14.02.2020
E-Auto-Ausblick-2020
Schluss mit den Sprechblasen, Absichtserklärungen und Träumereien – 2020 wird es richtig Ernst für die Autoindustrie, insbesondere für die Hersteller von Fossil-Fahrzeugen. Denn ab diesem Jahr gelten die CO2-Flottengrenzwerte der EU, für deren Nichteinhaltung ab 2021 Strafzahlungen fällig werden. Zwar sind diese Werte nach dem alten, gegenüber Hersteller-Schummeleien freundlichen NEFZ be- bzw. umgerechnet. Der EU-Wert von 95 g CO2/km gilt nur für durchschnittlich schwere Fahrzeuge (ca. 1.400 kg), wobei Konzerne mit einem höheren Durchschnittsgewicht ihrer verkauften Fahrzeuge auch mit mehr (!) CO2-Ausstoss ungeschoren davonkommen. Wohl auch deshalb erscheinen manche im vergangenen Jahr bereits präsentierten E-Autos erst in diesem Jahr auf den Markt. Aber dennoch geraten gerade deutsche Konzerne mit ihren „Dinosaurier-Zuchten“ ganz schön unter Druck. Dazu kommt, dass im Bereich der E-Autos immer mehr Konkurrenz auf den Markt kommt, die es den traditionellen Konzernen erschwert, durch den Verkauf auf diesem Markt ihren Flottenverbrauch zu schönen. Daher ist es interessant zu sehen, welche E-Fahrzeuge dieses Jahr die öffentlichen Straßen unter die Räder nehmen werden.
aCar: First but not least ein elektrischer Kleintransporter, der in diesem Jahr seine Karriere um die Welt antreten kann: Das modular aufgebaute Fahrzeug mit 1.000 kg Zuladung, bis zu 200 km Reichweite und einer 48-Volt-E-Technik wird von der jungen Firma Evum Motors produziert, die aus einem Forschungsprojekt der TU München hervor gegangen ist. Wartungsarm und leicht zu laden, eignet sich das aCar als universeller „Lastesel“, und könnte ein würdiger E-Nachfolger des zweifellos größeren Mercedes Unimog werden – ein weiteres Marktsegment, das die Herren des Sterns aus Untertürkheim mal wieder verschlafen haben.
Aiways U5: Anfang September 2019 sind zwei dieser SUVs werbewirksam die 14.000 km der alten Seidenstraße auf ihren vier Pneus nach Europa gefahren; in diesem Jahr werden sie in größeren Mengen auf der „Neuen Seidenstraße“ per Bahn kommen. Der E-Motor des 5-Sitzers leistet 125 kW, der 65-kWh-Akku soll für 503 km reichen – allerdings nur nach der alten NEFZ-Norm. Dafür bietet der Innenraum alle denkbaren mehr oder minder nützlichen elektronischen Ausstattungsdetails.
Artega Karo: Die Isetta-Version aus der ansonsten eher Sportwagen affinen Delbrücker Autoschmiede kommt seiner „verfeindeten Cousine“ Microlino aus der Schweiz zeitlich deutlich zuvor. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 90 km/h und einer Reichweite von 125 bis 200 km wird man die Karo künftig eher im Bereich der Metropolregionen finden. Mit einer Länge/Breite von jeweils unter 2,50/1,50 Metern spielt sie in der Klasse der japanischen Kei-Cars, und dürfte hier vor allem dem e.Go Konkurrenz machen.
Audi E-tron Sportback und Audi E-tron GT: Die Ingolstädter schicken dieses Jahr wohl gleich zwei Fahrzeuge in das Rennen um die Käufergunst. Ersteres Fahrzeug ist die Coupe-Version des überladen wirkenden SUV Audi E-tron, letzteres ein Sportcoupe, das auf der gemeinsam mit Porsche entwickelten Premium Plattform Electric (PPE) beruht.
