22.07.2022
Ich rechne mir die Wärmepumpenwelt wie sie mir gefällt
Eine Analyse von Matthias Hüttmann
Die Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) haben zusammen die öffentliche Konsultation für ein Konzept zur Umsetzung der 65-Prozent-EE-Vorgabe für neue Heizungen eingeleitet. Hintergrund ist die zeitliche Verschärfung der bereits im Koalitionsvertrag vereinbarten Regelung, nach der jede ab 2025 neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden sollte. Aufgrund der aktuellen Lage wurde diese bereits sehr ambitionierte Regelung nun zeitlich nach vorne geschoben. Um die Abhängigkeit von fossilem Erdgas schnell und effektiv zu reduzieren wurde vereinbart, dass diese gesetzliche Regelung bereits ab dem 1. Januar 2024 gelten soll. Die Regierung sieht darin eine entscheidende Vorgabe zur Erreichung der klimapolitischen Ziele im Wärmebereich. Für besagtes Konzept bitten BMWK und BMWSB nun um Stellungnahmen. Den Verbänden, u.a. auch der DGS, wird diesmal tatsächlich Zeit dafür gegeben. Bis zum 22. August dürfen Einreichungen abgegeben werden.
Mit dem Gesetz erkennt die Ampel-Regierung ausdrücklich die Notwendigkeit an, eine Wärmewende als „zentralen Schlüsselbereich für die Erreichung der klimapolitischen Ziele“ und der „Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Energieimporten“ einzuleiten. Denn, so die Ministerien in dem Papier: „Mehr als ein Drittel des gesamten Energiebedarfs in Deutschland brauchen wir zur Deckung unseres Wärmebedarfs in Gebäuden.“ Das ist ein ganz wesentlicher Erkenntnisgewinn der Regierung. Die stellt in dem Konzept auch fest, dass „über 80 Prozent der Wärmenachfrage derzeit durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern gedeckt wird, die zum allergrößten Teil importiert wird“.
So wurden letztes Jahr über 410 TWh Erdgas zur Deckung der Wärmenachfrage in Gebäuden verbrannt, mehr als 40 Prozent des gesamten in Deutschland verbrauchten Erdgases. Das Fatale: Fast jeder zweite deutsche Haushalt heizt mit Erdgas. Bei neu installierten Heizungen beträgt die Quote sogar 70 Prozent. Diese unsägliche Tendenz zur fossilen Heizung war jedoch gewollt. So wurden auch dank eines jahrelang aufrecht gehaltenen Webfehlers der Förderpolitik, besserem Klimaschutz zum Trotz, stets fossile Heizkessel gefördert.
Entscheidend ist nun, welche Maßnahmen eingeleitet werden, um diese klimapolitische wie auch geopolitische Problematik aufzulösen. Im Vorfeld dieser Veröffentlichung geisterte bereits eine Wärmepumpenpflicht sowie ein Erdgasverbot herum. Beides steht jedoch nicht mehr zu Diskussion. Zumindest nicht offiziell.
Ministeriale Lösungswege
Um 65% des Energiebedarfs mit EE zu decken, gibt es zunächst mehrere Möglichkeiten. Unterschieden wird hier nach zwei Varianten.
1. Bei den Erfüllungsoptionen auf einer Ebene kann ein verpflichteter Eigentümer zwischen unterschiedlichen Erfüllungsmöglichkeiten wählen. In dem Papier werden hierzu aufgeführt:
- Anschluss an ein Wärmenetz
- Einbau einer Wärmepumpe mit den Wärmequellen Luft, Erdreich oder Wasser
- Einbau einer Biomasseheizung auf Basis von fester oder flüssiger Biomasse
- Einbau einer Gasheizung unter Nutzung von grünen Gasen
- Einbau einer Hybridheizung
- Einbau einer Stromdirektheizung
In den Fällen, in denen das Warmwasser dezentral über Gas oder Strom unabhängig vom Heizsystem erzeugt wird, gibt es beim Austausch des Wärmeerzeugers zwei weitere Erfüllungsoptionen:
- Ersetzen des dezentralen Warmwassererhitzers auf Basis von Gas oder Strom durch einen neuen elektrischen Warmwassererhitzer
- Zentralisierung der Warmwassererzeugung
2. Bei der Erfüllungsoption mit Stufenverhältnis handelt es sich um ein Zwei-Stufen-Modell, bei dem der verpflichtete Eigentümer in der ersten Stufe frei wählen kann aus:
- Anschluss an ein Wärmenetz
- Einbau einer Wärmepumpe mit den Wärmequellen Luft, Erdreich oder Wasser
- Einbau einer Hybridheizung (elektrische Wärmepumpe mit weiterem Wärmeerzeuger)
- Einbau einer Stromdirektheizung
- Austausch dezentraler Warmwassererzeuger
Sollten Erfüllungsoptionen der ersten Stufe aus technischen oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder zulässig sein, oder wirtschaftlich zu unvertretbar hohen Kosten führen, dann kann die Pflicht auch durch den Einbau von Anlagen mit dem direkten Einsatz dieser drei Technologien erfüllt werden:
- Nachhaltig erzeugtes Biomethan
- Grüner Wasserstoff und dessen Folgeprodukte oder andere grünen Gase
- Nachhaltige feste oder flüssige Biomasse
Bewusste Falschannahmen?
