24.04.2020
Ü20-PV-Anlagen: Rechnet sich der Weiterbetrieb?
Mit dem wirtschaftlichen Aspekt des Weiterbetriebs von Ü20-Anlagen hat sich die DGS im Rahmen eines neuen Gutachtens mit dem Titel „Leistungen und Kosten beim Weiterbetrieb von PV-Altanlagen“ beschäftigt. Lohnt es sich, mit alten PV-Anlagen weiter Strom zu erzeugen, wenn dafür keine EEG-Vergütung mehr bezahlt wird? Das Gutachten beschreibt ausführlich die Hintergründe, gibt Antworten und stellt Forderungen an die Politik.
Diese Arbeiten flankieren das Projekt PVLOTSE der DGS, welches Anlagenbetreiber zum Weiterbetrieb berät. Bekannt ist, dass zum Ende dieses Jahres die ersten Anlagen nach 20 Jahren aus der EEG-Vergütung herausfallen. Die Betreiber müssen sich aktiv um den Weiterbetrieb kümmern, ein „einfach weiter einspeisen“ wird es nach aktuellem Stand nicht geben. Denkbar sind verschiedene Möglichkeiten: Zum Beispiel die Umrüstung der Anlage auf Eigenversorgung, der Einsatz eines Stromspeichers oder die Direktvermarktung mit Verkauf des Stroms an einen Stromvermarkter oder z.B. einem Stadtwerk.
Weiterbetrieb für die Energiewende
Aus unserer Sicht ist klar: Diese Ü20-PV-Anlagen müssen unbedingt weiter betrieben werden. Nicht, weil es dabei um große Strommengen, die meisten Anlagen der ersten Jahre sind Anlagen zwischen 1 und 5 kWp, sondern weil es um die Energiewende geht. Und um Pioniere, die die PV-Branche in Deutschland erst zu dem gemacht haben, was sie später geworden ist. Jede einzelne Anlage hat dazu beigetragen, Kostensenkungen zu realisieren und technologisch voranzukommen.
Und: Die Lösungen des Weiterbetriebs werden in den kommenden Jahren immer wichtiger, denn ab 2021 fallen jedes Jahr mehr und größere Anlagen aus der Förderung heraus.
Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) hatte in diesem Zusammenhang den Wunsch, ein kurzes Gutachten zum Weiterbetrieb von Ü20-Anlagen zu erstellen. Das Gutachten „Leistungen und Kosten beim Weiterbetrieb von PV-Altanlagen“ wurde nun vorgelegt, erstellt federführend vom Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV) mit Unterstützung der DGS und der Kanzlei GGSC aus Berlin. Der SFV hat darin die Problemstellung und Lösungsmöglichkeiten des Weiterbetriebs beschrieben, die Kanzlei hat die juristischen Grundlagen benannt und die Lösungswege betrachtet. Wir von der DGS haben für verschiedene Anlagengrößen und verschiedene Weiterbetriebsoptionen mit der DGS-Software pv@now detaillierte Wirtschaftlichkeitsberechnungen durchgeführt.
Eine ausführliche Darstellung der Hintergründe zum Weiterbetrieb im Zusammenhang mit dem Gutachten hat der SFV am Mittwoch dieser Woche hier veröffentlicht.
Für die Berechnungen der Wirtschaftlichkeit müssen Grundlagen definiert und gewisse Ansätze gewählt werden. An dieser Stelle möchten wir eine der betrachteten Anlagen herausgreifen. Im Gutachten ist dies ausführlich beschrieben, die Laufzeit des Weiterbetriebs soll 10 Jahre betragen.
Beispiel: 5 kWp als Eigenversorgungsanlage
Eine der Optionen ist eine Umrüstung der Anlage auf Eigenversorgung, das sieht im ersten Moment nach einer wirtschaftlichen Lösung aus. Aber ist es das wirklich? Als Randbedingungen wurden angesetzt, dass die Altanlage zuerst für 200 Euro durchgecheckt wird und anschließend rund 500 Euro in den Umbau zur Eigenversorgungsanlage investiert werden muss. Diese Kosten können je nach Anlage und Einspeisepunkt selbstverständlich stark variieren. Teils wird es ein kleines Umverkabeln sein, bei manchen Anlagen steht aber eventuell sogar ein neuer Zählerschrank an. Als laufende Kosten einer 5 kWp-Altanlage haben wir Versicherungskosten (75 Euro pro Jahr), Zählerkosten (40 Euro pro Jahr) und für laufende Wartungen und Reparaturen einen Betrag von jährlich 125 Euro angesetzt. Alle diese Werte sind als Nettokosten ohne Umsatzsteuer für das Startjahr des Weiterbetriebs angesetzt. Dann muss noch berücksichtigt werden, dass nach den 20 Jahren Vergütungszeit auch für Anlagen kleiner 10 kWp nach aktueller rechtlicher Situation die EEG-Umlage für den eigenverbrauchten Strom zu bezahlen ist (reduzierter Umlagesatz, also 2,7 Ct/kWh).
