22.04.2022
Neue Akkutechnologien für morgen und übermorgen
Ein Bericht von Götz Warnke
Ende März fand in Münster die hochkarätig besetzte internationale Batterietagung „Advanced Battery Power“ 2022 statt, die vom Haus der Technik/Essen, vom ISEA Institut, der RWTH Aachen und dem MEET Batterieforschungszentrum Münster ausgerichtet wurde. Eingerahmt vom am Vortag stattfindenden „Batterietag NRW“ und der zeitlich laufenden Vehicle-to-Grid-Tagung, ging es bei den Vorträgen und Präsentationen vor allem um die Herausforderungen, Tendenzen und Zukunftsperspektiven der Batterieforschung bzw. -Produktion. Die Tagung war als Hybridveranstaltung konzipiert, was nicht nur für Spät-Coronazeiten deutliche Vorteile aufwies: es konnten viele interessante Referenten online auftreten, die ansonsten wohl kaum wegen eines Vortrags um die halbe Welt gereist wären. Dadurch konnte die Veranstaltung ein breites, hochinteressantes Themenspektrum bieten. Andererseits waren Vorträge zum einen als Überblicke auf eine breitere Fachöffentlichkeit zugeschnitten, zum anderen aber auch sehr detailliert und von großer fachlicher Tiefe. Daher sollen im Folgenden nur einige Vortragsthemen zur Sprache kommen.
Nach der Begrüßung durch Professor Dr. Martin Winter als dem Münsteraner „Hausherren“ und einigen weiteren Grußworten eröffneten Dr. Arnold Lamm und Markus Hackmann, beide in verschiedenen Unternehmensberatungen zur Mobilität tätig, den Reigen der Vortragenden. Nach einer Einführung über die Tendenzen des internationalen Automobilmarkts (E-Auto-Wachstum, Verbrennerverbote) und des daraus resultierenden weltweiten Batterie-Bedarfs (mehr als 2,5 TWh bis 2030), sowie der (noch) nicht ausreichenden Batterieproduktionskapazitäten für die Hauptmärkte China, Europa und USA, kamen die Vortragenden zu den verschiedenen Zielvorgaben für eine Batterie: Niedrige Kosten, hohe Energiedichte, Schnellladefähigkeit, Lebensdauer, Nachhaltigkeit und Sicherheit, wobei die Ziele „hohe Energiedichte“ und „Sicherheit“ die wichtigsten Punkte sind. Für Lamm und Hackmann werden die Zielvorgaben dabei am besten durch „Solide State Batteries“/Festkörper-Akkus erfüllt. Dabei werden drei verschiedene Typen von Festkörperakkus angeführt: mit organisch-polymer basierten, keramisch-sulfid basierten und keramisch-oxid basierten Elektrolyten. Jeder Typ hat seine besonderen technischen Herausforderungen der Zellentwicklung und -Produktion: Während man sich bei den organisch-polymeren Festkörperakkus bezüglich der Herstellung von Kathoden, Anoden, Seperatoren sowie der Zellenmontage und Batterieformatierung auf produktionstechnisch bekanntem Terrain bewegt, muss für die keramisch-oxiden Festkörperakkus die Produktionstechnik zu Teilen neu entwickelt werden. Jedenfalls sollen die Preise für Solide State Batteries bis 2030 auf 65 bis 70 USD/kWh fallen, was quasi einer Halbierung der heutigen Preise bei gleichzeitiger Leistungssteigerung gleichkäme. Bleibt abzuwarten, ob die künftige Preisentwicklung an den Rohstoff-Märkten das hergibt.
Der Online-Vortrag von Dr. Emmanuelle Lancelle-Beltran, Batterie-Expertin im Stellantis-Konzern, konnte zwar aus technischen Gründen nicht gehalten werden, ist aber dennoch interessant bezüglich der Positionierung großer Autokonzerne: Stellantis möchte die Produktion seiner E-Autos (BEV) von 200.000 im Jahr 2021 auf 5 Millionen bis 2030 steigern. Die Basis dafür soll ein Investment von 30 Milliarden € und die Errichtung von 5 Gigafactories zur Batteriezellfertigung bilden. Diese „Gigafactories“ sollen 2030 eine Speicherkapazität von ca. 150 Gigawattstunden (GWh) für den amerikanischen, und 250 GWh für den europäischen Markt liefern. Die mobile Basis bilden 4 reine BEV-Plattformen mit unterschiedlichen Akkugrößen – und damit Reichweiten: Stellantis Small 37 bis 82 kWh/bei 500 km Reichweite, Medium 87 bis 104 kWh/bei 700 km, Large 101 bis 118 kWh/bei 800 km, und Frame mit 159 bis über 200 kWh/bei 800 km, wobei es sich beim letzten nicht um eine Autoplattform handelt, sondern um einen Batterierahmen, der in verschiedene Fahrzeuge eingebaut werden kann. Für die Umsetzung müssen u.a. die Produktionskosten deutlich sinken (2020 bis 2024: -40%) und die Energiedichten deutlich steigen, wobei Nickel- und Kobalt-freie Zellen auf 400 bis 500 Wattstunden pro Liter und auf Nickel basierte Zellen auf 600 bis 700 Wh/l (ca. 300 Wh/kg) kommen sollen. Wichtig sei zu verstehen, dass es keinen Zelltyp gäbe, der alle Anforderungen gut erfülle. Ebenso wichtig sei, die Nachhaltigkeit im Blick zu behalten; schließlich sei die CO2-Last eines BEV gegenüber einem Verbrenner um 70% höher wegen der Batteriefertigung, wobei davon wiederum 50 % die Kathodenfertigung ausmache. Künftig müsse eine Batteriekreislaufwirtschaft optimal gestaltet werden – mit Einzelkreisläufen wie Reparatur, Remanufacturing (Lebensdauererhöhung), Reuse/Second-Life und materiellem Recycling.
