02.02.2024
Der E-Auto-Ausblick 2024
Ein Überblick von Götz Warnke
2024 ist elektromobilistisch ein spannendes Jahr: Nicht so sehr wegen der neuen E-Auto-Typen als vielmehr wegen der Marktentwicklung allgemein; immerhin fällt in diesem Jahr die deutsche E-Auto-Förderung weg. Daher beobachten alle, Interessierte als auch Involvierte gespannt, wie sich die Neuzulassungszahlen entwickeln werden – und natürlich auch die Preise. Dabei war schon klar, dass 2024 kein überragendes E-Auto-Jahr wird: Nach dem E-Auto-Zeitalter der Innovatoren (bis Ende 2019) folgte ab 2020 das der „Early Adapter“; jetzt beginnt die Epoche der „Frühen Mehrheit“, und da kommt es wegen noch mangelnder Verfügbarkeit von günstigen E-Autos und neuer Batterietechnologie zu Irritationen.
Zudem ist die Herstellung von E-Autos ein weltweites Geschäft, in das jedoch immer wieder nationale Krisen eingreifen: In Deutschland werden manche ihren alten Verbrenner noch ein paar Jahre weiterfahren, weil erst einmal eine Heizungsumrüstung finanziert werden muss. In China, wo viele Menschen Geld bei kriselnden Immobilienkonzernen liegen haben, könnte sich das Konsumklima erheblich eintrüben, usw. usw. Dies wird natürlich auch Auswirkungen auf die Autoindustrie haben, u.a. darauf, in welchen Ländern die Firmen mit welchen Modellen an den Start gehen.
Dazu kommen immer wieder Überraschungen wie beim Ford Explorer: Bei dem hätte im Frühsommer 2023 die Fachwelt darauf gewettet, ihn noch vor Jahresende auf den Straßen zu sehen. Insofern ist heute jeder E-Auto-Ausblick nicht in Stein gemeißelt, sondern mit Unsicherheiten behaftet.
Audi: Er kommt wohl – endlich: der Audi Q6 e-tron, das erste Fahrzeug der Ingolstädter auf der neuen Premium Plattform Electric (PPE) und mit 800-Volt-Technik. Das E-SUV, bisher öffentlich nur in komischen Verhüllungen und Tarnfarben zu sehen, soll Mitte März unverhüllt erscheinen. Allradantrieb, Akkus von ca. 100 kWh, Ladeleistungen von deutlich über 200 kW, und Preise wohl ab € 70.000 aufwärts zeigen ein Auto, das für Audi technologisch und wirtschaftlich zweifellos wichtig, für die E-Mobilität als Ganzes jedoch zu vernachlässigen ist.
BMW: Die Münchner machen Mitte März den neuen BMW iX2 öffentlich – ein SUV-Coupé, das oberhalb des bereits existierenden iX1 positioniert wird. Die Akku-Kapazität liegt bei 77 kWh, die Motorisierung beginnt bei 150 kW. Interessanter ist die neue, fünfte Generation des Mini Cooper aus dem Hause BMW, die deutlich aufgefrischt als Cooper E und Cooper SE kommt: Akkus bis rund 55 kWh, Motoren bis 160 kW.
BYD: Der inzwischen größte E-Auto-Hersteller der Welt schickte Ende 2023 seinen Seal auf die deutschen Straßen, eine Limousine mit LFP-Akkus von rund 62 bis 82 kWh und einem CW-Wert von nur 0,22! Das britische Autoportal „What Car?“ hatte Ende vergangenen Jahres einen Vergleichstest mit Tesla Model 3 und VW ID.7 durchgeführt, wobei allerdings das Model 3 auf dem 1. und der Seal auf dem letzten Platz landete. Dieses Jahr folgt mit dem BYD Seal U ein E-SUV, das noch auf einer Mischplattform gebaut wird, und mit einem 72 kWh großen Akku sowie einem 160-kW-Frontantrieb ausgestattet ist.
Citroen: Eines der spannendsten E-Autos des Jahres bringt Citroën mit seinem ë-C3 auf den Markt: ein ausreichend dimensionierter Kleinwagen mit ordentlicher Leistung (84 kW/113 PS) für einen kleinen Preis deutlich unter € 25.000.
