27.09.2019
Das Klimapaket der GroKo führt direkt ins Erdgaszeitalter
Das Positionspapier aus dem sogenannten Klimakabinett scheint eine breite Skepsis und Ablehnung hervorgerufen zu haben. Der Grundtenor in vielen Medien, aber auch bei Vertretern der Solar- und Klimabewegung geht dahin, die Festlegungen der GroKo seien nicht ausreichend für den Klimaschutzes. In den meisten Stellungnahmen wird von "Enttäuschung" gesprochen. Das ist eine emotionale Beurteilung. Doch gleichzeitig drängt sich dem Beobachter der Verdacht auf, dass die meisten dieser Stellungnahmen von einer Unkenntnis über die Klima- und Energiepolitik der Bundesregierung geprägt sind. Die meisten haben noch nicht zur Kenntnis genommen, dass diese Regierung einen eindeutigen Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohle entwickelt hat. Unter dem Begriff Fuel Switch sieht er vor, Erdgas als Nachfolger der Kohle auf breiter Front zu etablieren. Dies wird im Klimapaket nicht explizit thematisiert, bildet aber den Rahmen und den Hintergrund, in dem das Paket zu sehen ist.
In den DGS-News ist der Fuel Switch und die Gefahr des Erdgases, im Gegensatz zu den Massenmedien, prominent berichtet und eingeschätzt worden. Das hatte auch Auswirkungen auf andere Solar-, Umwelt- und Klimaschutzorganisationen gezeitigt. Vor wenigen Tagen, am 17. September, hat die Energy Watch Group (EWG) die Kurzstudie "Erdgas beschleunigt den Klimawandel durch alarmierende Methanemissionen" veröffentlicht. Sie bestätigt die in den DGS-News gebrachten Informationen und Einschätzungen wie auch die Kritik an der Bundesregierung.
Hinzu kommt aber noch etwas anderes. Hinter der Enttäuschung über das Klimapaket steckt die Hoffnung die Bundesregierung werde es sich zur Aufgabe machen, den Klimaschutz konsequent anzugehen. Um das richtig einzuordnen müssen wir auf das Jahr 2011 zurückgehen, als Kanzlerin Merkel die bis dahin verteufelte Energiewende "entdeckt" und dem Volk die großen Versprechungen über die "Klimaziele 2020" gemacht hatte. Aber auch auf unserer Seite, in den Solarorganisationen, hatte damals eine Mehrheit begeistert reagiert und die Hoffnung entwickelt, dass "die Merkel" jetzt mit der Macht der Regierung die Energiewende zu einem guten Ende bringen werde. Wie wir alle wissen hat Merkel diesen Erwartungen nicht entsprochen.
Heute im Angesicht des Klimapakets haben wir eine vergleichbare Situation. Die Hoffnungen, die Regierung werde die Klimakrise lösen, poppen spontan wieder auf und führen natürlich sofort zur Enttäuschung, wenn man die von der Bundesregierung vorgelegten Maßnahmen liest. Was darüber gewissermaßen verloren geht, ist der Kontext zur Regierungspolitik. Denn diese legt keine Kurswechsel vor, sondern setzt ihre bisherige Politik ungerührt fort. Der Klimaplan der Bundesregierung sieht nämlich vor, im Wärmebereich die Gas-Brennwerttechnik endgültig durchzusetzen. Es ist natürlich auch so, dass die Formulierungen so gesetzt sind, dass es dem unvoreingenommenen Leser gar nicht auffällt, welche Zielrichtung die Bundesregierung weiterhin verfolgt. Auch wenn dies als politisches Positionspapier der GroKo zu sehen ist, dass noch keine Gesetzescharakter hat, wird darin der Kurs der beiden Parteien fest geklopft. Die Wärmewende soll nicht auf erneuerbaren Wärmetechnologien basieren, sondern auf Erdgas.
