28.07.2023
Warum braucht ein Solarkraftwerk ein eigenes Umspannwerk?
Ein Spatenstich-Bericht von Heinz Wraneschitz
Es ist schon das dritte Umspannwerk (UW), das die WWS Infrastruktur selber finanziert und errichtet: sonst könnte das größte interkommunale Solarkraftwerk der Gegend in Herrnneuses (Stadt Neustadt/Aisch) und Oberroßbach (Gemeinde Dietersheim) wohl noch sehr lange keinen Sonnenstrom ins öffentliche Netz fließen lassen.
Sehr zurückhaltend nannte es WWS-Chef Erich Wust „recht ungewöhnlich, dass ein privates Unternehmen so etwas errichten muss, um einspeisen zu können“. Dagegen nahm sich ausgerechnet ein Politiker, der stellvertretende Landrat des Kreises Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, Richard Streng (Freie Wählergemeinschaft FWG) kein Blatt vor den Mund: „Es ist ein Wahnsinnsaufwand, damit die Betreiber die Einspeisung selber leisten können. Nun geht die Rendite von den Bürgern weg. Die Betreiber von Atomkraftwerken mussten das früher nicht“, also die Umspannwerke am AKW-Gelände selber finanzieren.
Deshalb kostet das gesamte Solarprojekt 30 Mio. Euro, wovon würden alleine vier Mio. Euro für das Umspannwerk fällig sind, wie bei einem wahrlich symbolischen Spatenstichtermin für das UW zu erfahren war.
Betriebsbereit – der Anschluss fehlt
Denn einerseits ist das PV-Kraftwerk im Prinzip betriebsbereit. Die 36 Megawatt-Anlage ist auf die beiden Standorte nahe den Dörfern Herrnneuses (16 MW) und Oberroßbach (20 MW) aufgeteilt. Die 20-kV-Kabel – die Leiter sind jeweils 360 mm² stark - zwischen den beiden Standorten sowie die Doppelleitung von Herrnneuses zum UW bei Dettendorf, insgesamt gut 7 km, wurden bereits in die Erde eingepflügt. Hierüber wird später der Ökostrom bis zum Einspeisepunkt fließen. Doch das wird wohl noch bis zum Jahresende dauern, auch das wurde am Dienstag dieser Woche bekannt.
Für das UW wird auf einem Acker direkt unter der 110.000-Volt-Hochspannungsleitung der Nürnberger N-Ergie-Netz schon einige Zeit gegraben und betoniert. Deshalb konnten die Gäste nur noch Sand aus einem eigens errichteten Haufen symbolisch durch die Luft werfen. Trotzdem war Erich Wust sichtlich stolz auf den Termin. Denn damit dieser Einspeiseort Wirklichkeit werden konnte, war die Zusammenarbeit von kommunaler und regionaler Behördenseite genauso gefragt wie die des Verteilnetzbetreibers N-Ergie mit dem Projektentwickler Wust Wind Sonne (WWS) aus Markt Erlbach. „Landratsamt wie Gemeinden haben uns vorbehaltlos unterstützt“, lobte der WWS-Chef ausdrücklich die Offenheit in den Ämtern für das Projekt. Auch der Grundstücksbesitzer sei dazu bereit gewesen. So konnte nach gerade mal einjähriger Planungsphase der Bau des Umspannwerks starten.
Dennoch: Bis die insgesamt 36 Megawatt leistenden Solarmodule in Oberroßbach und Herrnneuses Strom produzieren dürfen, ist noch einiges zu tun. Vor allem das Tiefbauunternehmen Spitzer aus dem benachbarten Mausdorf ist gefragt. Das ist im Auftrag der Nürnberger Niederlassung des Generalunternehmers Actemium tätig. Von dieser Firma werde im August der wichtigste Teil des Umspannwerks angeliefert, der Transformator. Weil der Trafo mit 63 Megavoltampere (MVA) auf die etwa doppelte Leistungsfähigkeit der Solaranlage ausgelegt sei, könnten an der Stelle noch weitere Sonnen- oder Windkraftwerke Strom ins öffentliche Netz abgeben, erwähnte Erich Wust beiläufig.
