13.01.2023
Energiewende: Was lief gut im Jahr 2022
Ein Rückblick des Redaktionsteams der DGS-News
(Matthias Hüttmann) Am Anfang des Jahres werfen wir einen Blick zurück auf die energiepolitischen Maßnahmen, die im Rahmen der Energiewende beschlossen wurden. All die Jahre wurde zwar viel darüber geredet, doch beim Handeln waren die Ambitionen der Vorgängerregierungen meist doch sehr überschaubar. Viel Zeit ist unnötig verstrichen, statt voran zu gehen und die bestehenden erneuerbaren Technologien zu fördern, wurden diese an die kurze Leine genommen und fossilen Energien zahlreiche Brücken gebaut. Hätten die Erneuerbaren diese Unterstützung erhalten, stünden wir heute sicher nicht so schlecht und krisenanfällig da. Da es jedoch nicht hilfreich ist, zu sehr über verpasste Chancen zu sinnieren, haben wir uns fünf Bereiche ausgesucht, bei denen wir deutliche Fortschritte erkennen konnten. Diese stehen exemplarisch für eine ehrgeizige Energiewende, die zugegeben, in der aktuellen Situation nicht immer einfach umzusetzen ist. Aber dennoch: Es geht voran!
Rückblick von Tatiana Abarzúa
Eine sehr erfreuliche Entwicklung ist das große Interesse an Balkonsolaranlagen. Ende letzten Jahres waren bereits rund 500.000 Stecker-Solarmodule am Netz. Nach und nach wird der Kauf und die Installation der Mini-Solaranlagen vereinfacht. Sei es durch den Wegfall der Mehrwertsteuer oder über Förderungen, wie in Mecklenburg-Vorpommern.
Ein direkter offensichtlicher Vorteil, neben der Reduzierung des eigenen Stromverbrauchs um bis zu etwa ein Fünftel, ist die persönliche photovoltaische Energiewende, die jede:r hierdurch umsetzen kann. Auch als Mieter:innen. Der Weg zum konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien wird dadurch für mehr Menschen greifbar, und die Energiewende demokratischer.
Rückblick von Matthias Hüttmann
Das ist neu: Die Bundesregierung hat die Wärme auf dem Schirm. Nachdem jahrzehntelang beim Ausbau der Erneuerbaren die Fokusierung der Stromseite die Notwendigkeit einer Wärmewende vernebelt hat, wächst jetzt ganz offensichtlich eine kleine Pflanze heran. Mit der Förderung für effiziente Wärmenetze oder dem Ziel Städte und Gemeinden zu einer kommunalen Wärmeplanung zu verpflichten könnte es auf dieser großen Baustelle endlich voran gehen.
Dass eine, siehe Koalitionsvertrag, „flächendeckende kommunale Wärmeplanung” zumindest mittelfristig nicht ohne einen großen Anteil nichtelektrischer Komponenten auskommt, sollte niemanden überraschen. Dass die Planung einer Nah- oder Fernwärme viel Zeit und auch eine Privilegierung für Flächen im Außenbereich benötigt, ebenso wenig. Daher sollte klar sein, dass es nicht so schnell gehen wird, wie eigentlich nötig. Denn auch hier wurden Jahrzehnte verschenkt. Ein wichtiger Hinweis noch zu Nahwärmenetzen. Diese sind schon deshalb zukunftsfest, weil sie technologieoffen ausgeführt werden. Je nach Gegebenheit und möglichen Entwicklungen können sie mit der unterschiedlichsten Wärmezufuhr betrieben werden. Unter anderem auch mit der „Großen Solarthermie“. Auch ist es möglich, diese Wärmeträger bei Bedarf zu ändern und zu kombinieren.
Rückblick von Jörg Sutter
Die Weichenstellung zum PV-Ausbau mit dem EEG 2023 kann positiv bewertet werden. Die neuen Ziele sind hochgesteckt – 7 GW wurden im Jahr 2022 voraussichtlich erreicht, eine Steigerung von 30 Prozent zum Vorjahr 2021. Ab 2026 sollen dann 22 GW pro Jahr neu installiert werden.
Neben den neuen Zielen wurden von der neuen Bundesregierung auch erste Schritte zur Vereinfachung der Umsetzung unternommen, die teil gerade noch rechtzeitig vor bzw. zum Jahresende in Kraft getreten sind. Im EEG sind neben höheren Vergütungssätzen vor allem der Ausbau der Ausschreibungsvolumina, die Erweiterung der Flächen für Freilandanlagen und die neue Förderung der Agri-PV zu nennen. Daneben werden die Netzanschlussverfahren beschleunigt und vom Finanzministerium wurde die steuerliche Behandlung von typischen privaten Anlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern radikal vereinfacht. Auch erste Schritte hinsichtlich einer Besserstellung der Bürgerenergie haben wir im vergangenen Jahr gesehen, zum Beispiel Erleichterungen bei PV-Großanlagen für Bürgerenergie-Gesellschaften.
Hersteller wie Handwerker mussten zwar in 2022 auch mit Lieferproblemen und Corona kämpfen, doch viele Auftragsbücher sind voll, einer Steigerung in diesem Jahr steht eigentlich nichts im Wege.
Rückblick von Götz Warnke
Am 28. Juli 2022 wurde im Bundesgesetzblatt das neue EEG 2023 veröffentlicht. Auch wenn viele Paragraphen erst zum 1. Januar 2023 gültig wurden, so traten andere Teile der Novelle bereits zum Folgetag in Kraft.
Darunter war auch der neu gefasste § 2, die vielleicht wirkungsmächtigste Änderung, die da lautet „Besondere Bedeutung der Erneuerbaren Energien“: Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Satz 2 ist nicht gegenüber Belangen der Landes- und Bündnisverteidigung anzuwenden.
Diese gesetzliche Regelung ist kaum zu unterschätzen, räumt sie doch viele „Bremsklötze“ für die Erneuerbaren Energien aus dem Weg: unwillige Bürokraten oder Dorfsatzungen, die die Erneuerbaren nach dem Motto „Das haben wir ja noch nie gestattet, da könnte ja jeder kommen“ behindern, haben künftig keine Chancen mehr.
Rückblick von Heinz Wraneschitz
Ich hatte zu Beginn im vergangenen Jahr Sorgen, dass sich zwei Themenfelder schlecht entwickeln würden. Da war einerseits die Kleinwasserkraft. Der Bau von neuen Mühlrädern oder Walzenturbinen an bestehenden Wehren wäre wohl unmöglich geworden, sogar Altanlagen hätten abgeschaltet werden müssen, hätte die Bundesregierung ihre ursprünglichen Pläne für das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG umgesetzt.
Und beim Biogas bleibt wenigstens der Flexbonus für bestehende Anlagen noch für einige Zeit erhalten – womit die Regierung wiederum Zeit gewonnen hat, sich Gedanken zur Zukunft der Biogasanlagen zu machen. Denn die produzieren nicht nur Strom, sondern in vielen Dörfern auch die Nahwärme für viele Gebäude. Wäre es nach den oft unpraktisch denkenden Menschen in den ministerialen Büros gegangen, wären die beiden wichtigen Energietechnologien quasi tot gewesen. Doch gottseidank leben sie weiter, hat am Ende zumindest teilweise die Vernunft gesiegt.