbrauchen, ebenfalls ohne weitere Vergünstigung am Strommarkt erwerben. Die Speicherbetreiber müssten Netzentgelte, Umlagen, Steuern und Abgaben auf diesen Strom zahlen“. Es ginge nicht an, wenn die Refinanzierung von Heimspeichern durch die Einsparung von Abgaben, insbesondere Netzentgelten, begünstigt würde.
Da die neue einzurichtenden Aggregatoren von der BNetzA und wohl auch vom BMWi so definiert werden, dass sie als Bindeglied zwischen Bilanzkreisverantwortlichem, Stromlieferanten und dem Eigenerzeuger mit einem Einsatz von Regelenergie den Ausgleich der Netze managen, würden für diese neue Form der Professionalisierung nur solche Speicher gebraucht, die „in einer anderen Konstellation rentabel sind“. So scheinbar neutral lässt sich das anvisierte Aus für Bürgerenergie auch formulieren. Als Aggregatoren können, neben den „Newcomern“ au der Automobilindustrie, wohl auch die jetzigen Direktvermarkter angesehen werden, die für große Anlagen als Volleinspeiser arbeiten. Aber diese sind nicht an kleinen Anlagen mit unkalkulierbaren, schwankenden Eigenverbräuchen interessiert. Nur die über das Marktmodell einfließende Energie dürfte als Grünstrom vermarktet werden.
Schaut man in die offiziell für jedermann einsehbaren Daten des Marktstammdatenregisters, kann man relativ mühelos einen Einblick bzw. eine Ahnung davon gewinnen, wie sich die Dynamik der Entwicklung am Heimspeichermarkt gestaltet. Allein die Annahme eines linearen Trends, basierend auf den PV-Installationszahlen bis zum heutigen Tag, lässt ahnen, wie hoch das Wachstum 2020 ausfallen wird, denn die Monate Januar bis April sind nicht der klassische PV-Installationszeitraum. Während das Segment der Speicher zwischen 10 und 30 kWh Kapazität auf niedrigem Niveau linear wächst, kann man im Bereich der durch die EEG-Abgaben zurechtgestutzten Eigenversorger bis 10 kWp Leistung ein exponentielles Wachstum beobachten. Was bereits beim Prosumer-Modell deutlich wurde, gilt hier erst recht: an einer Speicherlösung interessierte Investoren werden sich wohl recht bald vom unbekümmerten Modell der Eigenverbrauchsmaximierung mit Speichereinsatz verabschieden müssen.
Link
Regelungen zu Stromspeichern im deutschen Strommarkt (BNetzA)
Siehe auch:
Prosumermodell mit Aggregatoren – wer füllt diese Lücke? (01.05.20)
Standardlastprofil und kein Ende (24.04.20)
Barometer-Gutachten – Unterbindung der Eigenversorgung (17.04.20)