Der WWS-Chef stellte außerdem heraus: „Wir legen Wert auf regionale Wertschöpfung.“ Davon würden einerseits die Standortgemeinden zum Beispiel durch Steuern, aber auch die Bürger profitieren, die sieben Mio. Euro in das Bürgersolarkraftwerk stecken. Wust dankte zudem den regionalen Banken, die neben der Vorfinanzierung auch die restlich notwendigen Kredite für die Anlage übernommen hätten.
Politische Prominenz nicht nur aus der Region
Zum sehr windigen Spatenstichtermin im südlichen Steigerwald, der zeitweise auch von oben stark begossen wurde, war auch politische Prominenz angereist. Mit dem Fraktionsvorsitzenden Ludwig Hartmann und dem regionalen Landtagsabgeordneten Martin Stümpfig waren gleich zwei Grüne MdL dabei. Dazu hatte sich Gabi Schmidt aus Uehlfeld gesellt, die Stellvertretende Fraktionschefin der Freien Wähler im Bayerischen Parlament. Hinzu kamen Jürgen Meyer, der 1. Bürgermeister von Dietersheim, und der bereits erwähnte Landratsstellvertreter Richard Streng.
Die Politiker:innen lobten unisono die Möglichkeit für Bürger, sich an dem Projekt zu beteiligen. So steige die Akzeptanz solcher Ökokraftwerke. Gleichzeitig gaben sie zu: Um die hohen, von Bund und Land gesetzten Ausbauziele für Strom aus Sonne und Wind zu erreichen, sei die Bürokratie immer noch hinderlich.
Das bestätigte auch Annemarie Endner von der N-Ergie: Durch hohe Hürden dauere es sechs bis acht Jahre, um eine 110.000-Volt-Leitung zu verstärken, damit die noch mehr regional erzeugten Strom transportieren könne. „Wir brauchen Verlässlichkeit in der Energiepolitik. Je früher, umso besser“, griff Grünen-Fraktionssprecher Hartmann ein und verwies auf die bayerische Wind-Abstandsregel „10H. Die war eine Vollbremsung auch für die Netze.“ Wenn die Ausbauziele klar seien, „dann kann auch der Netzausbau geplant werden“.
Sonne – Wind – Speicher – Verteilnetzausbau
Daraufhin gab auch Erich Wust die Zurückhaltung auf: „Die Stellschraube wurde nicht richtig bewegt, auf Bundes- wie Landesebene“, kritisierte er. Denn deshalb sei „einiges im Argen im Netzsystem. So können Gegner der Energiewende beispielsweise auf abgeschaltete Windräder zeigen“, wenn die Leitungskapazitäten nicht zum Stromtransport ausreichen. In der Standortgemeinde des UW Diespeck sei wenigstens schon ein 24-Megawattstunden-Stromspeicher am Netz, wenn auch von einem österreichischen Unternehmen betrieben.
Der ist auch notwendig. Denn laut dem Grünen Martin Stümpfig hätten die westmittelfränkischen Landkreise NEA und Ansbach bereits eine 150-prozentige Ökostromversorgung aufzuweisen – aber eben dominiert von der fluktuierenden Wind- und Solarerzeugung, auch wenn hier Biogasanlagen die viele Lücken füllen würden. „Hier werden Sonne und Wind gut kombiniert – importierte, gerade fossile Energie ist dagegen schlecht!“ So fasste FW-MdL Gabi Schmidt ihre Einschätzung zusammen.
Und Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann brachte auf den Punkt, was wohl alle Anwesenden an diesem Spatenstich-Nachmittag dachten: „Das Zusammenspiel von Wind und Solar hat zum Raus aus dem Atom, zur Befreiung von den fossilen Energien und zu mehr Klimaschutz geführt. Wir schaffen so ein Energiesystem, das wir mit gutem Gewissen vererben können: Die jetzige Generation investiert, die künftige profitiert davon.“ Und mit Blick auf die Hitzewellen nicht nur in Griechenland oder die sinkenden Grundwasserspiegel in vielen Teilen Deutschlands sei der massive EE-Ausbau auch dringend notwendig.
Und mehr Umspannwerke und mehr Fachkräfte: Martin Kirsch (Actemium) berichtete von „sechs bis acht Umspannwerken pro Jahr – bisher waren es eines oder zwei“ in seinem Vertriebsgebiet. „Doch uns fehlen inzwischen die Fachkräfte – wir sind randvoll.“ Das nächste Problem scheint also schon im Anrollen.