04.09.2020
Für eine Stärkung der Solarenergie und der Bürgerbeteiligung
Eine Vorstellung von Tatiana Abarzúa
„Wir sind hier, wir sind laut, weil der Minister Hürden baut“ rufen etwa dreißig Demonstrierende auf einer Parkfläche gegenüber des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Das Ziel der Protestaktion, zu der mehrere zivilgesellschaftliche Gruppen aufgerufen hatten, ist die Übergabe von Petitionen mit insgesamt über 140.000 Unterschriften an das Ministerium.
Monatelang warteten Branchenvertreter und Umweltschützer auf die Bekanntgabe der vom Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier angekündigten geplanten Änderungen im Gesetz für den Ausbau Erneuerbarer Energien (EEG). Anfang der Woche ist der Referentenentwurf bekannt geworden, den das BMWi erarbeitet und in die Ressortabstimmung weitergeleitet hat. Mehrere Medien berichteten darüber. In einem Interview mit der taz zu dieser geplanten EEG-Novelle räumte Altmaier ein, dass die Regierung in der Klimapolitik „nach dem gescheiterten Klimagipfel von Kopenhagen ein Jahrzehnt verloren“ hat.
Die Aktivisten stehen neben einer symbolischen Photovoltaikanlage und halten Plakate in Form von Sonnen. Ein paar Passanten schauen neugierig, bleiben stehen und hören den Rednern der Kundgebung zu. Die gesammelten über 140.000 Unterschriften beziehen sich auf zwei Petitionen, die das BMWi auffordern, unter anderem höhere Ausbauziele für die Photovoltaik, eine bundesweite Solaranlagenpflicht für Neubauten und bessere Bedingungen für Bürgerenergie umzusetzen. Der Aufruf des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e.V. (SFV) und des Bündnisses Bürgerenergie e.V. (BBEn) lautet: „Wir brauchen jetzt ein Recht auf solare Eigenversorgung! Hausgemachte Energie für alle!“.
Diese Petition fordert unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage für „Strom aus einer Erneuerbaren-Energien-Anlage, der im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit seiner Erzeugung ohne Inanspruchnahme des öffentlichen Netzes verbraucht wird“ (Eigenverbrauch), eine Abschaffung der bisherigen „Maximalgröße von befreiten Solaranlagen (10 kWp Leistung)“, die Einführung einer der individuellen Eigenversorgung gleichgestellten „gemeinschaftlichen Eigenversorgung“ sowie „eine umlagenfreie Eigenversorgung“ für PV-Anlagen, die nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen (oft auch als „Ü20-Anlagen“ umschrieben), und wurde von 105.056 Unterstützern mitgezeichnet. Initiiert hatte sie Volker Quaschning, der Ratsmitglied des BBEn und Mitglied des SFV und der DGS ist. 39.010 Unterschriften erhielt das Umweltinstitut München e.V. für ihren Aufruf zur Beseitigung der Hürden für die Energiewende in Bürgerhand „Lassen Sie die Sonne rein, Herr Altmaier!“. Die Petenten fordern hier beispielsweise „auf jeden Neubau muss eine Solaranlage!“ und schlagen dem Bundesminister Altmaier vor, „Solaranlagen auf allen geeigneten bundeseigenen Gebäuden“ zu errichten.
Rasmus Grube, Campaigner bei der Petitionsplattform weACT von Campact, sagt: „Der EEG-Entwurf liegt vor, wir werden uns einbringen. Wir werden die Stimmen der Zivilgesellschaft, der Bürgerenergie, deutlich machen beim Ministerium.“ Auf Nachfrage erklärt Grube, dass die Petenten eine eigene Petitionsplattform nutzen, weil ihnen diese die Möglichkeit gebe, zu aktuellen Ereignissen Stellung nehmen. Dies sei schneller als über das Portal des Petitionsausschusses, zudem sei der Erfolg von Bundestagspetitionen „minimal“.
Der erste Redner auf der Veranstaltung, Volker Quaschning fordert, die Politik solle Gesetze erlassen, mit denen das 1,5-Grad-Ziel des Klimaschutzabkommens von Paris erreicht wird. Seiner Meinung nach bremse die Bundesregierung den Ausbau von Solarenergie und Windkraft „schon viel zu lange“ aus und lege der Bürgerenergie Steine in den Weg. Dabei seien es die Bürgerinnen und Bürger, „die bisher am meisten in den klimafreundlichen Umbau unserer Energieversorgung investiert haben“, so der Professor der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
Franziska Buch, Mitglied des Vorstands des Umweltinstituts München, sagt: „Das Wirtschaftsministerium will den Ausbau der Solarenergie auf wenig mehr als dem Status quo festschreiben.“ „Ambitionierte Maßnahmen wie eine Besserstellung für den Verbrauch von selbst erzeugtem Solarstrom oder eine Solaranlagenpflicht für alle Neubauten fehlen“, so die Referentin für Energiepolitik. Bundesländer haben das bereits eingeführt (Bremen, Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern); jedoch eine bundesweite Solaranlagenpflicht sei ihrer Meinung nach besser, da dann gleiche Voraussetzungen für alle Neubauten gelten. Buch sagt: „Die Akzeptanz der Energiewende steht auf dem Spiel“. Für Franziska Buch ist der wichtigste Aspekt, der beim Referentenentwurf verbessert werden soll, „die Beteiligung der Bürger“. Darauf basierend stehen die anderen Argumente wie Erhöhung der Ausbauziele, Ermöglichung der Eigenversorgung und der Nutzung von „Mieterstrom“. Sie kritisiert auch, dass eine Umsetzung der EU-Richtlinie bezüglich der Bürgerenergie noch fehle. Damit ist die Vorgabe an die Regierungen der Staaten in der EU gemeint, in ihren nationalen Gesetzgebungen Umlagen und Abgaben auf Eigenverbrauch bei Anlagen bis 30 kW abzuschaffen.
Nach Angaben des BBEn, Organisator der Protestaktion, hatte der Bundeswirtschaftsminister die Anfrage nach einer persönlichen Unterschriftenübergabe abgelehnt. Mitarbeiter des Ministeriums haben die Petitionen entgegen genommen. Der derzeitige Planungsstand ist, dass der Gesetzesentwurf dem Bundeskabinett als Beschlussvorlage für den 23. September vorgelegt wird und zum 1. Januar 2021 in Kraft tritt.