01.07.2022
Anlagenzertifikat Typ B bekommt Übergangszeit
Eine Analyse von Jörg Sutter
Im April hatten wir unser Forderungspapier zu EEG-Änderung überarbeitet und dabei auch auf die Problematik der Verzögerungen bei größeren Anlagen hingewiesen. Hintergrund: Große PV-Anlagen, die an einem Mittelspannungsanschluss angeschlossen werden sollen, benötigen ein Anlagenzertifikat Typ B, wenn am Anschluss 135 kVA überschritten werden. Das kann auch schon bei PV-Anlagen mit z.B. 50 kWp passieren, wenn am Stromanschluss schon ein größeres BHKW einspeist, das zusammen mit der Solaranlage zum Überschreiten der 135 kVA führt. Durch die lange und komplexe Zertifizierung stehen zahlreiche realisierte große PV-Anlagen und dürfen nicht in Betrieb genommen werden.
Wir hatten dann Mitte April um Hinweise zu konkreten Projekten gebeten, die derzeit installiert, aber durch den Engpass bei der Zertifizierung auf Netzanschluss warten müssen. Nochmals vielen Dank für die zahlreichen Rückmeldungen. Wir haben dazu unser Forderungspapier ergänzt und es gezielt an die zuständigen Politiker versendet. Das Problem wurde nicht nur von uns benannt, sondern auch in Stellungnahmen von anderen Verbänden angesprochen.
In unserem DGS-Forderungspapier aus dem April steht folgende Formulierung: „Die Zahl der Zertifizierer ist aktuell zu klein, Wartezeiten im Bereich bis 12 Monate sind unerträglich. In dieser Zeit kann die Anlage fertiggestellt werden, darf aber ohne Zertifikat nicht in Betrieb genommen werden. Hier muss die Anzahl der Zertifizierer erhöht und bundesweit sofort die Möglichkeit einer vorläufigen technischen Inbetriebnahme mit Nachreichung des Zertifikates geschaffen werden.“ Soweit unser formulierter Vorschlag.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat Ende Mai dazu den Referentenentwurf zur NELEV veröffentlicht, mit folgender Anmerkung in den Erläuterungen dazu:
„Ziel der vorliegenden Novellierung der Verordnung zum Nachweis von elektrotechnischen Eigenschaften von Energieanlagen (NELEV) ist es, die Zertifizierung und den Inbetriebnahmeprozess zu beschleunigen. Zu diesem Zweck ermöglicht sie, dass innerhalb eines Übergangszeitraums von 3 Jahren die Stromerzeugungsanlagen schon ans Netz angeschlossen werden dürfen, auch ohne alle notwendigen Nachweise eingereicht zu haben. Hierfür können akkreditierte Zertifizierungsstellen das Anlagenzertifikat unter der Auflage erteilen, dass noch fehlende Nachweise der Erfüllung der technischen Anforderungen innerhalb einer Frist von 18 Monaten nachzureichen sind.“
Und siehe da: Am vergangenen Freitag (24. Juni) wurde die Neufassung des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) im Bundestag in 2. und 3. Lesung verabschiedet. Das Gesetz gibt es derzeit noch nicht als gültiges Gesamtdokument, doch in der Beschlussvorlage, die der Ausschuss für Wirtschaft und Energie dem Parlament vorgelegt hat, wurde nach Protokoll mehrheitlich beschlossen. Darin ist die folgende Passage enthalten, die sich auf eine Ergänzung der „Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis Verordnung“ bezieht.
Nach §2 Absatz 2 (indem die Anlagenzertifikate Typ B und C beschrieben werden), wurde vom Ausschuss die folgende Ergänzung vorgeschlagen:
„(2a) Das Nachweisdokument für Erzeugungsanlagen der Typen B und C im Sinne der Verordnung (EU) 2016/631 besteht mindestens aus einem Anlagenzertifikat und einer Konformitätserklärung. Die Vorlage eines von einer Zertifizierungsstelle nach Absatz 2 ausgestellten Anlagenzertifikats für Erzeugungsanlagen des Typs B gegenüber dem zuständigen Netzbetreiber berechtigt den Betreiber der Erzeugungsanlage zur vorläufigen Inbetriebnahme der Anlage nach Maßgabe des Absatzes 2b. Die Regelungen für Prototypen in den technischen Regeln des in § 49 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Energiewirtschaftsgesetzes bezeichneten Verbandes bleiben unberührt.
(2b) Hat der Betreiber der Erzeugungsanlage eine Zertifizierungsstelle zum Zwecke der Inbetriebnahme einer Erzeugungsanlage des Typs B mit einer maximalen Wirkleistung von bis zu 950 Kilowatt beauftragt, muss diese Zertifizierungsstelle auf Verlangen des Anlagenbetreibers das Anlagenzertifikat unter der Auflage ausstellen, dass der Betreiber der Anlage innerhalb von 18 Monaten ab Inbetriebsetzung der ersten Erzeugungseinheit nach Ausstellung des Anlagenzertifikats die erforderlichen Nachweise vollständig im Sinne des Absatzes 1 einreicht. Das Anlagenzertifikat unter der Auflage nach Satz 1 darf bis einschließlich 31. Dezember 2025 ausgestellt werden und nur, wenn zum Zeitpunkt der Ausstellung entsprechend den allgemeinen technischen Mindestanforderungen nach § 19 Absatz 4 des Energiewirtschaftsgesetzes folgende Anforderungen nachgewiesen sind:
1. gültige Einheitenzertifikate der zertifizierungspflichtigen Erzeugungseinheiten,
2. die mit dem Netzbetreiber vereinbarten Leistungsangaben der Anschluss-Scheinleistung, der Wirkleistung jeweils für Einspeisung und Bezug sowie der installierten Wirkleistung,
3. das Schutzkonzept, bestehend aus übergeordnetem Entkupplungsschutz, Entkupplungsschutz der Erzeugungseinheit, Eigenschutz der Erzeugungseinheit, und die Erfüllung der Vorgaben des Netzbetreibers und
4. das Konzept zur Wirkleistungssteuerung des Netzsicherheitsmanagements und zur Blindleistungsregelung sowie deren Eignung zur Umsetzung der Vorgaben des Netzbetreibers.“
Damit wird die geforderte Lösung – so zumindest meine erste Einschätzung ohne juristische Detailkenntnis – umgesetzt, was ein Grund zur Freude ist. Eine Beauftragung der Zertifizierungsstelle ist Grundlage, das Zertifikat muss dann erstellt werden und innerhalb einer Frist von 18 Monaten müssen die Nachweise nachgereicht werden. Damit könnte es deutlich schneller gehen als bisher.
Jetzt bleiben noch zwei Fragen offen:
a) Wann werden die Änderungen konkret in Kraft treten?
b) Gilt diese Neuregelung auch bei den Projekten, die schon in der "Warteschleife“ hängen und nicht nur für Neuprojekte?
Es bleibt zu hoffen, dass es möglichst rasch geht und die Neuregelung für neue und schon aufgebaute anlagen rasch angewendet werden kann. Zahlreiche Projekte könnten dann abgeschlossen werden, die Errichter und Planer können sich dann neuen Projekten für den weiteren Bau weiterer PV-Anlagen widmen.
Den betroffenen Anlagenbetreibern kann aus meiner Sicht geraten werden, die neue gesetzliche Regelung nochmals genau und schnellstmöglich Kontakt mit Netzbetreiber und Zertifizierer aufzunehmen.
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