20.05.2022
Wo bleibt die Festkörperbatterie?
Eine Beschreibung von Jörg Sutter
Wann können wir in der Breite mit neuen Festkörperbatterien rechnen? Diese Frage haben wir schon vor vier Jahren an dieser Stelle gestellt, es sei auf den damaligen Artikel hier verwiesen. Damals wurde von den deutschen Autoherstellern eine Spanne von 2020 bis 2025 für die Serienreife der neuen Technologie genannt. Tja, bislang ist von einem Serieneinsatz ist nichts zu sehen. Es wird zwar wissenschaftlich geforscht und berichtet – so auch hier: aber eben nicht zum Serieneinsatz.
Betrachten wir das genauer und schauen uns dazu eine Studie an, die in dieser Woche vom Fraunhofer ISI, dem Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung der Fraunhofer-Gesellschaft dazu veröffentlicht wurde. „Solid State Battery Roadmap 2035+“ lautet der Titel, der ja schon darauf hindeutet, dass das kurzfristig wohl nichts wird mit dem breiten Einsatz. Die Entwicklungspotenziale von Feststoffbatterien werden in der Studie mit denen etablierter Lithium-Ionen-Batterien für die kommenden rund 10 Jahre verglichen. Die Roadmap zeigt: Feststoffbatterien haben viel Potenzial, müssen ihre Kommerzialisierbarkeit aber in den kommenden fünf Jahren unter Beweis stellen.
Wie durchsetzen?
Man muss nicht besonders schlau sein, um zu erkennen, dass sich eine neue Batterietechnik nur dann durchsetzen kann, wenn sie handfeste Vorteile bietet, dabei aber nicht gleichzeitig Nachteile mitbringt – denn sonst kann man als Speicher- oder Fahrzeughersteller gleich bei der bestehenden Technik bleiben. Diese gewünschten Vorteile bei der Festkörperbatterie sind von Herstellern von Elektroautos klar benannt: Günstiger soll sie sein, höhere Kapazität und Leistung und vor allem mehr Sicherheit soll sie bieten. Letzteres klingt auch plausibel, denn statt einem flüssigen Elektrolyten soll ein fester oder gelartiger verwendet werden, der ein thermisches Durchgehen und Abbrennen einer Batterie deutlich unwahrscheinlicher macht.
Priorität für den Einsatz
Doch laut Fraunhofer ISI könnte es anders kommen: Denkbar ist, dass neuen Batterien mit Sulfid-Elektrolyten zuerst im Consumer-Bereich (z.B. Laptops, Akku-Werkzeuge) breit in den Markt kommen. Der Hintergrund: Die Tests und Qualitätsanforderungen sind hier weniger streng als im Bereich der Fahrzeugbatterien. Für oxidische Feststoffbatterien schätzt das ISI die Elektroautos als ersten Markt ein und rechnet mit einem ersten Einsatz so um das Jahr 2028.
Die Fahrer von e-Smart oder Nissan Leaf werden hier aber wohl auch erst einmal leer ausgehen: Aufgrund der Kosten gehen auch die Wissenschaftler des ISI davon aus, dass die neue Technik zuerst im Premiumsegment eingeführt wird.
Und die Frage der Schnelligkeit bei der Markteinführung ist selbstverständlich auch abhängig von der Preisentwicklung, und hier legt schon allein durch die Skaleneffekte die klassische Lithium-Ionen-Batterie vor: Die Forscher erwarten hier bis 2035 eine Halbierung der Kosten auf Werte von rund 45 bis 90 Euro pro kWh Kapazität. Die Festkörperbatterie muss also – um sich einen Markt zu erobern – diese Entwicklung weiter unterbieten, sonst wird sie nicht konkurrenzfähig. Doch das kann schwierig werden.
Steigerungen der Parameter
In der Roadmap (Bild) ist auch erkennbar, wie die Leistungsparameter im Laufe der Zeit vermutlich gesteigert werden können, vor allem bei der Energiedichte, die ein zentraler Parameter für Fahrzeugbatterien ist. Dort wird für heute ein Wert von 240 Wh/kg Batteriegewischt angegeben. Erst um das Jahr 2030 werden Werte erwartet, die die Parameter der klassischen Lithium-Ionen-Akkus übertreffen (440 Wh/kg gegenüber 310 bis 350 Wh/kg).
Und ein weiterer zentraler Aspekt: Es sind sehr viele unterschiedliche Konzepte für Festkörperbatterien entwickelt worden, mit unterschiedlichen Elektrolyten, verschiedenem Anoden- und auch Kathodenmaterial. Jede Kombination steht vor technologischen Herausforderungen und niemand kann heute sagen, welche Technik sich vor allem auch in der großtechnischen Produktion bewähren wird. Daher muss derzeit viel Geld investiert werden, um verschiedene Konzepte parallel nach vorne zu bringen. Das macht die Entwicklung nicht einfacher.
Anschaulich zeigt das diese Tabelle aus der Roadmap sind verschiedene Materialien allein für polymere Fest-Elektrolyten (also nur eine der drei Möglichkeiten) dargestellt.
Marktentwicklung bescheiden
Das ISI schätzt für Festkörperbatterien im Jahr 2035 einen Weltmarkt von 40 bis 120 GWh Produktionskapazität, jedoch ist das bis dahin nur rund 1 bis 2 Prozent des Marktvolumens von klassischen Lithium-Ionen-Batterien.
Und es sei noch ergänzt, dass wir in Europa derzeit auch schlecht aufgestellt sind in diesem High-Tech-Bereich: „Obwohl die EU eine gewisse Wettbewerbsfähigkeit in der SSB-Forschung aufweist, liegt sie bei der Patentierung, der Produktentwicklung, den Produktionstechnologien, der Pilotproduktion sowie den Start-up- und Industrieaktivitäten deutlich zurück“, so die Roadmap.
Fazit
Die Roadmap des ISI schätzt so gut es geht die Entwicklung ein und blickt in die Zukunft. Verlässliche Aussagen in die Zukunft sind selbstverständlich immer Prognosen, die auch anders kommen können. Nach aktuellem Stand wird auch die turbulente Entwicklung der Preise für Batterierohstoffe die eine oder andere Entwicklung bremsen oder beschleunigen. Doch gleich morgen brauchen wir noch nicht mit dieser neuen Technologie rechnen.