Nun zu den Erlösen: Geht man von einem Musterhaushalt mit 4.900 kWh Strom-Jahresverbrauch und Strombezugskosten in Höhe von 30 Ct/kWh (brutto) aus, kann mit 5 kWp PV-Leistung ein Eigenverbrauch von rund 30 % realisiert werden, in diesem Fall also werden rund 1.350 kWh selbst verbraucht. Und die restlichen 70 % des Solarstroms werden eingespeist? Nein, nach aktueller Rechtslage ist das nicht möglich! Nach Ablauf der EEG-Vergütungszeit sind die Netzbetreiber nicht mehr der Abnehmer des Stroms, auch ein „wildes“ Einspeisen ist nicht zulässig. Ein Direktvermarkter könnte den Strom abnehmen, das ist aber mit hohen Kosten und Aufwand verbunden. Nach aktueller Rechtslage würde dieser Strom der PV-Anlage daher abgeregelt werden (=Null Einnahmen). Damit ist auch klar, wie sich die Wirtschaftlichkeit dieser Option darstellt: Mit den genannten Randbedingungen ergibt sich ein nur knapp positives Ergebnis von +230 Euro nach 10 Jahren Weiterbetrieb. Dieser Betrag steht in keinem Verhältnis zum Risiko, denn weitere Rücklagen, z.B. für einen Ersatz-Wechselrichter oder eine größere Reparatur, sind in der Berechnung nicht enthalten.
Bild 3: Wirtschaftlichkeit von verschiedenen Weiterbetriebsoptionen
Die Betrachtung von 30 kWp-Anlagen ergibt, dass hier eine Auswahl möglich ist: Alle drei betrachteten Optionen sind „grün“, können also wirtschaftlich weiterbetrieben werden. Alarmierend dagegen die Betrachtung der kleinen 2 kWp-Anlagen: Für diese steht mit den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen KEINE Weiterbetriebsoption zur Verfügung, die über 10 Jahre Laufzeit auch nur eine schwarze Null verspricht. Damit drohen für diese Anlagen die Stillsetzung und der Abbau. Im Rahmen der Erstellung des Gutachtens hat der SFV Ende 2019 auch eine Befragung von Direktvermarktern vorgenommen. Dabei stellte sich schnell heraus: Viele der Firmen entwickeln Ü20-Angebote, aber meist nur für größere Anlagen, für kleinere Solaranlagen fehlt unter den aktuellen Rahmenbedingungen die Perspektive, denn hohen Kosten für Technik und Vermarktung stehen dort nur sehr geringe Einspeisemengen gegenüber.
Im Gutachten bleibt es aber nicht bei der Beschreibung dieser misslichen Lage, sondern es wird auch ein Lösungsweg aufgezeigt. Verantwortlich ist dafür die Bundespolitik in Berlin, die Betreiber haben hier nur wenig Möglichkeiten, aktiv zu werden. Eine der Möglichkeiten hat der SFV geschaffen: Die Online-Petition „Kein Aus für Solaranlagen nach 20 Jahren“, die hier zu finden ist und auch im Gutachten ausführlich beschrieben wird.
An die Politik adressiert werden in der Petition, aber auch im Gutachten, neben allgemeinen Forderungen auch zu den wirtschaftlichen Perspektiven folgende Aspekte:
- eine Vergütung mindestens des Börsenstrompreises für PV-Altanlagen
- die Berücksichtigung des Umweltvorteils des Solarstroms in Form eines Bonus
- die Befreiung des eigenverbrauchten Stroms von Umlagen und Abgaben
- eine weiter mögliche Voll- oder Teileinspeisung ins öffentliche Stromnetz ohne große Umrüstungen und unter Beibehaltung des bisherigen Zählers
Alle vier Forderungen können direkt aus der entsprechenden „EU-Richtlinie 2018/2001 zur Förderung Erneuerbarer Energien“ abgeleitet werden und stehen daher sowieso zur Umsetzung in nationales Recht an. Alle vier Forderung decken sich auch mit dem Wunsch der Betreiber nach einer möglichst einfachen und unbürokratischen Umsetzung des Weiterbetriebs, der auch im Sinne der Netzbetreiber und Stromversorger sein dürfte. Wichtig ist nun, diese Punkte so rasch wie möglich umzusetzen, um den PV-Altanlagen schon ab Ende dieses Jahres eine Perspektive für die Zeit nach der Einspeisevergütung zu bieten.
Betrachtet man die Berechnungen mit verbesserten Rahmenbedingungen gemäß den vier genannten Punkten, dann kommen auch die 2 kWp-Anlagen in den „grünen“ Bereich, ein wirtschaftlicher Weiterbetrieb wäre möglich und die Betreiber könnten sich darauf konzentrieren, die für ihre Anlage am besten passende Weiterbetriebsoption zu finden. Dabei hilft die DGS im Rahmen des Projekts PVLOTSE gerne weiter.
Jörg Sutter