02.08.2019
Speicherfantasien
Wie sind die in Deutschland gesteckten Zukunftsziele für Energieversorgung und Klimaschutz regional und lokal zu erreichen? Eine Energiekonferenz von Nürnberger Ohm-Hochschul-Studierenden hat gezeigt: Die Energie fürs ganze Jahr für die Stadt Schwabach könnte aus einem sogenannten Stülpmembranspeicher im Boden kommen. Die dort eingelagerte Energie, Wärme und Strom, würde wiederum aus Sonne und Wind gewonnen werden. Doch solch zukunftsfähige Wege in die Energiezukunft brauchen mutige Entscheider.
Prof. Matthias Popp von der landläufig „Ohm“ genannten Nürnberger TH schafft es immer wieder, Studierende für seine eigenen Entwicklungen zu begeistern. Eine davon heißt Stülpmembranspeicher (SMSp): ein im Erdreich steckendes Strom-Pumpspeicherkraftwerk, dessen Wasser gleichzeitig die Heizenergie bevorratet. (Bild 1). Ein einziges solches System könnte, richtig ausgelegt, eine ganze Stadt über`s gesamte Jahr mit Wärme und Strom versorgen. Die dafür nötige Energie sollen erneuerbare Quellen liefern, besonders Wind- und Solarkraftwerke. Deren volatile Erzeugungsmengen nimmt der Speicher auf und gibt sie, zeitlich versetzt, im Bedarfsfall wieder ab.
Vor allem zwei Aspekte des SMSp dürfen aber nicht unerwähnt bleiben. Zum einen die Investitionskosten: Je nach Größe der zu versorgenden Kommune können das auch mehrere 100 Mio. Euro sein. Und: Wie bekomme ich eine Art überdimensionale Patronenkugel, weit über 100 Meter im Durchmesser und drei- bis viermal so lang, aus dem Erdboden gefräst? Im letzten Semester haben sich vier Studierende in Projekt- und Masterarbeiten mit Details zu Prof. Popps SMSp auseinandergesetzt und für die 40.000-Einwohner-Stadt Schwabach berechnet.
Katharina Will stellte die Fragen: Wie viel Speichervermögen braucht es, damit die Stadt übers ganze Jahr eine regenerative Vollversorgung mit Strom verfügen kann? Sind ein oder mehrere SMSp sinnvoll? Und: Was kostet die Speicherung des Stroms? Katharina Wills Antworten: Der Speicher müsste 2 GWh Strom aufnehmen können. Am preiswertesten wäre es, einen einzigen SMSp zu bauen für 102 Mio. Euro. Dessen Dimension: Kolben-Durchmesser 114 m, Flächenbedarf 18 ha, gespeichertes Wasservolumen 2.500 Kubikmeter. Zum Vergleich: zwei 1-GWh-Speicher würden 180 Mio. Euro, drei mit je 2/3 GWh gar 192 Mio. Euro kosten.
Eva Sickinger hat überlegt, ob und wie die Regenerative Wärme-Vollversorgung in den von Katharina Will errechneten SMSp zu erreichen sei. 455 GWh Wärme wird in Schwabach jedes Jahr verbraucht. Dazu müssten auf den Dachflächen der Stadt zunächst genügend Sonnenkollektoren installiert werden. Die Kapazität des größten SMSp ließe immerhin die Speicherung einer Wärmemenge von 59 GWh zu, die drei kleinen SMSp zusammen gar 72 GWh. Und damit könnten 72 Prozent des Wärmeverbrauchs über den Jahresverlauf gedeckt werden. „Auf 100 Prozent kommt man durch Wärmedämmung“ – am Speicher wie an den Gebäuden, ließ Eva Sickinger durchblicken.
Nicolas Gorzawski befasste sich damit, wie eine „Bodeninjektionsmaschine“ beschaffen sein müsste, um den Untergrund des SMSp zu verfestigen. Denn es walten zwar keine rohen, aber dennoch gewaltige Kräfte in 400 Metern Tiefe am Boden des Speicherkolbens. Außerdem muss verhindert werden, dass Grundwasser in das System eindringt. Gorzawski gelang in seiner Arbeit ein Maschinen-Konzept, das sich leicht automatisieren lässt und sogar im „normalen“ Tiefbau einzusetzen wäre.
Dominic Häuslein zeigte bei der Konferenz Pläne einer „Schlitzschneidemaschine“, die zum Speicherbau unerlässlich ist. Weil der Kolben aus dem Erdreich gesägt werden, der Schlitz aber möglichst gleichmäßig und im Meterbereich bleiben muss, ähnelt Häusleins Schneide-Konstruktion einer Aufreihung Dutzender Kettensägen. Die ermöglichen das Ausschneiden von Erd-Quadern, welche über ein Förderband an die Oberfläche transportiert werden. Der Bachelor of Engineering präsentierte damit seine Masterarbeit einem breiten Fachpublikum und erntete viel Lob.
Bemerkenswert, dass alle Vortragenden ihre Ergebnisse in je knapp zehn Minuten präsentierten. Und alle orientierten sich an den realen in Schwabach herrschenden Energie- und Wetterverhältnissen.
Übrigens hat sich Prof. Popp ein konkretes Ziel gesetzt: Bis zum Jahr 2025 soll in der Europäische Metropolregion Nürnberg ein Prototyp dieses verlustarmen und langlebigen Speichersystems errichtet werden. Die in vielen Projektarbeiten errechneten Strompreise lassen das System wirtschaftlich erscheinen. Und Schwabach wäre offenbar ein geeigneter Test-Standort.
Alle Vorträge der Energiekonferenz sind hier kostenfrei herunterzuladen:
https://opus4.kobv.de/opus4-ohm/solrsearch/index/search/searchtype/series/id/12
Studierende der Fakultät Maschinenbau und Versorgungstechnik der Technischen Hochschule Nürnberg haben den Stülpmembranspeicher am Beispiel der Kreisfreien Stadt Schwabach untersucht. Die Ergebnisse präsentierten sie im Rahmen einer Energiekonferenz. Die wurde unterstützt von den Stadtwerken Schwabach und dem Arbeitskreis für Energie- und Umwelttechnik im VDI Bayern Nord-Ost.