Cupra: Die Ex-SEATler lassen ihr nach dem Born zweites E-Auto Tascavan bei VW in China bauen. Bisher ist von dem E-SUV bekannt: Maximal 250 kW Leistung, der rund 77 kWh große Akku soll für eine Reichweite von bis zu 547 km WLTP genügen.
Dacia: Die Billigmarke aus dem Renault-Konzern muss in diesem Jahr ihren „Spring“ auffrischen: die bisherige DC-Ladeleistung von 30 kW und ein Akku von 27 kWh sind außerhalb des Leichtfahrzeug-Segments nicht mehr zeitgemäß. Was und wie viel sich hier ändert, werden wir vermutlich auf dem Genfer Automobilsalon (vom 26.02. bis 03.03) erfahren.
Ford: Nachdem der ursprünglich für Ende 2023 geplante Produktionsstart des Ford E-Explorers bereits im August letzten Jahres verschoben wurde, offiziell wegen des geänderten Batteriestandards, soll das kleine E-SUV auf der VW-MEB-Plattform nun in der 2. Hälfte diesen Jahres kommen: mindestens 125 kW Heckantrieb mit 77 kWh Akku, Preis ca. € 45.000.
Hyundai: Die Koreaner könnten in diesem Jahr schnell und überraschend den „Casper“ auf den europäischen Markt bringen, ein kleines E-Auto im SUV-Stil, das im eigenen Land bereits seit drei Jahren produziert wird. Hyundai verfügt hierzulande über ein Händlernetz und in Tschechien über eine Fabrik, die bisher nur den Kona baut.
Ob uns allerdings der Ioniq 7, das Gegenstück zum KIA EV 9, noch in 2024 erreicht, bleibt mehr als fraglich.
Lancia: Totgesagte leben länger – das gilt insbesondere für die italienische Traditionsmarke Lancia, die heute zum Stellantis-Konzern gehört. Der neue E-Kleinwagen Ypsilon nutzt die im Konzern verbreitete Common Modular Platform (CMP), der 115 kW-Motor und der 54-kWh-Akku sind ebenfalls im Konzern weit verbreitet. Preis: ca. € 35.000.
Lotus: Lotus bringt nach seinen E-Sportlern Evija und Eletre mit dem Emeya nun das dritte E-Auto auf die Straßen: eine betont sportliche, viertürige Luxuslimousine, ausgestattet in britischem Stil, gebaut bei der Mutterfirma Geely in China. Bei Batterien über 100 kWh und 450 kW Leistung schon in der Basisversion braucht man sich über Preise von unter € 95.000 kaum Gedanken zu machen.
Mercedes: Bisher war die G-Klasse das letzte freie Refugium aller Fossil-Fans und E-Auto-Hasser unter dem Stuttgarter Stern – es gab sie nur mit Verbrennungsmotor. Doch damit ist nun Schluss: Jetzt rollt auch die G-Klasse als Mercedes EQG vollelektrisch durchs Gelände – immerhin erhält jedes Rad einen eigenen E-Motor, was gute Geländegängigkeit, aber auch gute Preise (ca. € 200.000) verheißt.
MG: Die chinesische Firma, bisher bekannt durch den britisch klingenden Markennamen und Alltagsautos wie den MG 4 oder MG 5, tritt dieses Jahr mit einem Sportwagen zum Kampf um die Käufergunst an: den MG Cyberster. Der zweisitzige, hübsch gestylte Roadster verfügt über 77 kWh Akkukapazität, einen Antrieb über 230 kW und nach vorn oben schwenkbare Türen. Diese sind zwar in engen Parklücken hilfreich, dürften sich aber deutlich in den Produktionskosten niederschlagen.
Opel: Die Rüsselsheimer präsentieren auf der Stellantis-Konzern-Plattform CMP als Nachfolger des fossilen Crossland einen Frontera, den es auch als EV geben soll. Ebenfalls eine elektrische Version soll vom Grandland kommen.
Peugeot: Die Franzosen schicken ihren e-3008 auf die Straßen, ein SUV-Coupé mit Motoren ab 157 kW. Peugeot schwelgt zwar auf seinen Webseiten in tollen Verbrauchsangaben pro 100 km, aber konkrete Hinweise zu Akkugrößen sind nicht zu finden. Erst in der 2. Jahreshälfte startet der e-5008, ein großes SUV, das auf den entsprechenden Erlkönig-Bildern noch verhüllt, aber kantig-protzig aussieht.
