29.07.2022
Änderungen von jetzt auf gleich: Reform der Gebäudeförderung
Ein Einblick von Matthias Hüttmann
Letzte Woche hatten wir gerade noch kritisch über die öffentliche Konsultation für ein Konzept zur Umsetzung der 65-Prozent-EE-Vorgabe für neue Heizungen aus den Ministerien BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) und BMWSB (Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen) berichtet, schon gibt es eine neue ministeriale Überraschung zu vermerken. Die Reform der Gebäudeförderung kommt aus dem BMWK, laut Pressemeldung vom 26.07.22 soll sie den „Fokus auf Sanierung und Vereinfachung der Antragstellung durch klarere Zuständigkeiten“ legen. Das Brisante an der Geschichte: Einen Tag später (am 27.07.22) wird das Ganze per sogenannter Änderungsbekanntmachung im Bundesanzeiger veröffentlicht, noch einen Tag später (zum 28.07.22) tritt es in gestufter Reihenfolge in Kraft. Mal ganz abgesehen vom Inhalt der neu aufgestellten Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ist eine solche Überrumpelung für die Branche (Handwerk und Industrie) nicht nachvollziehbar. Der Aufschrei im Maschinenraum der Wärmewende wäre normalerweise auch groß. Da nun aber auf die Schnelle Angebote, Kataloge, Wirtschaftlichkeitsprognosen und vieles mehr von jetzt auf gleich umgeschrieben und aktuelle Dialoge mit Kunden überarbeitet werden müssen, ist es jedoch noch überraschend ruhig.
Weniger für einzelne, mehr für alle
Vor allem stellt die Überarbeitung des BEG eine Rasenmäheraktion dar. Nahezu alle Fördersätze wurden reduziert, einige Förderungen sind komplett gestrichen worden. Da der Schwerpunkt von Seiten des Ministeriums auf der Förderung der energetischen Sanierung liegt, gelten auch bei den entsprechenden KfW-Programmen neue Förderrichtlinien. Die betreffen aber nicht nur den Neubau, auch die Kreditförderung für Einzelmaßnahmen in der Sanierung entfällt. Speziell bei den Fördersätzen der BAFA wurden die Fördersätze abgesenkt, diese "zum Glück aber erst" zum 15.08.22.
Warum das Ganze? Bundesminister Habeck lässt sich wie folgt auf der Website des BMWK zitieren: „In Zukunft bekommt der oder die Einzelne etwas weniger an Förderung als vorher, aber dafür können viele Menschen von den Förderprogrammen profitieren. Das ist in Zeiten von hohen Energiekosten angezeigt. Die allermeisten Menschen leben in älteren Häusern. Jetzt zu sanieren, Fenster auszutauschen, die Gasheizung rauszuwerfen – das hilft, um Kosten zu sparen und geht mit Klimaschutz Hand in Hand: Der Effekt für Energieeinsparung und Klimaschutz liegt bei der energetischen Gebäudesanierung rund um das 4,5-fache höher als im Neubau. Vor dem Hintergrund der haushaltpolitischen Vorgabe ist das eine gute Lösung“
Was aufgestockt wurde, sind die Mittel im Haushalt. Es gibt also mehr zu verteilen. Dass die Gelder zuletzt zu schnell abgerufen wurden, hat zu einem Umdenken geführt. Ob aber die nun geringeren Fördergelder pro Sanierungsprojekt automatisch zu mehr geförderten Projekten, sprich für einen Schub bei der Sanierung führen werden, darauf darf man gespannt sein.
Zu einzelnen Punkten
Das steht im Bundesgesetzblatt - die Ergänzungen (bisherige Förderung) sind ohne Gewähr auf Richtigkeit. Der Autor dieser Zeilen ist weder Energieberater noch Förderexperte.
Die Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) − Einzelmaßnahmen (BEG EM) wird wie folgt geändert:
1. Die Kreditförderung wird gestrichen.
2. Die Höchstgrenze förderfähiger Kosten bei Nichtwohngebäuden nach Nummer 8.3.2 Buchstabe a wird auf maximal 5 Millionen Euro festgelegt.
3. Die Förderung von Gas-Brennwertheizungen („Renewable Ready“) nach Nummer 5.3 Buchstabe b wird gestrichen.
4. Die Förderung von Gas-Hybridheizungen nach Nummer 5.3 Buchstabe c wird gestrichen.
5. Nummer 8.4.1 wird folgendermaßen geändert:
- Für Maßnahmen an der Gebäudehülle, Anlagentechnik außer Heizungen sowie der Optimierung von Heizungen beträgt der Fördersatz 15 %.
- Fördersatz 25 % (bisher 30 %). Die ertragsabhängige Förderung für Solarkollektoranlagen wird gestrichen.
