31.03.2023
Klima-Resilienz beginnt beim Wasser
Ein Bericht über ein Experiment von Heinz Wraneschitz
„It Never Rains in Southern California“: Albert Hammond hat seinen wohl berühmtesten Song vor genau 51 Jahren veröffentlicht. Doch inzwischen kann man auch hierzulande das Gefühl bekommen, man lebt in Kalifornien: Trotz Starkregenereignissen sinken die Niederschläge über`s Jahr fast überall.
Brandaktuell hat der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft VBEW gefordert: „Im Kampf gegen den Klimawandel: Wasserwirtschaft braucht redundante und resiliente Strukturen.“
Auch in Franken lassen die sinkenden Niederschlagsmengen die Alarmglocken schrillen. Doch zumindest der Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim macht sich nun auf, durch konkrete Gegenmaßnahmen nicht weniger als der erste klimaresiliente Landkreis Bayerns zu werden. Dieses klar gesteckte Ziel zu erreichen, dazu sind die Kreiskommunen und der Kreis selbst fest entschlossen. Und für die Bürgermeister:innen und den Landrat führt der einzige Weg dorthin über „einen zukunftsorientierten Wasserrückhalt und eine geordnete Nutzung des Wassers vor Ort“. Am Tag des Wassers 2023 haben sie sich in Weinort Ipsheim auf die Reise gemacht.
Doch die Kommunalvertreter:innen sind nicht allein: Sie haben sich mit der geballten fachlichen Kompetenz der zuständigen Behörden in ein Boot gesetzt. Das Wasserwirtschaftsamt Ansbach (WWA) koordiniert das Ganze; das Amt für Ländliche Entwicklung Mittelfranken (ALE) ist dabei; nicht zu vergessen die Umweltbehörden aus Kreis und Mittelfrankens Bezirksregierung.
Eigentlich hatten die 38 Ortsvorsteher:innen aller Kreisgemeinden dabei sein wollen, berichtet Landrat Helmut Weiß von einer Bürgermeister-Dienstbesprechung Anfang März. Doch damit konstruktiv gearbeitet werden kann, habe man deren Teilnahme auf 13 reduziert, die nun alle repräsentieren.
Fakt aber ist: alle sind spätestens im Trockensommer 2022 aufgewacht. Dem ohnehin schon sehr trockenen Landkreis NEA wurden „die Folgen des Klimawandels in den letzten Jahren deutlich vor Augen geführt. Längere und wärmere Trockenperioden haben Auswirkungen auf Grundwasser und Fließgewässer. Somit auch auf Flora und Fauna und letztendlich auch auf den Menschen“, benennt das Landratsamt die Ängste.
Konkret betroffen von nur 60 mm Grundwasserbildung im Jahre 2022 statt früher üblicher 200 mm sind hier neben Bürgern und „normalen“ Landwirten auch die Winzer der Weinbaugemeinde Ipsheim. Fast pathetisch wird Thomas Keller, der Leiter des örtlich zuständigen WWA Ansbach: „Wasser ist der Quell alles Lebens.“ Gebe es genügend Grundwasser oder zurückgehaltenes Oberflächenwasser, dann hülfe das nicht nur gegen lange Wärmeperioden, würden Landwirtschaft und Wald, aber auch Mensch und Tier besser geschützt vor dem Klimawandel.
Die Verantwortlichen hier haben sich die Regierungserklärung von Umweltminister Thorsten Glauber (FW) und dessen Idee „Wasserzukunft 2050“ offenbar ganz genau angeschaut. Denn auf die dort enthaltenen „fünf Säulen: Wasser speichern, Wasser verteilen, Wasser schützen, Wasser schätzen und Wasser gesamtstaatlich denken“ beruft sich die Initiative im Kreis. Einmal im Monat wollen sich ab sofort vier Arbeitskreise treffen, um bis Ende des Jahres einen konkreten Ablaufplan zu erarbeiten.
