17.07.2020
So geht Lieferkettenüberwachung
Ein Bericht von Heinz Wraneschitz
Am Tag, als in Berlin das deutsche Lieferkettengesetz angekündigt wurde, gründeten in Nürnberg Spielwarenindustrie und zivilgesellschaftliche Gruppen gemeinsam die „Fair Toys Organisation“, kurz FTO. Nach Meinung von Maik Pflaum, einem der Initiatoren, „braucht das Lieferkettengesetz Initiativen wie uns“, um – so der Plan der Bundesregierung - „mehr Fairness in globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten durchzusetzen“.
Es habe „keinen besseren Ort für die FTO-Gründung, für diesen bemerkenswerten Tag gegeben“: Nach dem Start im Spielzeugmuseum Nürnberg, das Karin Falkenberg leitet, werde „die Organisation nun mit viel Leben erfüllt. Denn lachende Kinderaugen in der Werbung sind nur ein Teil der Wahrheit“, erklärt die Museumschefin. Dabei ist sie von Menschen umgeben, die das genauso sehen.
Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) zum Beispiel bekennt: „Als Stadt der Friedens- und Menschenrechte sowie der Spielzeuge schlechthin tragen wir Verantwortung, dass nicht ein anderes Kind für ein Spielzeug leidet, das ich für mein Kind kaufe.“ Denn die Produktion von Spielzeug aller Art finden heute noch unter oft sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen statt. „Wirtschaft darf nicht über Menschenrechten und der Natur stehen“, nennt denn auch der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle (CDU) als Grund für das zeitgleich angekündigte Lieferkettengesetz (LKG). Dessen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BMZ ist eine treibende Kraft für das LKG, gegen das viele Wirtschaftsverbände vorsorglich Sturm laufen. Dabei haben die meisten deren Mitglieder vorher eine freiwillige Vereinbarung schlichtweg nicht mitgetragen.
In Deutschlands – oder zumindest Frankens – Spielwarenbranche scheint sich aber Menschlichkeit und Nachhaltigkeit bei Produktionsverfahren Bahn zu brechen. Ausgehend vom zwei Jahrzehnte existierenden „Nürnberger Bündnis Fair Toys“ hat insbesondere Maik Pflaum seit 2018 intensiv um die Branche geworben. Gerade in spielzeugreichen Franken war er damit erfolgreich.. Während der diesjährigen Spielwarenmesse wurden letzte Weichen gestellt (wir berichteten). Und nun haben sieben „Player“, darunter Zapf, Sigikid oder HABA, und acht zivilgesellschaftliche Gruppen den Verein gegründet. Ganz Vorndran Maik Pflaums „Christliche Initiative Romero e.V.“, dem sogar BMZ-Politiker Barthle ausdrücklich dafür dankt.
Thomas Eichhorn, Vorstand bei der Zapf Creation AG aus Rödental in Oberfranken, sieht denn auch im LKG große Chancen: „Wir brauchen mehr Transparenz. Regelungen machen unser Leben leichter. Ja, es gibt viel zu tun. Aber man muss keine Angst haben, sich dem Thema zu stellen. Denn unsere Branche ist besser als ihr Ruf.“ Das werde sich gerade durch die Arbeit der FTO zeigen – und man werde dies „auch vernünftig kommunizieren“. Denn das Neue bei FTO sei der Multi-Stakeholder-Ansatz, dass also Industrie, Handel und NGOs gemeinsam agierten. Eichhorn stellt zudem heraus: „Wir sind keine Anti-China-Initiative, sondern eine Allgemein-Initiative.“
Die FTO setzt im Übrigen nicht beim Blick auf die Produktion an, sondern „bei menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Wie wird eingekauft? Wie wird geschult? Dann erst kommt die Kontrolle“, erläutert Maik Pflaum. Der hat die Erfahrungen aus der „Fair Wear Organisation“ in FTO eingebracht: Bei der Bekleidungsindustrie haben ursprünglich nur niederländische Firmen mitgemacht. Inzwischen aber sind bei deren Mitgliedern alle Grenzen überwunden. Und darauf setzt Pflaum auch in der Spielzeug-Branche. Ein Start jetzt mit wenigen sei besser, als zu warten, bis (fast) alle bereit seien; da sind sich alle FTO-Beteiligten einig.
Uwe Kekeritz, Grünen-Bundestagsabgeordneter (MdB) und Vize-Vorsitzender im Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, macht der FTO Mut: „Kein Produkt ist unschuldig – viele sind sauber, viele nicht. Deshalb ist das Lieferkettengesetz definitiv notwendig: Freiwilliges führt zu nichts.“ Gerade das Thema Menschenrechte stellt der MdB in den Mittelpunkt: „Sklavenarbeit ist heute noch durchaus üblich. Dabei wird am 4. November die Europäische Menschenrechts-Konvention siebzig Jahre alt. Es kann nicht sein, dass wir Menschenrechte zur Disposition stellen.“ Deshalb kritisiert er auch „das kommende Kompromissgesetz LKG: Kompromisse bei Menschenrechten, Klimaschutz, Energieversorgung darf es eigentlich nicht geben.“
Das Stichwort Lieferkettengesetz greift auch Mike Pflaum noch einmal auf: „Das LKG kreist um die menschlichen Sorgfaltspflichten. Der Gesetzgeber muss sich deshalb mit den Akteuren zusammensetzen. Wir werden dann schon zwei Schritte weiter sein“, also als Partner bereitstehen. Roland Weigert (Freie Wähler), Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium, nannte denn auch bereits in seiner Grußbotschaft „die FTO durch die Einbindung von Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisation und Unternehmen eine äußerst glaubwürdige Kontrollinstanz“. Und das, obwohl dieser „offizielle Startschuss für Sozial- und Umweltstandards im Spielzeug“ (Weigert) gerade erst gefallen ist.
FTO – wie soll die Zertifizierung laufen?
Jürgen Bergmann (Mission Eine Welt):
Monitoring, Verifizierung, Mitarbeiterschulungen, Beschwerdemanagement: Diese vier Punkte müssen die Mitglieder nach zwei Jahren auf den Weg gebracht haben.
Axel Gottstein (Sigikid):
Und mehr Transparenz, die möchte der Verbraucher möchte. Wenn das alles zusammen funktioniert, ist FTO erfolgreich. Ich habe aber überhaupt keine Sorge, dass uns das gelingen wird.
Maik Pflaum (CI Romero):
Wir schauen zuerst auf die Sorgfaltspflichten. Zum Beispiel: Ist das Einhalten von Arbeitnehmerrechten überhaupt möglich? Dazu haben wir Teams vor Ort, die Vertrauen zu Unternehmern und Mitarbeitern aufbauen. Das können die Kirche, Amnesty International, die örtliche Universität sein. Die fragen laufend nach, und die Antworten führen zu Aufgaben bei der Umsetzung. Dann muss wieder nachgehalten werden. Es gibt ein Beschwerdemanagement – die Produktions-Mitarbeiter können sich anonym an eine Beschwerdestelle wenden, die uns das weiterleitet. Dann werden wir die Abstellung einleiten. Ein Zertifikat, das für drei Jahre gilt, kann nicht funktionieren. Wir müssen weg von Momentaufnahmen. Zu den Sorgfaltspflichten gehört im Übrigen auch die Einhaltung von Grundbedürfnislohn: Mindestlohn reicht für eine menschengerechte Lebensführung in vielen Ländern nicht aus.