01.06.2018
Northvolt: Europäische Antwort auf die Tesla-Giga-Fabrik?
Bei der Anschrift Gamla Brogatan 26 in Stockholm steht man in einer engen Gasse vor einem alten Stadthaus in der schwedischen Hauptstadt. Dort residiert das Start-Up-Unternehmen Northvolt, das eine europäische Batteriefertigung in Europa realisieren möchte und das in der vergangenen Zeit für reichlich Schlagzeilen gesorgt hat.
In dieser Woche vermeldete das Unternehmen, das sich der Siemens-Konzern als Investor beteiligt und später fertiggestellte Batterien für Fahrzeuge und den Energiebereich abnehmen möchte. Die Siemens-Investition von 10 Mio. Euro klingt erst einmal nach viel Geld, relativiert sich jedoch, wenn man die Kosten einer Giga-Batteriefabrik im Mrd.-Euro-Bereich betrachtet. Jedoch soll Siemens auch helfen, die „digitale Fabrik“ aufzubauen und damit einen Kostenvorteil gegenüber den asiatischen Herstellern zu erreichen. Siemens ist also Technologiepartner, Investor und Kunde in einem. Die Prozess- und Energietechnik für die neue Fabrik soll jedoch ausgerechnet vom schweizerischen Siemens-Rivalen ABB geliefert werden. Auch mit 10 Mio. Euro beteiligt ist die VW-Tochter Scania, die später Batterien für schwere Nutzfahrzeuge beziehen möchte. Auch Vattenfall und die schwedische Energieagentur sind als Investoren bereits an Bord.
Nicht beteiligt ist bislang die PKW-Branche, obwohl gerade für den Bereich der E-Mobilität auch die europäische Politik seit einiger Zeit darauf drängt, eine europäische Fertigung aufzubauen, um mit diesem zentralen Zukunftsthema nicht vollständig von den USA und Asien abhängig zu werden. Die großen deutschen Zulieferer haben eine solche Produktion geprüft, aber verworfen, da die Investitionen enorm und der wirtschaftliche Erfolg ungewiss sei. Continental wies auch darauf hin, dass sich zuerst die deutschen Autohersteller auf die Spezifikationen einer Batteriezelle einigen müssen, um hier mit einem Produkt in große (rentable) Stückzahlen zu kommen.
Northvolt will ebenfalls später große Stückzahlen produzieren, hat sich aber mit der Vielfalt der Nachfrage abgefunden und möchte die Produktion technisch flexibel aufbauen, um einige unterschiedliche Zellen fertigen zu können. Es sollen allerdings ausschließlich Lithium-Ionen-Akkus produziert werden. Das Team um Geschäftsführer Peter Carlson kann dabei auf seine eigene Expertise verweisen: Carlson kam aus der Halbleiterindustrie (NPX Semiconductors) vor einigen Jahren zu Tesla, wo er Vizepräsident wurde, nun leitet er Northvolt.
Ziel des Unternehmens ist der Aufbau einer großen „Gigafab“, also einer Batterieproduktion mit einem Jahresausstoß von über einem Gigawatt Batterieleistung. Diese Fabrik soll ab 2020 in Nordschweden errichtet werden und 2023 die volle Produktionsleistung erreichen. Zunächst werden aber kleinere Brötchen gebacken: Eine Test-Produktionslinie ist aktuell im schwedischen Västeras nordwestlich von Stockholm im Bau. Im Moment arbeitet man hauptsächlich an der Finanzierung der großen Fabrik, deren Kosten das Unternehmen mit rund 4 Mrd. Euro beziffert.
Der Jahresausstoß der großen Fabrik ist im Endausbau auf 32 GWh geplant, damit würde das Projekt knapp an die Größe der Tesla-Gigafab in Nevada reichen (35 GWH, 2020 im Vollbetrieb). Doch eben erst 2023, also in fünf Jahren. Tesla wird bis dahin wahrscheinlich noch viele weitere solche Großfabriken haben, genauso wie weitere Batteriehersteller in Asien (Sony, Panasonic, LG Chem etc..).
Es sieht aber so aus, als gäbe es auf diesem Markt Platz genug. Die Elektromobilität allein benötigt für die derzeit weltweit schon 1,2 Mio. neuen Fahrzeuge pro Jahr Batterien, Tendenz stark steigend. Allein in China wird ein Wachstum von 40 % in diesem Jahr gegenüber 2017 erwartet, in Norwegen werden aktuell 52 % der Neuwagen mit Elektroantrieb ausgestattet und auch in Deutschland werden langsam mehr E-Autos verkauft und die positive Stimmung steigt. So hat sogar die Online-Ausgabe der Bild in dieser Woche unter der Überschrift „7 Wahrheiten über Elektroautos“ die Vorteile von Elektrofahrzeugen angepriesen. Und auch der Energiebereich (Heimbatterien und Kraftwerksbatterien) benötigt zukünftig Batteriezellen. In dieser Sparte haben etliche Anbieter, darunter auch Tesla, in jüngster Vergangenheit größere Projekte im MW-Maßstab weltweit realisiert.