Polstar: Die E-Auto-Tochter von Volvo und „Enkelin“ des chinesischen Geely-Konzerns bringt dieses Jahr ihr drittes und viertes Fahrzeug auf den Markt: den Polestar 3 als großes SUV, und den Polestar 4. Dieser Crossover kommt schon in der kleinsten Version mit 200-kW-Heckmotor , 94-kWh-Batterie und Preisen über € 60.000 daher.
Ob wir hingegen den Polstar 5, einen Konkurrenten zum Tesla Model S und Porsche Taycan, noch dieses Jahr sehen werden, ist offen.
Porsche: Porsches zweites E-Modell ist der neue, elektrische Macan, der nach ersten Tests deutlich besser sein soll als sein fossiler Bruder. Wie der Audi Q6 e-tron auf der neuen Premium Plattform Electric (PPE) mit dem 800-Volt-System ruhend, ist das Fahrzeug vor kurzem – und damit vor dem Audi – präsentiert worden. Die Preise für den Elektro-SUV beginnen bei rund € 85.000.
Renault: Von Renault kommt zum einen der bereits auf der IAA vorgestellte Scenic E-Tech, ein Familienauto im wohl unvermeidlichen SUV-Stil, der oberhalb des Megane E-Tech positioniert ist. Doch viel interessanter, weil marktrelevanter ist der Renault 5 E-Tech in der ZOE-Klasse, den wir allerdings erst nach dem Sommer auf den Straßen sehen werden. Das im französischen Douai gebaute Auto beherrscht bidirektionales (AC-)Laden, ist zu über 85 Prozent recycling-fähig, und soll um die € 25.000 kosten. Vorgestellt wird er Ende Februar auf dem Genfer Automobilsalon.
Skoda: Die Tschechen schicken vielleicht noch in diesem Jahr mit dem Elroq ein gegenüber dem Enyaq kleineres E-SUV in den Markt, als elektrisches Gegenstück zum Karoq im eigenen Hause.
Smart: Auf den Smart #1 folgt jetzt der deutlich größere Smart #3, der bereits letztes Jahr auf der IAA vorgestellt wurde. Das elegante, 4,40 Meter lange SUV-Coupé zeigt familiäre Ähnlichkeiten zum Smart #1, hat aber mit dem ursprünglichen Kleinwagen Smart nicht mehr das Geringste zu tun. Gebaut wird es ebenso wie sein „Bruder“ beim Mercedes-Partner Geely in China.
Volvo: Nachdem das kleine SUV EX 30 seinen Marktstart noch im vergangenen Jahr hatte, soll im März jetzt der größte aller Brüder kommen: das siebensitzige Premium-Modell EX 90. Wer rund € 100.000 übrig hat, kann das Fahrzeug (Batterien ab 104 kW, Motoren ab 205 kW) jetzt schon mal auf den Volvo-Seiten konfigurieren.
VW: Beim ID.7 gibt es, neben kleineren Variationen wie einem größeren Akku, auch eine wirkliche Neuheit: den ID.7 Tourer, einen echten Kombi mit großem Laderaum – eine wenn auch teure Bereicherung des schmalen Kombi-Angebots bei den E-Autos.
Z wie zusätzlich noch: kommen bzw. sollen kommen aus Italien der Maserati GT Folgore, aus China der Omoda 5 EV (ein Allerwelts-SUV), der XPeng P7 und der Zeekr 001, aus Vietnam der Vinfast VF6 und der Vinfast VF7. Ob sich das alles so realisiert, wird man sehen.
Fazit: Neben den profitablen, hochpreisigen E-Autos und den unvermeidlichen Rentnerfahrzeugen (SUVs) einer alternden Gesellschaft kommen inzwischen auch immer mehr Kleinwagen auf den Markt, der in dieser Hinsicht deutlich unterversorgt ist. Allein dieses Jahr kommen möglicherweise mehr kleine E-Auto-Typen auf unsere Straßen, als es hier vor drei Jahren überhaupt gab – gut so!