BMW iX3: Auch bei BMW ist man offensichtlich zu beSUVen, um mal andere Konzepte auszuprobieren als die nicht nachhaltigen und zukunftsfähigen Straßenmonster. Und so bringt man statt des einstmals fortschrittlichen BMW i3, der wohl über kurz oder lang von den Straßen verschwinden wird, einen namensähnlichen, kleinen SUV heraus, den man als Konzept bereits 2018 auf der Auto China vorgestellt hatte. Na denne ….
Citroën: Frankreichs originelle Automarke wird 2020 100 Jahre alt, und so hat Citroën-Chefin Linda Jackson schon mal angekündigt, gleich 6 neue, elektrifizierte Fahrzeuge auf den Markt bringen zu wollen. Dass dies alles BEVs und keine Hybride sein werden, darf man füglich bezweifeln. Als ziemlich sicher wird in der Branche jedoch angenommen, dass der kleine, auf dem letztjährigen Genfer Salon vorgestellte Citroën Ami One dabei sein wird. Für weitere Überraschungen steht Citroën die neue PSA-Plattform zur Verfügung.
e.GO Life: Bereits im vergangenen Jahr vorgestellt und in Serie gegangen, tröpfelten 2019 Produktion und Auslieferung des agilen City-Stromers wegen verzögerten Straßenfreigaben mehrerer Zulieferkomponenten nur vor sich hin. 2020 soll es richtig losgehen, wobei zuerst einmal noch die Vorbestellungen abgearbeitet werden müssen. Drücken wir den Aachenern die Daumen!
Fiat 500 Electric: Von Fiat „hören hört man nichts“, aber in der Branche pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Anfang März werden die Turiner auf dem Genfer Salon den Fiat 500 Electric auf einer eigenen, neuen Plattform vorstellen. Die spannende Frage bleibt, ob hierbei etwas von dem originellen Centoventi-Konzept auf dem letzten Genfer Salon in die Serie hinüber gerettet werden kann, und ob die eigene Fiat-Plattform im kommenden Verbund mit PSA Bestand haben wird.
Ford Mustang Mach-E: Im Gegensatz zu seinem ursprünglichen Namensgeber ist die E-Version kein Sportcoupé, sondern ein SUV. Bis zu 600 km Reichweite, DC-Schnellladung mit bis zu 150 kW, weniger als 8 Sec. von 0 auf 100 km/h - und Preise ab 46.900 €. Reservieren kann man schon jetzt, das Auto kommt wohl Ende 2020.
Honda e: Hinter der modernen Interpretation eines Retrodesigns mit Bezugnahme auf die Konzernfahrzeuge der 1970er Jahre verbirgt sich ein agiler Kleinwagen (ab 100kW) mit allerlei interessanten Features (Rückkameras statt Außenspiegeln). Allerdings lässt je nach Standpunkt die Reichweite (knapp 220 km mit 35,5- kWh-Akku) oder der Preis (ab rund € 34.000) des kleinen Dreitürers etwas zu wünschen übrig.
Lexus UX 300e: Toyotas Nobelmarke elektrifiziert ihren SUV UX und bringt ihn dieses Jahr in China und Europa auch die Straßen. Die Leistung soll bei 150 kW liegen, der 54,3-kWh-Akku schafft die 400 km Reichweite nur nach dem „Märchenzyklus“ NEFZ.
Mazda MX-30: Erstmals ist auch Mazda elektrisch unterwegs, und, ganz dem Zeitgeist entsprechend, mit einem wenn auch kleinen SUV: der 105-kW-Emotor wird wie beim Honda e von einem 35,5-kWh-Akku gespeist, wobei die Reichweite mit rund 200 km – SUV-Schicksal – noch ca. 20 km hinter den Honda zurück fällt. Dafür ist dann der Preis wieder auf Augenhöhe.
Mercedes: Die Stuttgarter gehen dieses Jahr wohl nicht nur mit dem EQA – einer A-Klasse auf elektrisch – an den Start, sondern auch mit dem Van EQV. Während dem kleinen EQA eine 60-kWh-Batterie für 400 km Reichweite genügen dürfte, braucht der Van satte 90 kWh für die gleiche Strecke. Beim bereits in Produktion befindlichen SUV EQC scheint es Probleme in Form von Lieferengpässen bei den Batteriezellen zu geben.
