04.10.2019
Der Widerstand gegen die Erdgas-Offensive der GroKo wächst
Am 19.07 2009 hatten die DGS News ein NGO-übergreifendes gemeinsames Positionspapier zum Stopp des Ausbaus der LNG-Infrastruktur und des Fuel Switch veröffentlicht. Daran wird eindeutig gegen den Schwenk von der Kohle zum Erdgas Stellung bezogen. Damals hatten knapp 60 NGOs unterzeichnet und gefordert:
- „Rücknahme der LNG-Pläne und Umwidmung der dafür vorgesehenen öffentlichen Gelder für den Aufbau einer 100%igen Versorgung durch EE – Sonne und Wind
- Schluss mit der Belastung von Mieterstrom und Eigenverbrauch mit der EEG-Umlage. Die EEG-Umlage wurde erfunden, um die Erneuerbaren Energien zu fördern. Es ist absurd, dass die Erneuerbaren Energien ihre Förderung selber bezahlen sollen
- Schluss mit dem Ausschreibungsverfahren für Erneuerbaren-Energien-Anlagen, das kapitalschwächere Bauwillige vom Zubau abhält
- Wir wollen, brauchen und schaffen 100% EE, ökologisch-sozial, gerecht, bürgernah, demokratisch, dezentral und schnellstmöglich! Es ist die welthistorische Aufgabe von uns heuten leben den Menschen!“
Die Initiative ging vom sogenannten Runden Tisch, einem informellen Zusammenschluss der wesentlichsten deutschen Solarorganisationen aus. Inzwischen sind es über 400 Unterzeichner. Daraus ist längst eine breite Debatte über das aktuelle Klimapaket der Bundesregierung entstanden. Es kristallisieren sich als Ergebnis zwei Lager heraus, die sich in ihrer Haltung gegenüber der GroKo unterscheiden: Soll man den offenen Konflikt mit der Regierung suchen oder vermeiden?
Was einmal mit der scheinbar harmlosen These vom Erdgas als Brückentechnologie begann, stellt sich längst als die zentrale Frage pro oder contra Klimaschutz heraus. Am Faktum des massiven Erdgasausbaus im Wärmesektor erscheint das schroffe Bild, wie die Bundesregierung die Erneuerbaren Energien endgültig marginalisieren will. Auch wenn die Massenmedien aktuell die RWE-Propaganda über das Land stülpen, der Energiekonzern wolle größter PV-Anlagenbetreiber Deutschlands werden, stellen die Regierenden die Weichen in die entgegengesetzte Richtung: die CDU hat vor zwei Tagen beschlossen, die EEG-Umlage unter Wahrung des Bestandsschutzes abzuschaffen und damit der Förderung von EEG-Neuanlagen den materiellen Boden zu entziehen (siehe Artikel von Hans-Josef Fell in dieser Ausgabe der DGS-News).
Welche Qualität und welche Eckpunkte die Debatte um Erdgas und LNG innerhalb der Solarbewegung hatte und hat dokumentiert ein Schreiben des Runden Tisches an die Unterzeichner des Positionspapieres. Verfasst haben es Beate Petersen und Christfried Lenz. Es zeigt vor allem, dass es in der Solarbewegung Menschen und Organisationen gibt, die sich dem zerstörerischen Kurs der großen Koalition nicht unterwerfen wollen:
- „LNG stoppen! Öffentliche Gelder besser für Erneuerbare und Speicherausbau!“
Liebe Unterzeichnerinnen und Unterzeichner!
Die Bundesregierung hat vorgelegt, was sie unter „Klimaschutz“ versteht. Die kritischen Stellungnahmen sind Legion und brauchen hier nicht erweitert zu werden. Klaus Oberzig hat in den DGS-News vom 27.09.2019 ein aufschlussreiches Fazit gezogen: "Das Klimapaket der Groko führt direkt ins Erdgaszeitalter“.
Es erhebt sich ganz nüchtern die Frage, ob es im Sinn des Lebenserhalts noch verantwortbar ist, dieser Regierung, die unter Bruch ihres Amtseides („...Schaden von ihm wenden...“) die Weichen in Richtung Abgrund stellt, weiterhin Gefolgschaft zu leisten.
Vieles dürfte jedenfalls dafür sprechen, sich umgehend auf die in der Erneuere-Energien-Richtlinie der EU („Winterpaket“) enthaltenen Befreiungen zu beziehen und so deren bei Umsetzung in deutsches Recht zu befürchtende Deformierung praktisch zu verhindern. Die von der DGS schon lange verbreitete Anregung zu „solarem Ungehorsam“ würde in diesem Kontext die ihr zustehende Wertschätzung und Festigung als Vorbereitung einer notwendigen Gesetzesordnung erfahren. - Hier die von BBEn und BUND erarbeitete Broschüre zum „Winterpaket“ „Europa entfesselt“
Wenn man von den in diversen unterzeichnenden Netzwerken zusammengefassten Einzelorganisationen ausgeht, ist unser Positionspapier inzwischen von über 400 Organisationen, Verbänden, Firmen und Initiativen unterzeichnet worden. Es hat die derzeit ausschlaggebende klima- und energiepolitische Frage aufgegriffen, und es macht Hoffnung, dass so viele Akteure dies ebenso sehen und es daher unterstützt haben.
