09.06.2023
Dürre und Hitze an Land ist für uns spürbar, die Ozeane jedoch…
Ein Veröffentlichungshinweis von Matthias Hüttmann
Dass es immer häufiger zu einer „Verstetigung“ des Wetters kommt, darüber haben wir hier schon öfter geschrieben. Langanhaltende, sogenannte stabile Wetterlagen, können dabei ganz unterschiedlich sein. So kann es etwa wochenlag nicht regnen, oder eben viel mehr Wasser vom Himmel fallen als üblich, vor allem aber auch über einen langen Zeitraum. Überschwemmungen und Dürreereignisse sind die Folge, das Wetter wird zum immer wiederkehrenden Groundhog Day (Dt. Titel: Und täglich grüßt das Murmeltier). . In diesem Mai etwa war es in den meisten Teilen Südeuropas und im Westen Islands überdurchschnittlich feucht, so dass starke Niederschläge zu Überschwemmungen in Italien und auf dem westlichen Balkan führten.
Das ist jetzt aber nur ein kleiner, spürbarer, Effekt des Klimawandels. Was jedoch fernab unserer Wahrnehmung vorgeht, ist nicht weniger dramatisch. Immerhin sind bekanntlich mehr als 70 % der Erdoberfläche von Meeren bedeckt. Und genau hier gibt es beunruhigende Entwicklungen. So schreibt die Helmholz-Klimainitiative, an ihr sind 15 der 18 Helmholtz-Zentren beteiligt, dass wegen der aktuellen Rekordhitze in den Ozeanen bereits Alarmstufe Rot ausgerufen werden muss. Schließlich sei, so die Meldung, unsere wichtigste natürliche Klimaanlage in Gefahr, da sich die Ozeane sich stärker und schneller erwärmen als je zuvor. Die Forscher befürchten deshalb auch, dass es noch dieses Jahr zu dem Wetterphänomen El Niño kommen könnte.
Unterlegt wird das alles beispielsweise auch durch den Copernicus Klimawandeldienst (Copernicus Climate Change Service, C3S). Dieser meldete die Tage, dass die Temperatur über allen eisfreien Ozeanen im Mai 2023 die höchste seit Beginn der Aufzeichnungen war. Dabei waren die über alle eisfreien Meere gemittelte Meeresoberflächentemperatur und die Meereslufttemperatur die bisher höchsten, die je für den Kalendermonat Mai gemessen wurden. Auch wenn in den meisten Teilen Europas die Durchschnittstemperaturen im Normbereich lagen, war es in vielen Teilen Kanadas, Afrikas und Südostasiens deutlich wärmer als normal. Im Gegensatz dazu war es über Australien und von Nordwestindien bis Südsibirien deutlich kühler als üblich. Dennoch bildete sich über dem tropischen Ostpazifik ein El-Niño-Signal heraus. Ausführliche Daten finden Sie hier.
Zurück zur Helmholz-Klimainitiative. Diese zitiert in ihrer Meldung auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Die hatte bereits am 17. Mai die These veröffentlicht, dass eins der kommenden fünf Jahre mit hoher Wahrscheinlichkeit das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen sein wird und dass damit erstmals die weltweite Durchschnittstemperatur für ein gesamtes Jahr um 1,5 Grad wärmer sein könnte als zu vorindustrieller Zeit.
Aus der Helmholz-Meldung:
Ozeane als wichtige Klimapuffer
El Niño könnte die ohnehin steigende Temperatur an Land und im Meer in die Höhe treiben. Bereits im April hat die US-amerikanische University of Maine einen neuen Rekordwert von 21,1 Grad der globalen durchschnittlichen Meeresoberflächentemperatur gemessen. Er übersteigt den vorherigen Rekord von 21 Grad aus dem Jahr 2016, dem bislang heißesten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.
Die Ozeane sind wichtige Klimapuffer auf der Erde: Sie haben über Jahrzehnte etwa 25 Prozent der von Menschen verursachten CO2-Emissionen gespeichert und damit eine noch schnellere Erderwärmung verhindert. Außerdem speichern sie den größten Teil der zusätzlichen Wärmeenergie, die durch den menschengemachten Treibhauseffekt auf der Erde verbleibt. So hat eine Studie im Fachmagazin Earth Systems Science Data gezeigt, dass die Ozeane zwischen 1971 und 2020 bis zu 90 Prozent dieser Wärme aufgenommen haben.
„Der Ozean hat bisher wie eine große kühlende Klimaanlage gewirkt. Diese Klimaanlage überhitzt sich langsam“, erklärt Thorsten Reusch, der den Forschungsbereich Marineökologie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel leitet. „Danach wird es sowohl im Meer, aber auch an Land ungemütlich, denn Temperaturspitzen werden immer schlechter abgedämpft“.
Als Folge wird es immer mehr Hitzewellen an Land und im Meer geben, sagt Reusch. „Im Meer sind die Hitzewellen absolut gesehen nicht so krass wie am Land, aber länger andauernd und vor allem großflächig, so dass viele marine Organismen nicht ausweichen können“. Dass sich die Häufigkeit von marinen Hitzewellen seit 1982 verdoppelt und ihre Intensität zugenommen hat, hat auch der Weltklimarat IPCC in seinem Sonderbericht über Ozean und Kryosphäre 2019 nachgewiesen. Bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad wird die Häufigkeit um das 20-fache steigen, so der IPCC.
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Folgen für die Menschen
Da Ozeane aufgrund ihrer enormen Massen große Mengen von Wärme aufnehmen können, dauert es Jahrhunderte, bis sie sich vollständig in die Tiefen aufwärmen. Warmes Wasser dehnt sich aus und trägt zusätzlich zum schmelzenden Polareis dazu bei, dass der Meeresspiegel steigt. Das heißt, der globale Meeresspiegel kann für mehrere Jahrhunderte steigen, selbst wenn keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden. Dadurch sind Millionen von Menschen, die in niedrig gelegenen Küstengebieten und in kleinen Inselstaaten wohnen, direkt bedroht.
Die Erwärmung gefährdet auch die wichtigen Ökosystem-Dienstleistungen von Ozeanen für Menschen. So wird etwa die Hälfte des Sauerstoffs der Atmosphäre durch Photosynthese der Meerespflanzen wie Algen und Seegras produziert. Die Fisch- und Meeresprodukte stellen einen erheblichen Beitrag zur menschlichen Ernährung dar. Mangroven, Seegras und Korallen sorgen für Küstenschutz vor Stürmen und Hochwasser. Auch für die Gesundheit der Menschen hat das Folgen, sagt Reusch. „Warmes Wasser hat beispielsweise ab 25 Grad sehr viel mehr potenziell gefährliche Bakterien“.
Um die weitere Erwärmung der Meere zu verhindern sowie ihre gravierenden Folgen einzugrenzen, muss die Menschheit rasch handeln, so Reusch. Ihm zufolge ist es wichtig, jetzt schnell Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen sowie flankierend Carbon Capture and Storage (CCS) und naturbasierende Lösungen zur CO2-Speicherung anzuwenden. „Allerdings wird die Bremsspur selbst beim Einhalten des Pariser Ziels sehr lang sein, dass heißt wir werden uns regional auch im Meer auf häufigere Extremereignisse einstellen müssen“, ergänzt Reusch.