Mini Cooper SE: Ab dem 28.03. soll er für mindestens 32.500 € beim Händler stehen: der erste vollelektrische Mini. Das vom Äußeren bekannte Fahrzeug wird mit allen Vokabeln der modernen Eitelkeit beworben: inspirierende Individualität, ikonisches Design, urbaner Lebensstil etc. Erst ganz am Ende des Prospekts findet man ganz klein die technischen Daten – und man weiß auch schnell, warum: Der 135kW-starke Motor wird von einem nur 32,6 kWh großen Akku versorgt, der allerdings dem Wagen eine Reichweite von bis zu 270 km verleihen soll – nach der (Schwindel-)NEFZ-Norm. Willkommen im Märchenland!
Nissan Ariya: Nissan, einst mit dem Leaf Vorreiter der Elektromobilität, hat in den vergangenen Jahren in diesem Bereich kein überbordendes Engagement gezeigt. Im vergangenen Oktober zeigt dann der japanische Konzern auf der Tokyo Motor Show sein Konzept Ariya. Dieser SUV ist ein deutlicher Nachfahre der IMx Konzepts von der Tokyo Motor Show 2017, sieht aber sehr viel seriennäher aus. Spät in diesem Jahr dürfte er noch deutschen Asphalt sehen.
Opel: Die Rüsselsheimer haben jetzt die Möglichkeit, auf den Baukasten ihres Mutterkonzerns PSA zurück zu greifen, und davon machen sie reichlich Gebrauch, wie man an der Vielzahl der neuen Modelle sieht: neben dem schon im vergangenen Jahr vorgestellten Corsa-e, der im Frühjahr erscheint, folgt im Sommer dessen Klein-SUV-Version Mocca-e. Beide Fahrzeuge haben einen 50-kWh-Akku und werden damit auf eine realistische Reichweite von 330-360 km kommen. Die Preise werden bei rund 30.000 € beginnen. Doch damit nicht genug: ebenfalls noch in diesem Jahr gehen der Kleintransporter/Van Vivaro-e und der Familienvan Zafira Life-e auf Achse.
Peugeot: Wie das Schwesterunternehmen Opel bedient man sich auch hier aus dem PSA-Baukasten. Nur dass die Fahrzeuge hier Peugeot e-208 und als Klein-SUV e-2008 heißen. Und die anderen Pendants zu Opel, e-Expert und e-Traveller, werden wohl in der 2. Jahreshälfte in den Verkaufsräumen stehen.
Polestar 2: Als zweites Fahrzeug und zugleich erstes E-Auto der Tochter des chinesischen Konzerns Geely präsentiert sich die 5-türige Fließheck-Limousine als künftiger Sparringspartner für den Tesla 3. Je ein Elektromotor an der Vorder- und Hinterachse mit zusammen 300 kW und eine Beschleunigung von 4,7 Sek. von 0 -100 km/h lassen manchen Interessenten schon mal im Geiste Strom geben – bevor ihn dann der Preis aus der Kurve trägt: 57.000 € - wahrhaft teslawürdig. Da helfen dann keine 470 km Reichweite und keine vegane Innenausstattung mehr.
Porsche: Die Zuffenhausener entlassen ihre Modelle der im vergangenen Jahr vorgestellten fünftürigen Sportlimousine Taycan in die Republik und zu den Kunden, bzw. zumindest zu solchen, die mehr als 100.000 Euro übrig haben, und denen Schnelligkeit vor SUV-Protzigkeit geht. Im Herbst folgt sogar mit dem Porsche Taycan Cross Turismo ein Kombi.
Seat: Mit dem Seat Mii Electric, dem Skoda Citigo e iV und dem VW E-Up hat es der VW-Konzern endlich geschafft, seine drei auf einer Plattform basierenden Kleinwagen unter die Leute zu bringen – längst angekündigt und vorgestellt waren sie ja bereits im vergangenen Jahr. Dazu gesellt sich der Seat el-Born, quasi das spanische Gegenstück zum neuen VW ID.3, das eine Reichweite von 420 km erzielen soll.
