10.06.2022
Eine Verdreißigfachung des durchschnittlichen PV-Ausbaus pro Jahr
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Ende April dieses Jahres fand die Auftaktveranstaltung des Berliner Klimabürger:innenrats statt. Seitdem tagen die hundert gelosten Mitglieder des Bürger:innenrates regelmäßig, stellvertretend für die Stadt, um Empfehlungen zur Erreichung der Berliner Klimaziele zu erarbeiten. Sie sind zwischen 17 und 80 Jahren alt und kommen aus allen zwölf Berliner Bezirken. Bei der letzten Sitzung ging es um Klimaschutzmaßnahmen im Bereich Energie. Welcher Ausbau ist beim Solarstrom möglich und wie ist der aktuelle Stand?
Für die Idee eines Klima-Bürger:innenrats, „der sozial gerechte Handlungsempfehlungen und Sofortmaßnahmen für ein klimaneutrales Berlin im Sinne des 1,5° Ziels des Pariser Abkommens entwickelt“, haben sich letztes Jahr viele Klimaaktivist:innen der Initiative „Klimaneustart Berlin“ eingesetzt, auch auf Veranstaltungen wie den Berliner „Klimamontagen“ (die DGS-News berichteten: #Klimamontag: „Wie sieht denn ein Klimaschutzgesetz aus, das Paris-kompatibel ist?“). Das zivilgesellschaftliche Bündnis aus 29 Organisationen und Initiativen für eine Volksinitiative zur Einberufung eines solchen Klimarats konnte mehr als 32.000 Mitzeichnende gewinnen. „Am 6. Mai 2021 stimmte das Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD, Linke und Grüne für die Umsetzung der Forderung“, berichtet die Initiative auf Ihrer Webpräsenz.
In neun Sitzungen zum Bürger:innengutachten
Neuland: Als erstes Bundesland setzt Berlin einen eigenen Klimabürger:innenrat ein. Ende Januar begann die Auslosung der Teilnehmenden. Am 26. April fand die erste Sitzung der zufällig ausgewählten Berliner Bürger:innen statt. Von April bis Juni erarbeitet der Bürger:innenrat in mehreren Sitzungen Handlungsempfehlungen für die Bereiche Mobilität, Gebäude und Energie zur Umsetzung der Klimaziele der Stadt. Da sich die Politik vorgenommen hat, dass Berlin bis spätestens 2045 klimaneutral ist, soll das neue Gremium ermöglichen, notwendige klimapolitische „Maßnahmen auch direkt mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren“, so Klimaschutzsenatorin Bettina Jarasch.
Der Gebäudesektor
Bei der letzten Themensitzung gaben zwei Fachfrauen einen Einblick in aktuelle Energiefragen. Katharina Umpfenbach, Senior Fellow am Ecologic Institut, und Dr. Arwen Colell, Mitglied im Aufsichtsrat von Stromnetz Berlin und Bürgerenergie Berlin, erläuterten Eckdaten zur Strom- und Wärmeversorgung Berlins. Die Hauptstadt importiert 38 % des Strombedarfs (Bezugsjahr 2020), ein für Städte typischer Anteil, so Umpfenbach. Die Referentinnen betonten, dass etwa die Hälfte der Emissionen an Treibhausgasen in Deutschland in Verbindung mit der Nutzung von Gebäuden stehen. In Berlin beruht die Energieversorgung vorwiegend auf der Nutzung fossiler Rohstoffe, und das gelte „vor allem im Wärmebereich“, ergänzen sie. Hier hat sich die Landes- und vor allem die Bundespolitik deutliche Emissionsminderungen zum Ziel gesetzt. Maßnahmen und Initiativen dafür gibt es bisher mehrere: Wärme aus Abwasser gewinnen, mehr Häuser an das Fernwärmenetz anschließen, auf Wärmepumpen umsteigen.
Neue bundesweite Ausbauziele für PV
Das bisherige Ziel der Ampelkoalition für den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland beträgt 200 GW (die DGS-News berichteten). Außerdem soll eine Nutzung von Mieterstrom leichter möglich werden. Laut Umpfenbach habe die EEG-Förderung gut für Einfamilienhäuser und im Gewerbebereich funktioniert. Doch für Mehrfamilienhäuser, und die prägen das Berliner Stadtbild, sind die Mieterstrommodelle „relativ aufwendig“ fasst sie die Situation zusammen.
Solarenergie ist „ganz zentral für Berlin“
Der bisherige Ausbau der Erneuerbaren Energien in Berlin ist minimal: 2 % bei Biomasse und jeweils weniger als 1 % bei Solarenergie und bei Windenergie (siehe Abbildung). Bis 2021 wurden in Berlin etwa 10 MW an Solarstromanlagen pro Jahr installiert. Um hier mehr zu erreichen, hat die Politik eine Solarpflicht für Neubauten in Berlin ab 2023 festgeschrieben und die Einführung eines landesweiten Förderprogramms für Speicher. Da ist noch vieles möglich, denn das ermittelte Potential – das Szenario 2050 – ist groß: 37 % für PV und 3 % für Wind (siehe Abbildung). Das Thema Solarenergie ist „ganz zentral für Berlin“, so Umpfenbach.
Wie können 37 % Solarstrom in der Hauptstadt erreicht werden?
Das Ziel der Landesregierung für die Photovoltaik ist „25 % des Strombedarfs mit Solarenergie zu decken, idealerweise bis 2035“ erläutert sie. Um diese Ausbauraten zu erreichen brauchen wir 4,4 GW an installierter Anlagenleistung, ergänzt sie. Konkret: „Wir müssen da einen enormen Anstieg schaffen, ungefähr eine Verdreißigfachung des durchschnittlichen Ausbaus pro Jahr“. Nach einem Peak um 2035 könnte ein Ausbau von 100 MW pro Jahr bis 2050 folgen (siehe Abbildung).
Wir sind gespannt, welche Maßnahmen der Berliner Klimabürger:innenrat erarbeiten wird. Für den 18. Juni ist eine Abstimmung über alle Empfehlungen – Mobilität, Gebäude und Energie – geplant.
Ausblick
In einer öffentlichen Abschlusssitzung werden die Klimaratsmitglieder das Ergebnis, ein Bürger:innengutachten, der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz überreichen. Neben dem Senat, wird auch das Abgeordnetenhaus die Empfehlungen beraten. Die Abgeordneten haben dann den Auftrag, bei klimapolitischen Entscheidungen „die Empfehlungen des Klimabürger:innenrats ernsthaft [zu] prüfen und angemessen [zu] berücksichtigen“.