19.07.2019
Auch Fraunhofer ISE findet Gefallen am Fuel Switch
Einen „erfreulichen Nebeneffekt dieser rein marktgetriebenen Ereignisse waren deutlich geringere Kohlendioxidemissionen aus der fossilen Stromerzeugung“, mit diesen Worten feiert Prof. Bruno Burger, Schöpfer der Fraunhofer ISE Energy Charts im aktuellen Newsletter seines Instituts den Fuel Switch von der Kohleverstromung hin zum Erdgas. Im Juni 2019 hätten die deutschen fossilen Kraftwerke 33% weniger Kohlendioxid emittiert als im Juni des Vorjahres. Gründe für diesen „dramatischen Rückgang“ seien hauptsächlich die gestiegenen Kosten für CO2-Zertifikate des European Trading Systems (ETS), die niedrigen Börsenstrompreise und ein geringerer Stromverbrauch, so die ISE-Pressemitteilung. Erstaunlich an dieser Jubelarie ist die offene Parteiname eines Solarforschungsinstitutes für die Energiepolitik der Bundesregierung und der internationalen Erdgaskonzerne.
Dem „dramatischen Rückgang“ der CO2-Werte in den deutschen Kraftwerken steht eine Zunahme des Klimagases Methan in der Atmosphäre gegenüber, wie die FAZ Ende Mai 2019 meldete. Von Fraunhofer ISE wird das nicht erwähnt. Hätte man sich statt auf CO2 auf CO2-Äquvalente bezogen, wären die Daten anders ausgefallen. Dazu die FAZ: „Methan ist das nach Kohlenstoffdioxid (CO2) bedeutsamste Treibhausgas und daher mitursächlich für die globale Erwärmung; Wissenschaftler rechnen aus diesem Grund in sogenannten CO2-Äquivalenten, wenn es um die jährlich freigesetzte Menge geht.“ Dass bei einem Fuel Switch von der Kohle hin zu Solar- und Windstrom der „dramatische Rückgang“ ein ganz anderer gewesen wäre, ist bei den Freiburger Solarforschern offenbar in Vergessenheit geraten.
Zum anderen wird mit der Bemerkung von „rein marktwirtschaftlichen Phänomen“ suggeriert, dass es der Markt sei, der dieses Ergebnis zu Stand gebracht habe. Tatsächlich sind die gestiegenen Preise für die CO2-Zertifikate des ETS-Systems das Ergebnis einer bewusst eingeleiteten Politik der Brüsseler EU-Kommission in der Jahresmitte 2018 gewesen. Die EU-Strategen haben dabei in trauter Eintracht mit der großen Linie der globalen Gaskonzerne inklusive der Trump’schen Politik gehandelt. Deren Kennzeichen sind die großen Erdgaspipelines durch die Ostsee und das Schwarze Meer sowie der Ausbau einer LNG-Infrastruktur, um neben russischem Erdgas auch US-Frackinggas in Europa verstromen bzw. in der Wärmeerzeugung verbrennen zu können. Wir hatten bereits in den DGS News vom 11. Januar 2019 dazu geschrieben, dass in den Jahren 2019 bis 2023 die Zahl der in Umlauf befindlichen Zertifikate drastisch verringert werden soll und ein Preis zwischen 35 und 40 Euro pro Tonne CO2 angepeilt sei.
Und wir hatten die Organisation Carbon Tracker zitiert, deren Berechnungen ergaben, dass sich daraus „ein Zertifikats-Defizit im Umfang von insgesamt 1,4 Mrd. Tonnen an CO2-Emissionen“ einstellen würde, das „den Wechsel von der Kohle zu Erdgas gerade in Ländern wie Deutschland, Italien, Spanien und den Niederlanden begünstigen und beschleunigen“ würde. Carbon Tracker bezog sich dabei auch auf Großbritannien, wo „dieser Trend bereits im Herbst 2018 erkennbar gewesen“ sei. Dass Solarforscher gerade nach den politischen Erfahrungen mit der Energiewende in Deutschland das neoliberale Lied von der Allmacht des Marktes singen und die Politik der Gazprom, Eon, Wintershall und Co. beschönigen, erscheint vor diesem Hintergrund als Trauerspiel.
Vollends irre ist dann die Burger’sche Theoriebildung, dies ergebe eine wirksame Kombination mit der „hohen regenerative Stromerzeugung aus Solar und Wind“, die zu „niedrigen Day-Ahead Börsenstrompreisen“ und so zu einer weiteren Reduktion der CO2-Emissionen führe. “Würde die komplette Braunkohle durch Gas ersetzt, so würden die Emissionen um zwei Drittel fallen“. Bliebe nur noch die Frage, warum Menschen in aller Welt für Klimaschutz und Energiewende kämpfen, wenn der Markt und die Konzerne, die diesen beherrschen, das schon richten werden. Und was wird mit dem Methan? Fraunhofer ISE hat schon bessere Zeiten erlebt.
Klaus Oberzig
33% weniger CO2-Emissionen durch Brennstoffwechsel von Kohle auf Gas , Fraunhofer ISE, 16.07.2019
Nach der Kohle zum Gas, DGS News 11.01.2019
Von der Brückentechnologie zur globalen Nummer Eins, DGS-News 15.02.19