Skoda: Neben dem o.a. Skoda Citigo e iV bringt Skoda mit dem Enyaq einen rein elektrischen SUV heraus, der ebenso wie die Kompaktwagen Seat el-Born und VW ID.3 auf dem konzerneigenen Modularen Elektrifizierungs-Baukasten (MEB) basiert. Da der Wagen erst Ende 2020 die Hüllen fallen lassen dürfte, hält Skoda sich mit technischen Daten noch zurück. Äußerlich wird er sich an den auf dem Genfer Salon im vergangenen Jahr gezeigten Vision iV anlehnen.
Sony Vision S: Japans Elektronikriese Sony hat im Januar auf der CES in Las Vegas ein eigenes E-Auto vorgestellt – offiziell, um seine Fortschritte im Bereich der Sensor-, Unterhaltungs- und Kameratechnik für potentielle Kunden zu demonstrieren. Was dabei stutzig macht: Sony hat sich hierzu der Unterstützung von Autozulieferer-Profis wie Magna-Steyr oder Bosch bedient, was für ein einfaches Elektronik-Demofahrzeug, das nie den Asphalt öffentlicher Straßen erblickt, gar nicht notwendig gewesen wäre. Und: der Vision S soll auf einer komplett neuen Elektrofahrzeugplattform ruhen (also so etwas wie der o.a. MEB von VW), was für das angebliche Ziel auch völlig oversized wäre. Schauen wir also, ob uns hier noch eine Überraschung ins Haus steht. Immerhin ist Sony sogar größer als viele japanische Autohersteller wie Mazda, Mitsubishi oder Subaru, und könnte etwa die 50 Millionen €, die Sono Motors mühsam einsammeln musste, aus der „Portokasse“ bezahlen.
Tesla Model Y: Erwartungsgemäß startet das Model Y, das die gleiche Basis wie der Tesla 3 hat. Der kleine SUV wirkt deutlich dynamischer und weniger protzig als man bei dieser Gattung gewohnt ist. Bemerkenswert, dass Tesla statt mit den branchenüblichen Angaben wie Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung mit Ladevolumen (1,9 m³) und Reichweite (505 km) wirbt.
Uniti One: Das erste Auto des Startups Uniti ist ein Stadtwagen mit bis zu 300 km Reichweite für nur rund 18.000 €. Hinter einem stromlinienförmigen Äußeren verbirgt sich ein hoch flexibler Dreisitzer, dessen in der Mitte positionierter Fahrersitz an das Konzept von Teslas LKW Semi erinnert. Sollte der kleine Schwede tatsächlich in diesem Jahr auf die Straße kommen, dürfte es für die Mitbewerber im Kleinwagen-Segment sehr anstrengend werden.
Volvo: Die von den Chinesen übernommene schwedische Marke möchte uns in diesem Jahr mit einem E-SUV beglücken: Der XC40 Recharge bietet eine 78 kWh-Batterie für 400 km WLTP-Reichweite, 300 kW Leistung und 1.500 kg Anhängelast, kann also als Zugmaschine dienen.
VW: Die Wolfsburger bringen neben dem E-Up den längst mit Spannung erwarteten ID.3 heraus. Er und seinen Baukasten-Brüder sollen die künftigen Brot-und-Butter-Modelle des Konzerns werden, und diesem den Übergang ins Zeitalter der E-Mobilität ermöglichen. Drei Batteriegrößen (45, 58 oder 77 kWh) verhelfen dem ID.3 zu Reichweiten von 330 bis 550 km, die zwei Motorvarianten von 110 kW bzw. 150 kW erlauben Beschleunigungen von 8,5 Sek. bzw. 7,5 Sek, da das Gewicht aller Fahrzeugvarianten unter 2.000 kg bleibt. Die Preise beginnen ganz knapp unter 30.000 €. Noch in diesem Jahr soll aus dem MEB der SUV ID.Crozz folgen.
Offensichtlich hat VW als einziger der drei deutschen Autokonzerne die Zeichen der Zeit wirklich verstanden.
Götz Warnke