Damit wird das Papier zugleich zu einem Frontalangriff auf die Erneuerbaren Energien. Es beinhaltet eine Strategie, mit welcher der Fuel Switch, also die Hinwendung zum Erdgas nach dem Kohleausstieg, erfolgen soll. Dies manifestiert zugleich die Absicht der Regierung, nach der Photovoltaik und der Windenergie den Wärmebereich von Erneuerbaren Energien frei zu halten. Also Solarthermie, Wärmepumpen und andere regenerative Lösungen ebenso zu marginalisieren, wie es bereits bei PV und Wind gelungen ist. Die "Wärmewende" soll aus "klimafreundlichem" Erdgas bestehen, Erneuerbare Energien nur noch die Rolle des grünen Deckmäntelchen spielen.
Versprechungen, die ursprünglichen Klimaziele nun bis 2030 zu erreichen, sind Propaganda und Betrug. Die Bundesregierung folgt dem Kurs der USA und Russlands sowie einem Teil der arabischen Staaten bzw. den dort bestimmenden Energiemonopolen, wonach die neue Energieweltordnung auf Erdgas auszurichten sei. Im Papier über das Klimaschutzpaket wird über all das nicht gesprochen, stattdessen wird dies verbal und mit kleinen Zuwendungen und Zugeständnissen an die Energiewende-Community verschleiert.
Ein Großteil der Medien folgt dem weitgehend widerspruchslos. Die zukünftige Rolle von Erdgas zu verschweigen anstatt dies anzuprangern, zeugt vom Selbstverständnis vieler Medien als Hofberichterstatter. Die Linie, das Paket der GroKo sei nicht ausreichend und die Erwartungen würden enttäuscht, spielt mit dem Glauben, die Regierenden hätte plötzlich ihr Herz für den Klimaschutz entdeckt. Doch was kann als ernsthafter Beleg dafür angesehen werden? Außer veränderten, gewissermaßen aufpolierten Narrativen hat sich nichts geändert.
Die Berichterstattung der DGS-News hat sich bislang nicht von den Manövern der GroKo einlullen lassen noch hat sie drauf verzichtet, den Fuel Switch anzuprangern. Eine Wärmewende muss vor vordringlich alle fossilen Heizungslösungen im Neubau wie in Bestandsgebäuden zügig eliminieren. Dies gilt auch für die fossile Fernwärme. Der Kurs die Fernwärme mit Erdgas "flexibler" und "klimafreundlicher" zu machen, ist ein Irrweg.
Die Klimaschädlichkeit von Erdgas mit seinen vor Kettenemissionen aus Methan verschlimmert die Situation nach einem Kohleausstieg. Das zu den CO2-Emissionen bei der Erdgasverbrennung hinzuzurechnende Methan, wird die Klimagaskonzentration in der Atmosphäre zusätzlich erhöhen. Damit würde das vom Weltklimarat festgelegte, verbleibende Kohlenstoff-Budget von 420 Gigatonnen, bereits im Jahr 2030 aufgebraucht sein, wie die EWG-Studie feststellt. In einer Situation, in der die Politik der Treibhausgaskonzentration einen zusätzlichen Schub zu verpassen bereit ist, erscheint es unangemessen davon zu sprechen, die Maßnahmen seien zu schwach oder nicht ausreichend.
Zieht man den Nebelvorhang beiseite und betrachtet den Standpunkt der Regierung, muss man davon ausgehen, dass diese faktisch gewillt ist, die Klimakrise und deren Verschärfung hinzunehmen. Die bedingungslose Priorisierung eines wirtschaftlichen Wachstums ist eine eindeutige Festlegung, auch wenn mit der sogenannten schwarzen Null versucht wird, dies zu verbergen. Als Alternative zu diesem Klimapaketes gilt die Forderung, alle, aber auch alle Hemmnisse gegenüber den Erneuerbaren Energien umgehend aufzuheben und die Förderprogramme im Energiesektor, zu denen immer noch Kohle und Atom gehören, sofort in Förderungen für die Erneuerbaren Energien umzuwandeln.
EWG Kurzstudie "Erdgas beschleunigt den Klimawandel durch alarmierende Methanemissionen"