Angesichts der aktuell geplanten Regelungen wird deutlich, auch wenn es so ganz offen nicht ausgesprochen wird: Hier steht der Strom und somit auch die Photovoltaik im Fokus. Denn obwohl die politische Prämisse, sich so schnell wie nur möglich von fossiler Energie unabhängig zu machen, der regenerativen Wärmetechnik Solarthermie eigentlich in die Karten spielen sollte, scheint von vornherein bei der Politik ganz andere Vorstellungen zu geben.
Liest man das Papier ein wenig genauer, ist zu erkennen, welche Technologien präferiert werden. Bei Erfüllungsoptionen auf einer Ebene ist bei „Einbau einer Wärmepumpe mit der Wärmequelle Luft, Erdreich oder Wasser“ zu lesen, dass angenommen wird, dass die von elektrischen Wärmepumpen bereitgestellte Wärme vollständig aus Erneuerbaren Energien stammt. Es ist aber schlichtweg Wunschdenken und fernab der Realität, wenn formuliert wird, dass „der Stromanteil, der aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen wird, über die reguläre Nutzungsdauer einer Wärmepumpe 100 Prozent klimaneutral erzeugt“ wird. Noch abstruser wird es, auch bei Erfüllungsoptionen auf einer Ebene, beim „Einbau einer Hybridheizung“. Bei einer solchen Heizung dürfen maximal 35 Prozent der verbrauchten Wärme mit fossilen Brennstoffen erzeugt werden. Das ist soweit stringent. Die restlichen 65 % müssen aus Erneuerbaren Energien stammen. Wenn dann jedoch zu lesen ist, dass „Zur Vereinfachung und unbürokratischen Umsetzung dieser Vorgabe bei einer Hybridheizung bestehend aus fossilen Gas- oder Ölkesseln in Kombination mit einer elektrischen Wärmepumpe die Einhaltung der 65-Prozent-Pflicht angenommen wird, insofern der Leistungsanteil der Wärmepumpe 30 Prozent oder höher ist“, dann ist das leider eine unlautere Bevorzugung einer Technologie. Eine Wärmepumpe, die gerade mal 30 Prozent der Heizleistung zur Verfügung stellt und diese dann auch nicht annähernd regenerativ erzeugt, leistet per Regierungs-Definition 65 %. Das ist vollkommen willkürlich und diskriminierend.
Solarthermie außen vor?
Leider scheinen große Solarthermische Anlagen kaum in den ministeriellen Überlegungen vorzukommen. Das liegt auch daran, dass sich mit den herkömmlichen Anwendungen der Heizungsbranche die 65%-Hürde nicht überspringen lässt. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern, die neu gebaut oder modernisiert werden, können die Anforderungen zwar auch mit Solarthermie erfüllt werden, bei Mehrfamilienhäusern jedoch nur schwer. Und speziell bei der Sanierung kommt man aufgrund der dort vorherrschenden Wärmeverteilung selbst mit Wärmepumpen nicht weit. Abgesehen davon, dass diese dann zu einer nicht unerheblichen Geräuschentwicklung führen würden. Es wären folglich innerstädtisch lediglich die wenig effizienten Luft-Wasser-Systeme möglich, da in der Regel nicht genügend Fläche vorhanden ist, um die erforderliche Anzahl von Bohrungen für die effizientere Sole-Wasser-Wärmepumpe zu setzen um Erdsonden zu installieren. Die dort meist noch installierten Heizkörper benötigen hohe Vorlauftemperaturen. Das würde den Strombedarf der Wärmepumpen (WP) in die Höhe treiben. Auch sollte man bedenken, dass ein blindes Beharren auf der 65%-Regelung bei alten Heizkörpern zu einer sehr schlechten WP-Leistungszahl, vor allem im Winter, führen würde.
Als Lösungsweg bietet sich, gerade in der Sanierung, Solarwärme sehr gut an. In effizienten Gebäuden kann sie als Hauptwärmeerzeuger den Großteil des Heiz- und Warmwasserbedarfs decken. In der Kombination mit Wärmepumpen ist sie in der Lage, den Heizwärmeverbrauch deutlich zu senken. Solarthermie-Einsatz ist bei Wohngebäuden ohne zusätzlichen Infrastrukturaufbau wie Stromnetze und Reservekraftwerke sofort umsetzbar.