- Für Biomasseheizungen beträgt der Fördersatz 10 % (bisher 35 % bis 45 % + 5 % für Feinstaubfilter).
- Für Erneuerbare Energien-Hybridheizungen (EE-Hybride) ohne Einbindung einer Biomasseheizung beträgt der Fördersatz 25 % (bisher 35 % bis 45 %).
- Für Erneuerbare Energien-Hybridheizungen (EE-Hybride mit Biomasseheizung) mit Einbindung einer Biomasseheizung beträgt der Fördersatz 20 % (bisher 35 % bis 45 % + 5 % für Feinstaubfilter).
- Für Wärmepumpen beträgt der Fördersatz 25 % (bisher 30 % bis 40 %). Für Wärmepumpen wird zusätzlich ein Bonus von 5 Prozentpunkten gewährt, wenn als Wärmequelle Wasser, Erdreich oder Abwasser erschlossen wird.
- Für innovative Heizungstechnik auf Basis Erneuerbarer Energien beträgt der Fördersatz 25 % (bisher 30 % bis 40 %).
- Für Errichtung, Erweiterung und Umbau von Gebäudenetzen beträgt der Fördersatz 25 %.
- Für den Anschluss an ein Gebäude- oder Wärmenetz beträgt der Fördersatz 25 %.
6. Der iSFP-Bonus für Anlagen zur Wärmeerzeugung nach Nummer 5.3 wird gestrichen.
7. Die Austauschprämie für Ölheizungen nach Nummer 5.3 Buchstabe a wird ersetzt durch einen Heizungs-Tausch-Bonus (nicht für Solarkollektoranlagen sowie die Errichtung, Umbau oder Erweiterung eines Gebäudenetzes) mitfolgenden Kriterien und Bedingungen:
- Für den Austausch von funktionstüchtigen Öl-, Kohle- und Nachtspeicherheizungen wird ein Bonus von 10 Prozentpunkten gewährt.
- Für den Austausch von funktionstüchtigen Gasheizungen wird ein Bonus von 10 Prozentpunkten gewährt, wenn deren Inbetriebnahme zum Zeitpunkt der Antragsstellung mindestens 20 Jahre zurückliegt. Für Gasetagenheizungen wird der Bonus unabhängig vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme gewährt.
- Nach dem Austausch darf das Gebäude nicht mehr mit fossilen Brennstoffen im Gebäude oder gebäudenah beheizt werden.
Die Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Gebäude − Wohngebäude (BEG WG) und die Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Gebäude − Nichtwohngebäude (BEG NWG) werden wie folgt geändert:
1. In Nummer 3 werden die folgenden Definitionen ergänzt:
- „Kommunale Antragsteller“: kommunale Gebietskörperschaften, Gemeinde- und Zweckverbände und rechtlich unselbständige Eigenbetriebe von kommunalen Gebietskörperschaften;
- „Worst Performing Building“: Ein Gebäude, das auf Grund des energetischen Sanierungsstandes seiner Bauteilkomponenten zu den energetisch schlechtesten 25 % des deutschen Gebäudebestandes gehört. Genaueres regelt ein Merkblatt.
2. Neubauten werden nur noch als EH/EG 40 NH und in der Kreditvariante gefördert. Der Tilgungszuschuss beträgt 5 %. Ausnahme: Für kommunale Antragsteller werden Neubauten zusätzlich in der Zuschussvariante gefördert. Der Investitionskostenzuschuss beträgt 12,5 %.
3. Beim Neubau von Wohngebäuden wird die Höchstgrenze förderfähiger Kosten gemäß BEG WG Nummer 8 für Kosten nach Nummer 8.2 Buchstabe a auf maximal 120.000 Euro pro Wohneinheit festgelegt.
4. Für Nichtwohngebäude wird die Höchstgrenze förderfähiger Kosten gemäß BEG NWG Nummer 8.3 für Koste nach Nummer 8.2 Buchstabe a und b auf maximal 10 Millionen Euro pro Vorhaben festgelegt.
5. Die Zuschussförderung wird nur noch für kommunale Antragsteller gewährt und im Übrigen gestrichen.
6. Die Förderung von gasbetriebenen Anlagen und den damit einhergehenden Umfeldmaßnahmen wird gestrichen.
7. Ab dem 22. September 2022: Es wird ein Bonus für Worst Performing Buildings in Höhe von 5 Prozentpunkten gewährt, wenn diese auf das Niveau EH/EG 40 oder EH/EG 55 saniert werden. Der Bonus ist kumulierbar mit der EE- oder NH-Klasse.
