06.05.2022
Stirbt die kleine Wasserkraft durch „politische Willkür“?
Ein Zustandsbericht von Heinz Wraneschitz
Die Ostereier sind (hoffentlich alle) verspeist. Doch vom so genannten Osterpaket der Bundesregierung hat besonders die Kleinwasserkraftszene immer noch Blähungen. Kurz vor den Feiertagen hat die Rotgrüngelbe Ampel diese geplante erneute Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) öffentlich gemacht. Zum Jahresstart 2023 soll sie in Kraft treten. Das Osterpaket: scheinbar war das Regierungspapier als eine Art Geschenk an Sonnen-, Wind- oder sonstige Erneuerbare-Energien-Erzeuger gedacht.
Und wahrhaftig steckten für viele EE-Bereiche sehr positive Überraschungen darinnen. Auch wenn die DGS eine Reihe von Wünschen dazu geäußert hat. Doch für die kleine Wasserkraft hatten die Koalitionsparteien so etwas wie das Ferrero-Überraschungsei im Paket versteckt. Das Ü-Ei wurde bekanntlich ebenfalls kurz vor Ostern als ungenießbar aus dem Handel genommen. Aber ob auch die Ampelkoalition das im EEG-Entwurf geplante Aus von Kleinwasserkraftwerken wieder aus dem Gesetzestext entfernt wie Ferrero die Eier? Das scheint momentan mehr als fraglich. Auch wenn sich die Länder dafür stark machen.
Und auch wenn der schon angekündigten Fortsetzung, Sommerpaket genannt, ein bisschen Wasser als kühle Erfrischung sicher guttun würde.
Aber kurz vor dem Osterfest dürften sich die Wasserkraftverbände gefühlt haben wie Brutvögel, denen der Kuckuck im unbeobachteten Moment ein falsches Ei ins Nest gelegt hat. Zur „größten EEG-Novelle seit zehn Jahren, blumig als Osterpaket bezeichnet, gab es im März einen Referentenentwurf mit nachfolgender Verbändeanhörung“, zeichnete die Leipziger Fachanwältin Manuela Herms dieser Tage in einer Online-Pressekonferenz (PK) den Weg des EEG-Entwurfs nach. Der zweite Schritt folge am 6. April: Da hatte die Regierung einen nach der Anhörung geänderten Entwurf zur parlamentarischen Beratung an den Bundestag weitergegeben. Darin ganz neu: „Das Förderende für kleine Wasserkraft. Das stand nicht im Referentenentwurf“, erklärte Herms und machte damit die Erschütterung verständlich, die seither bei Betreibern spürbar ist. Und gegen die sich Energieverbände in Bund und Ländern wehren.
Bundesenergieministerium für Umsetzung nicht zuständig?
Die Aufregung scheint begründet, wenn Recht würde, was uns eine Sprecherin des für Energie zuständigen Bundesenergie-, Wirtschafts- und Klimaministeriums (BMWK) bestätigt: „Die Förderung für modernisierte und neue Wasserkraftanlagen bis zu 500 kW wird ausgeschlossen.“ Künftig werde das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) die Stromproduktion aus Wasserkraft mitbestimmen; die sei dann „an die Einhaltung der §§ 33 bis 35 WHG gekoppelt“.
Aber was das konkret heißt? Da verweist das BMWK auf das Bundesumweltministerium (BMUV), das trage die Verantwortung für das WHG. Und das BMUV wiederum schickt uns eine Antwort, die aber auch direkt von einem Anglerverein stammen könnte. Ein Sprecher des BMUV schreibt: „Wasserkraftanlagen stellen insbesondere für Wanderfischarten, für die die Durchgängigkeit von Gewässern für den Arterhalt aber auch für die Wiederansiedlung von wesentlicher Bedeutung ist, häufig ein nahezu unüberwindliches Hindernis dar. Viele Fische erleiden bei der Abwanderung wegen unzureichender Schutzeinrichtungen an den Turbinen schwere äußere und innere Verletzungen, oft mit Todesfolge - sie werden regelrecht „gehäckselt“. Hierbei handelt es sich auch um ein ernst zu nehmendes Tierschutzproblem.“
„Politische Willkür“
Für einen, der sich mit dem EEG-Gesetz aus dem FF auskennt, ist es dagegen schlichtweg „politische Willkür, dass die kleine Wasserkraft ausgeschaltet werden soll“. Hans-Josef Fell aus dem unterfränkischen Hammelburg gilt als einer der Väter des EEG 2000. Er saß damals für die Grünen im Deutschen Bundestag und ist heute Präsident der Energie-Denkfabrik Energy Watch Group.