Hier der aktuelle Stand der Unterzeichnerliste. Sie wird immer wieder aktualisiert.
Wie mit Mail vom 23. Juli angekündigt, haben wir das Papier samt Unterzeichnerliste im Rahmen der DUH-Aktivitäten gegen den Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel auch dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, gesendet. Damit hat es dazu beigetragen, dass die DUH am 22.08.2019 verkünden konnte: "Proteste zeigen Wirkung!" Die Genehmigungsbehörde hatte nämlich umfangreiche Sicherheitsprüfungen veranlasst und war damit dem von der DUH in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten gefolgt, wonach das LNG-Terminal wegen nahem Chemiepark und atomaren Anlagen aus Sicherheitsgründen nicht genehmigungsfähig ist. Der Baubeginn wird nun zunächst erheblich verzögert.
Als weiteres Ziel des Positionspapiers hatten wir mitgeteilt, dass wir "bei den Bundesverbänden BSW, BWE und BEE darauf hin wirken wollen, dass auch diese sich gegen LNG und Kohle-Ersatz durch Erdgas positionieren." Ansprechpartner bei BSW und BWE zeigten persönlich große Sympathie für unsere Position, bezweifelten aber, dass ihre Verbände diese offiziell unterstützen würden. Immerhin hat der BSW die am 13.09.2019 in einer Vorabversion vorgestellte Studie Energiewende im Kontext von Atom- und Kohleausstieg – Perspektiven im Strommarkt bis 2040“ mit initiiert. Diese geht davon aus, dass die durch Atom- und Kohleausstieg bei gleichzeitig wachsendem Strombedarf zu erwartende „Stromlücke“ durch Solar-, Windstrom, Speicherung und Sektorenkopplung geschlossen werden muss. Es wird im Einzelnen ausgeführt, mit welchen Ausbaumaßnahmen dies erreicht wird. Erdgas kommt in dem Konzept nicht vor und findet keine Erwähnung.
Der BEE teilte nach Vorlage des Positionspapiers mit, dass er zu LNG keine Position habe. Daraufhin schrieb Christfried Lenz den Artikel "Bundesverband Erneuerbare Energie hat zu LNG "keine Position", der am 30. August vom pv-magazine veröffentlicht wurde. Am gleichen Tag erschien als Replik von BEE-Präsidentin Simone Peter "Worauf es ankommt: Erneuerbare in allen Sektoren"
Der Vorstand des BBEn sucht weiterhin das Gespräch mit dem BEE.
Eine großartige Untermauerung hat unser Positionspapier durch die am 16.09.2019 erschienene Studie der Energy Watch Group – Thure Traber, Hans-Josef Fell – erhalten: „Erdgas leistet keinen Beitrag zum Klimaschutz – der Umstieg von Kohle und Öl auf Erdgas beschleunigt den Klimawandel durch alarmierende Methanemissionen“. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Umstellung von Kohle und Erdöl auf Erdgas in Kraftwerken und Heizungen den Treibhauseffekt des Energieverbrauchs um rund 40% erhöhen würde.
Es ist zu begrüßen, dass der BSW klar von dem Ersatz der Kohle ausschließlich durch Erneuerbare Energien ausgeht. Es wäre zusätzlich hilfreich, wenn er dies mit einer ebenso klaren Absage an Erdgas und LNG verbinden würde. Denn zusätzlich zu den großen Gasimporten werden in unserem eigenen Land neue Bohrungen nach Gas und Öl niedergebracht. Während auf der politischen Bühne über Klimaschutz geredet wird, werden – vor einer breiteren Öffentlichkeit abgeschirmt - neue Treibhausgasquellen eröffnet.- Diese Schizophrenie muss und kann sehr leicht abgestellt werden, indem durch Änderung des Bundesberggesetzes Neuinvestitionen in die fossile Energie verboten werden. (Eine erhebliche Gesetzesänderung zwecks Verlagerung der LNG-Infrastrukturkosten in die Kundenpreise ging reibungslos durch den Bundestag. - Sollte dies nicht auch für eine klimadienliche Änderung des Berggesetzes möglich sein?)
- In der Diskussion über die CO2-Bepreisung wird i.d.R. nicht beachtet, dass zusätzlich zu allen sonstigen Fragwürdigkeiten die Beschränkung auf CO2 (Methan fällt unter den Tisch) dem Erdgas einen fatalen Marktvorteil verschafft. Von der Bundesregierung ist genau das gewollt. Dies sollte unsererseits herausgestellt und angegriffen werden.
- Wir haben nun vor, im Umkreis des „Runden Tisches“ (informelles Zusammenwirken mehrerer Energiewende-Organisationen) das Positionspapier an weitere Vereinigungen heranzutragen und auch den Kontakt in die Politik zu suchen, um dringend nötige Diskussionen und Beschlüsse – ggf. auch durch öffentliche Termine und Aktionen – anzuregen. Es wäre sehr gut, wenn Sie alle ebenfalls weiter in dieser Richtung tätig bleiben, da sich die Energiewende derzeit an einem Scheideweg befindet. Weitere Unterzeichnungen des Positionspapiers sind weiterhin sehr erwünscht und stärken unsere gemeinsame Arbeit.
Wir wünschen uns allen gegenseitig die Entwicklung von Handlungs- und Aktionsformen, die dem Neuen doch noch zum Durchbruch verhelfen!