Dr. Henning Kaland vom Hersteller Morrow Batteries AS, der in Südnorwegen eine Gigafactory aufbaut, verwies darauf, dass es ökologisch relevant sei, wo die Zellen gefertigt würden: Norwegen sei wegen des CO2-freien Wasserkraftstroms diesbezüglich eine „gute Adresse“. Kaland sagte, dass das Ziel die Produktion CO2-negativer Batterien bis 2030 sei, was allerdings CCS einschließt. Für seine erste Akkugeneration setzt Morrow Batteries ab 2024 auf Lithium-Eisenphosphat-Akkus und ab 2025 auf NMC-Akkus (Lithium-Ionen-Akku mit Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxiden an der Pluspol-Seite). Die zweite Generation, die ebenfalls schon 2025 starten soll, setzt auf die Kobalt-freien Kathoden der LNMO-Akkus (Hochvolt-Spinelle). Wichtig für eine Batterie zu marktfähigen Preisen seien die Kosten für die Ausgangsstoffe (Metalle) und deren Preisentwicklung: so sei Nickel 67% billiger als Kobalt, und Mangan wiederum 68% günstiger als Nickel; bis 2026 dürfte sich dieses Verhältnis eher noch verschärfen. Bei der Abwägung zwischen Kosten, Nachhaltigkeit und Performance ständen für Morrow Batteries mittelfristig die LNMO-Akkus an erster Stelle. Der Markt dürfte sich nach Kaland bis 2030 deutlich aufteilen zwischen hochpreisigen NMC-Festkörper-Akkus (700 bis 1.000 Wh/l), den LNMO-Akkus im großen mittleren Segment (550 bis 650 Wh/l), und den schon heute verbreiteten LFP-Akkus (350 bis 450 Wh/l) im günstigen Segment.
Dr. Sungrok Bang, Chef der Innovationsabteilung von LG Energy Solution, war aus Südkorea zugeschaltet, und zeichnete die künftige Entwicklung aus der Sicht von LG auf den E-Mobilitätsmarkt. Einige Entwicklungen bis 2025 seien schon absehbar: die Energiedichte der Zellen dürfte bei über 320 Wh/kg bzw. über 750 Wh/l liegen, die NCM-Akkus sollten einen höheren Anteil Nickel enthalten, und die Module würden ein integriertes Temperaturregulierungssystem haben. Zudem würde bei den Akkus eine stärkere Diversifizierung je nach den unterschiedlichen mobilen Nutzungen stattfinden – je nachdem, ob man den Akku in ein Flugzeug oder in einen Schwer-LKW einbauen wolle. Daher plane LG die Einführung von Batterien mit unterschiedlicher Chemie für die nächste Akkugeneration: Da seien erstens Festkörperakkus (Solid State), die sich durch eine schwerere Entflammbarkeit und höhere Energiedichten auszeichneten – 2026 soll es einen Typ auf Polymerbasis mit etwa 600 Wh/l geben. Zweitens einen leichtgewichtigen Lithium-Schwefel-Akku (Anode: Lithium, Kathode: Schwefel-Kohlenstoff-Composite); ein solcher Prototyp mit 410 Wh/kg wurde am 30.08.2020 in einem Stratosphärenflieger mit PV-Modulen getestet. Drittens seien Sulfid-Festkörper mit reinen, d.h. Carbonfreien Siliziumanoden in der Pipeline; sie sollen Energiedichten von 900 Wh/l erreichen. Wann das soweit sein wird, ließ allerdings Dr. Bang offen.
Insgesamt war es eine höchst informative und vielfältige Tagung. Was fehlte? Vielleicht ein Spezialvortrag zu der Entwicklung der neuen Natrium-Ionen-Technik. Aber andererseits soll es ja auch nicht die letzte Batterietagung gewesen sein.