Praxis statt Theorie
Die 65% Forderung schließt Solarthermie praktisch aus, es gibt sie lediglich bei Hybridanlagen in Kombination mit einer Wärmepumpe. Es stellt sich durchaus die Frage, ob vor dem Hintergrund, dass alle Heizungen in Deutschland bis spätestens 2045 klimaneutral Wärme erzeugen müssen, der fossile Anteil bei Hybridanlagen nur zeitlich befristet zugelassen werden sollte. Könnte, oder müsste man nicht besser befristet einen geringeren Anteil Erneuerbarer Energie akzeptieren, wenn Maßnahmen zur Gebäudesanierung möglich und geplant sind und so den Wärmebedarf schrittweise reduzieren? Denn die Hoffnung auf grünes Gas, synthetische Gase, Brennstoffe oder Wasserstoff ist eine Illusion! (Danke an Martin Schnauss für diesen Einwand).
Zur Solarthermie muss gesagt werden, dass besagtes faktische Verbot weniger theoretischer als praktischer Natur ist. Denn wenn im EFH 65% inklusive Solarthermie eingehalten werden sollen, ginge das nur mit einer sehr großen Anlage (Stichwort Sonnenhaus). Das ist machbar, im Sanierungsfall zwar nicht so einfach, aber auch dort umsetzbar. Mit einer kleinen oder mittelgroßen Anlage, die dann eine Zuheizung benötigt. Da die Solarthermie hier etwa 20 - 30% an solarer Deckung erreicht, werden noch weitere ca. 40% EE benötigt. Somit müsste die Zuheizung dann genau genommen rein erneuerbar sein, da man ansonsten zwei Arten der Zusatzheizung bräuchte (z.B. ca. 40% WP, 35 % nicht regenerativ). Kaum jemand wird sich aber Solarthermie und dazu zwei unterschiedliche Wärmeerzeuger einbauen. Auch wird Solarthermie in der Kombination mit einer Wärmepumpe nur selten angeboten. Dann bleibt eigentlich nur noch nachhaltig produzierte Biomasse mit Solarthermie.
Im Gegensatz dazu liefert, real betrachtet, beispielsweise eine üblich dimensionierte PV-Anlage etwa 10 % des Stroms für den Wärmepumpenbetrieb, das aber nur in Kombination mit einem Batteriespeicher und überdimensionierter Solarstromleistung. Hier kommen also 90% aus dem Netz. Es stellt sich deshalb durchaus die Frage: warum wollen wir alles mit Strom machen?
Wer sich fragt, ob die Solarthermie noch eine Zukunft hat, sollte sich besser fragen, ob eine Wärmewende ohne Solarthermie überhaupt funktionieren kann.
Rückblick
Sprach man in den 90ern über „Solarenergie", so war in der Regel eine solarthermische Anlage gemeint. Neben den Kollektoren gab es natürlich auch „Solarplatten“ zur Stromerzeugung, aber das war lange eine unerschwingliche Technologie. Die Solaranlagen, meist für die Gewinnung von Trinkwarmwasser ausgelegt, fanden sich überwiegend auf Einfamilienhäusern. Die Produkte stammten aus mittelständischer Produktion. Innovationen gab es auch damals schon, jedoch war es eine große Ausnahme, dass die Solarwärme die Hauptlast am Wärmebedarf des Gebäudes geschultert hatte. Während es dank des EEG bei der PV zu großen Kostenreduktionen und Weiterentwicklungen kam, musste die solare Wärme immer mehr in der zweiten Reihe Platz nehmen. Gleichzeitig führten viele Unternehmensübernahmen zu Konzentrationen, bis schließlich der Markt überwiegend in der Hand von Heizungskesselherstellern war. Während sich der Boom bei der PV weiter fortsetzte, wurde die Solarthermie im Portfolio der Konzerne immer mehr zu einer Add-on-Technologie. So wurde auf Seiten der Industrie hierzulande weitgehend versäumt, neben den gängigen Kollektoren auch Flächenkollektoren zu entwickeln, Ausnahmen bestätigen die Regel. Solarthermie wurde zur Alibitechnologie im Sinne von Briefmarkenarchitektur, Solarthermie unterstützte - wenn überhaupt – die konventionelle Heizung. Gebäude, bei denen eine konventionelle Heizung eine Solaranlage stützt, das war dort nie angedacht. Die Visionen einstiger Solarpioniere gerieten immer mehr in Vergessenheit. Solarthermie war schon fast zu einer antiquierten Technologie degradiert worden.
Heute rächt sich wohl die jahrelange Ignoranz der Politik, wie auch des Handwerks und der Industrie. So wurden beispielsweise Sonnenhäuser gern als exotisch betrachtet, der fossile Heizkessel nicht in Frage gestellt und der Fachkräftemangel nicht nachhaltig bekämpft. Ganz abgesehen davon, dass im Handwerk mit Bädern einfach mehr Geld verdient werden konnte und die Heizung keinen besonderen Stellenwert bekam.