„Wir haben bewusst die positiven Wirkungen der Wasserkraft erkannt“, springt er den Wassermüllern bei. Heimische, CO2-freie Wasserkraft versorge heute etwa eine Million Menschen; bringe vor allem im Winter, wenn Sonne und Wind schwächeln, die Hauptenergiemengen ins Netz. Die Querverbaue würden vor Hochwasser schützen und für mehr Grundwasser sorgen. Das Netz werde zudem im ländlichen Raum durch viele kleine Generatoren gestützt, argumentierte Fell bei besagter PK. Und außerdem würden Techniken wie Wasserschnecken die Leistung bestehender Anlagen und gleichzeitig die gewünschte Durchgängigkeit erhöhen. „Im Parlamentarischen Verfahren müssen mutige Parlamentarier die Wasserkraftpläne zurückweisen“, setzt er die Hoffnung auf Bundestag, aber auch Bundesrat.
Länder wollen etwas ändern
Mehr Erhalt und Ausbau auch der Kleinwasserkraft fordern im Übrigen auch Landes- und Kommunalpolitiker über Parteigrenzen hinweg. So in Bayern Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) oder Niederbayerns Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich (CSU): „Bundesminister Robert Habeck betont einerseits die Wichtigkeit von Erneuerbare-Energien-Anlagen, andererseits benachteiligt und beschädigt er die Wasserkraft-Branche. Das halte ich für paradox und nicht hinnehmbar“, sagte er kürzlich.
Zumal laut einer brandaktuellen Studie des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL) Wasserkraft sogar die höchste Akzeptanz bei der Bevölkerung unter allen Erneuerbaren Energien genießt.
Bei besagter Wasserkraft-PK dabei war Prof. Martin Maslaton, Energierechtler und Sprecher des Fachausschusses Regenerative Energien (FA-RE) im Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Er ging sogar weiter als die anderen und forderte „in diesem Energie-Tief die temporäre Abschaffung des Verbesserungsgebots im WHG“. Das schreibt die Erhöhung der Durchgängigkeit von Flüssen, also besonders von Querverbauen vor. „Der VDI FA-RE hat das schon vor eineinhalb Jahren einstimmig beschlossen“, so Maslaton. Und: „Das ist für uns eine Grundsatzfrage.“
Dann ließen sich im Übrigen allein in Sachsen etwa 38 Megawatt Zubaupotential an bestehenden Querverbauen realisieren, unterstützte Martin Richter. Am Präsidenten des Wasserkraftverbandes Mitteldeutschland scheint besonders die Begründung zu nagen, Kleinwasserkraft füge Fischen Schaden zu. Diese Betroffenheit war ihm in jener PK am Gründonnerstag deutlich anzumerken. Sein Verband vertritt etwa 200 Mitglieder aus Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt. An den Anlagen, früher oft Mühlen, seien über Jahrhunderte Biotope entstanden. Zudem würden die Rechen am Einlauf „automatisch Mikroplastik verhindern. Der Zivilisationsmüll wird umweltgerecht entsorgt“, so Richter.
In sehr ruhigem Ton sprach er von durch ein Ende der EEG-Förderung „90% betroffenen Kraftwerken. Wir werden ein Anlagensterben sehen, und damit eine Stagnation der Verbesserung der Durchgängigkeit.“ Denn dann komme es zu voraussehbaren Pleiten. Weil viele im Haupterwerb betrieben würden, werde es danach „weder einen Rückbau der Anlagen noch eine ökologische Verbesserung geben“, sagte der Verbandschef voraus. Es werde also genau das Gegenteil dessen eintreten, womit die Bundesregierung ihren Osterpaket-Entwurf gegen Wasserkraftanlagen mit weniger als 500 Kilowatt (kW) Generatorleistung begründet.
Aber dringen die Verbände nicht durch, „dann bedeutet das letztlich das Aus für die kleine Wasserkraft“. Sogar Anwältin Manuela Harms wirkte trotz aller juristischer Abgeklärtheit sehr betroffen.
Mehr dazu auch im VDI-Sonderdruck „Regenerative Energien - Ausbaustand in Deutschland und der Welt“, für VDI-Mitglieder kostenlos hier.