8. Die Förderung des EH/EG 100 inklusive der EE- und NH-Klasse wird gestrichen.
9. Der iSFP-Bonus wird gestrichen.
10. Die Fördersätze (Tilgungszuschuss) für die Sanierung in Nummer 8.4.2 werden folgendermaßen angepasst:
- EH/EG Denkmal: 5 %
- EH 85: 5 %
- EH/EG 70: 10 %
- EH/EG 55: 15 %
- EG/EG 40: 20 %
11. Es wird eine Zinsverbilligung für die erste Zinsbindungsdauer gewährt. Der Tilgungszuschuss zusammen mit der maximalen Zinsverbilligung entspricht maximal einer Subvention in Höhe der Zuschussförderung für kommunale Antragsteller.
12. Die Fördersätze für die Zuschussförderung für kommunale Antragsteller für die Sanierung in Nummer 8.4.2 werden folgendermaßen angepasst:
- EH/EG Denkmal: 5 %
- EH 85: 5 %
- EH/EG 70: 10 %
- EH/EG 55: 15 %
- EG/EG 40: 20 %
11. Es wird eine Zinsverbilligung für die erste Zinsbindungsdauer gewährt. Der Tilgungszuschuss zusammen mit der maximalen Zinsverbilligung entspricht maximal einer Subvention in Höhe der Zuschussförderung für kommunale Antragsteller.
12. Die Fördersätze für die Zuschussförderung für kommunale Antragsteller für die Sanierung in Nummer 8.4.2 werden folgendermaßen angepasst:
- EH/EG Denkmal: 20 %
- EH 85: 20 %
- EH/EG 70: 25 %
- EH/EG 55: 30 %
- EG/EG 40: 35 %
Diese Bekanntmachung tritt am 28. Juli 2022 in Kraft. Für Anträge, die bis zum Ablauf des 27. Juli 2022 (24 Uhr) eingereicht wurden, sind die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen anzuwenden. Abweichend hiervon können Anträge für die BEG EM Zuschussförderung beim BAFA bis zum Ablauf des 14. August 2022 (24 Uhr) nach den bislang geltenden Bestimmungen (Veröffentlichung vom 16. September 2021, BAnz AT 18.10.2021 B2) gestellt werden, jedoch begrenzt auf einen Antrag pro Antragsteller.
Reaktionen und Fazit
Es ist aktuell noch nicht sicher, ob es von Seiten der DGS, in dem Fall vom DGS Fachausschuss Energieberatung, eine Stellungnahme geben wird. Die klaren Worte, die der GIH, die Interessenvertretung von Energieberaterinnen und -beratern haben verlauten lassen, sind aber allemal bemerkenswert. So schreibt der GIH-Bundesvorsitzende Jürgen Leppig am 27.07.22: „Was plakativ als Fokussierung und Vereinfachung angepriesen wird, ist bei genauerem Hinsehen nichts anderes als ein massives Streichprogramm“. Besonders moniert werden dabei die erneute kurzfristige Änderung der Förderkonditionen, die es Energieberater:innen unmöglich mache, ihren Aufgaben professionell und glaubwürdig nachzukommen. Auch dass die reformierte Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) vor allem auf fossilen Brennstoffen beruhende Technologien aus der Förderung nimmt, passe so gar nicht in die sich zuspitzende Klimakrise und zur Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen. Der GIH befürchtet auch, dass die neuen Konditionen so unattraktiv seien, dass viele Hausbesitzer von geplanten Maßnahmen Abstand nehmen werden. Besonders ärgerlich findet Leppig die Kurzfristigkeit, mit der die Änderungen vorgenommen wurden: „Hausbesitzern werden Pläne spontan über den Haufen geworfen und Energieberater können so nicht professionell und glaubwürdig arbeiten. Beratungsdienstleistungen, die sich anschließend nicht umsetzen lassen, weil sich ständig alles ändert, sind irgendwann nicht mehr vermarktbar.“
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Wir hoffen jetzt mal, dass die Strategie des BMWK aufgeht und es dazu kommt, dass wie es sich das Ministerium wünscht, „möglichst viele Menschen vom Förderprogramm profitieren, damit sie Energiefresser wie alte Fenster, Türen und Gasheizungen austauschen, Häuser und Wohnungen sanieren und so Energiekosten einsparen.“ Denn besser man ist Aktivist als Passivist. Lange genug hatten es die zuständigen Ministerien versäumt aktiv zu werden. Diese jahrzehntelange Stagnation, immer nur das nötige zu tun, in Kombination mit hochgesteckten Zielen, das rächt sich heute. Genau genommen sollten wir aber alle aktiv werden und nicht nur darauf hoffen, dass es finanzielle Anreize für ein notwendiges Tun gibt.
Weitere Stellungnahmen
Bundesingenieurkammer
Bundesverband Erneuerbare Energien
Haupstadtbüro Bioenenergie
Deutscher Energieholz- und Pellet-Verband