14.06.2019
Die Lithium-Revolution: Es ist genug da für alle
„Wenn die Lithium-Branche eine bestimmte Schwelle überschreitet, boomt sie wahrscheinlich wie der Smartphone-Markt zu Beginn des Jahrhunderts.“ Wer diesen (übersetzten) Satz in der fast ein Jahr lang unbeachteten Studie „Global Lithium Sources — Industrial Use and Future in the Electric Vehicle Industry: A Review“ liest, wird sich verwundert die Augen reiben. Denn was die Forscher von Envirocore, dem Department of Science and Health am Institute of Technology Carlow, Irland, darin auf 29 Seiten schreiben, widerspricht so ziemlich allem, was in den letzten Monaten so über Lithium und dessen Anwendungen in E-Mobil-Akkus veröffentlicht wurde.
Gerade der Fernsehjournalist, Astrophysiker und Naturphilosoph Prof. Harald Lesch, dem halb Deutschland jedes Wort abnimmt, hat die Lithium-Ionen-Batterie für Elektroautos als Teufelszeug gebrandmarkt. Die ARD ist dieser Tage auf denselben Zug aufgesprungen. Mit diesem Fernsehbeitrag beschäftigt sich Götz Warnke in einem eigenen DGS-News-Artikel in dieser Ausgabe ausführlicher. Dabei haben sich die TV-Autoren genauso wie viele andere E-Mobil-Kritiker auf mehrfach widerlegte Zahlen berufen. So ist es schlichtweg falsch, dass „für eine Tonne Lithium zwei Millionen Liter Sole verdampft“ werde; ein Anti-Li-Ionen-Batterie-Statement, das sich nicht ausmerzen lässt.
>>Viele Medien nennen diesen Wert. Wir unlängst übrigens auch. Eine oft genannte Quelle für diese Zahl ist eine Aussage des forensischen Geologen Fernando Díaz im Magazin "Exactamente" der Universität Buenos Aires aus dem Jahr 2011. Leider führt er seine Schätzung nicht aus - denn sie ist sehr ungenau. Gut möglich, dass er sich auf eine ebenfalls 2011 erschienene internationale Studie bezieht, die das US-Journal "Economic Geology" veröffentlichte<<, bekannte kürzlich das oft konservative Handelsblatt selbstkritisch.
Genauso alt – aus dem Jahr 2011 - ist übrigens ein Film, der unter anderem von Arte mitproduziert wurde. Dessen (englischsprachiger) Trailer ist immer noch frei verfügbar. Und, ja, revolutionär schienen damals die Thesen, warum Lithium bislang nur aus wenigen Ländern exportiert wird. Hauptexporteur dafür ist heute Australien, es folgen Chile, China, Argentinien, Zimbabwe.
Mit die größten Vorkommen dagegen dürfte das arme Land Bolivien haben. Dessen Bodenschätze wie Gold, Silber oder Blei sind in der Vergangenheit von ausländischen Konzernen ausgebeutet worden. Beim in großen Mengen verfügbaren Lithium stellt sich Bolivien nun auf die Hinterbeine: Das Metall soll selbst vermarktet werden, das Geld aus dem Verkauf den Einheimischen zugutekommen. Oder Afghanistan. Die Studie aus Irland nennt den von vielen Kriegsmächten umkämpften Staat am Hindukusch „das neue Saudi Arabien des Lithium“. Für die Forscher des Institute of Technology Carlow ist auf jeden Fall klar: „Bei den enormen Lithiumressourcen der Welt sollte es immer genug geben, um den Bedarf zu decken. Gerade, weil es so viele verschiedene Standorte wie Lagerstätten gibt.“ Nachzulesen auf Seite 20 ihrer Studie.
Zudem: „90 Prozent Lithium kann recycelt werden.“ Zum Beispiel aus LiIon-Auto-Akkus, in denen zurzeit für 300 km Reichweite etwa 10 kg des Metalls verbaut sind. Und – weil „ein dringender Bedarf besteht, neue Energiequellen zu finden, und die Industrienationen gerade für die Mobilität nach Lithium streben“, dürfe „dieser Transportbedarf nicht auf Kosten unserer Umwelt gehen“, fordern die Forscher.
Deshalb weisen sie in diesem Zusammenhang hin „genügend Lithiumvorkommen in der EU, um eine künftige Versorgungssicherheit zu gewährleisten“. Während Portugal bereits an sechster Stelle der Lithium-Lieferanten weltweit steht, „werden auch Ressourcen wie zum Beispiel in Irland wirtschaftlich“, wenn die Nachfrage weiter so rasant steige wie im letzten Jahrzehnt (siehe Grafik). Der Lithium-Bedarf gehe übrigens neben der Elektromobilität auch in vielen anderen Bereichen steil nach oben. „Die Speicherung von Netzstrom, sowie Anwendungen in der Kernkraftindustrie“ nennt die Studie ganz explizit. Die zig Millionen Smarthphones oder Laptops dagegen nicht.
Interessant ist aber auch noch, diesen Satz nachzulesen: „Darüber hinaus besteht eine ständige und wachsende Sorge um die Sicherheit der zukünftigen Ölversorgung.“ Erinnert sich noch jemand an das bewegende Buch des Österreichers Hans Kronberger namens „Blut für Öl“? Alle kriegerischen Handlungen des 20. Jahrhunderts drehten sich um Energierohstoffe, lautete seine Quintessenz.
Könnte es also sein, dass Sascha Weyh recht hat? Auf Facebook schrieb er sarkastisch: „Joah... nachdem die Petrolheads drauf gekommen sind, dass auf deutschen Straßen mehr Kobalt in Verbrennern als in E-Autos rumgefahren wird, wird die Lithium-Sau umgetrieben. Bis wir wieder aufgezeigt haben, dass es gar nicht so ist wie es die Qualitätsmedien sagen...“ Ob unsere DGS-News ebenfalls als Qualitätsmedium einzustufen sind, möge jeder selbst beurteilen.