Beim Auftaktworkshop wollte Glauber eigentlich selber dabei sein – die Anwesenheitspflicht im Parlament während der Digitalisierungs-Regierungserklärung habe das jedoch nicht zugelassen, erklärte sein „Ersatzmann“ Rüdiger Detsch, der Stellvertretende Amtsleiter im Umweltministerium. „Ein tolles Projekt, Superklasse, Sie haben nicht die Hände in den Schoß gelegt und nicht gewartet bis es große Programme gibt“, lobte er die Idee über den Grünen Klee. Mit finanziellen Hilfen könnten die NEA-ianer:innen sicher rechnen, wenn sie sich an konkrete Projekte machen würden, versprach er - genaue Summen sagte Detsch aber nicht zu.
Doch um „den Landschaftswasserhaushalt wiederherzustellen und Wasser so viel und so flächig wie möglich zu versickern“, so die anvisierten Pläne, braucht es Eingriffe in die Natur – und die kosten. In Versuchen an so genannten „Grünen Gräben“ im Landkreis konnten Erfolge bereits nachgewiesen werden: Kleine Stauwehre haben mehrere Prozent des abfließenden Wassers zurückgehalten, das zur Bewässerung genutzt werden kann. Für den Ministerialen Detsch „ein revolutionärer Ansatz: Über Jahrhunderte wurde entwässert, jetzt gehen wir die andere Richtung.“
Auch Wolfgang Neukirchner sieht das Projekt optimistisch. Der Leiter des Amts für Ländliche Entwicklung Mittelfranken ALE gab sich sogar selbstkritisch zur so genannten Flurbereinigung der vergangenen Jahrzehnte: „Wir sind in der Flurneuordnung etwas zu weit gegangen.“ Nun will seine Behörde eher „einfache Instrumente einsetzen und Land tauschen“, um zum Beispiel die Erosion zu senken oder das Wasser in der Landschaft zu halten. Von Enteignung wie früher könne keine Rede mehr sein. Die wenn auch späte Erkenntnis des ALE-Chefs: „Wenn man etwas erreichen will, muss man es ganzheitlich sehen und die Menschen mitnehmen. Wenn die Leute nicht im Boot sind, können wir so viel Geld reinstecken wie wir wollen, es wird nie was werden.“
Ganz neu ist natürlich nicht alles, was nun kommen soll. So hat die Gemeinde Ipsheim schon in den 1970er Jahren in den Weinbergen – mit der Burg Hoheneck ganz oben – Rückhaltebecken gebaut. Doch weil die nicht gepflegt wurden, haben sie bei den Sturzfluten der vergangenen Jahre kaum noch Rückhaltewirkung zeigen können. 2022 aber wurden die Sedimente ausgebaggert, die fast die ganzen Becken belegten, wie die Zweite Bürgermeisterin Gabi Schöttle vor Ort erläuterte. Womöglich gebe es künftig sogar die Möglichkeit, das aufgefangene Wasser teilweise zur Weinbergbewässerung einzusetzen. Das angeschwemmte Erdreich jedenfalls könne meist wieder auf die Felder ausgebracht werden, bestätigte ALE-Chef Neukirchner.
Und auch wenn selbst Rüdiger Detsch klarstellt, der Landkreis NEA sei der erste in Bayern, der sich so konsequent auf den Klimaresilienzweg begibt: Die Verantwortlichen vor Ort wollen damit Beispiel und Blaupause für andere sein und ihre Erkenntnisse weitergeben.
Resilienz
Auf die Frage „Was ist eigentlich ... Resilienz?“ gibt das DIFU, das Deutsche Institut für Urbanistik, folgende Antwort: „Resilienz ist vom lateinischen Wort ‚resilire‘ hergeleitet und bedeutet ‚zurückspringen, ‚abprallen‘. Der Begriff umschreibt die Fähigkeit eines Systems, sich gegenüber inneren oder äußeren Einflüssen so zu verhalten, dass es in der Lage ist, wieder in seinen Ursprungszustand zurückzukehren. Es geht also um die Widerstandsfähigkeit, Fehlertoleranz oder Selbstregulation eines Systems.“
Klimaresilienz ist demnach der menschliche Versuch, das System Erde widerstandsfähiger gegen die schädlichen Einflüsse des menschgemachten Klimawandels zu machen. Ein Widerspruch?